Im Jahr 2022 waren deutlich mehr Fahrgäste im Linienverkehr mit Bussen und Bahnen im Nah- und Fernverkehr unterwegs als im stark von der Corona-Pandemie geprägten Jahr 2021. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) nach vorläufigen Ergebnissen mitteilt, stieg die Fahrgastzahl 2022 gegenüber dem Vorjahr um 29 % auf fast 10,2 Milliarden. Der Wert lag jedoch immer noch 14 % unter dem Niveau des Vorkrisenjahres 2019. Besonders starke Zuwächse gegenüber den Vorjahreszeiträumen waren im 2. und 3. Quartal 2022 zu verzeichnen. In diese beiden Quartale fiel der dreimonatige Gültigkeitszeitraum des „9-Euro-Tickets“, dessen Nachfolgeangebot „Deutschlandticket“ beziehungsweise „49-Euro-Ticket“ ab dem 1. Mai 2023 die Attraktivität des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) dauerhaft steigern soll.
ÖPNV verzeichnet im Jahr 2022 einen Fahrgastanstieg um 29 % gegenüber 2021
Im ÖPNV, der 99 % des Linienverkehrs abdeckt, stieg das Fahrgastaufkommen im Jahr 2022 gegenüber 2021 ebenfalls um 29 % und blieb damit 14 % unter dem Wert von 2019. Dabei waren im Eisenbahn-Nahverkehr einschließlich S-Bahnen mit 2,4 Milliarden Fahrgästen 45 % mehr Menschen unterwegs als im Jahr 2021 und 16 % weniger als im Vor-Corona-Jahr 2019. Mit Straßenbahnen fuhren 3,4 Milliarden Fahrgäste, das waren 31 % mehr als 2021 und 17 % weniger als vor der Corona-Pandemie.
Die derzeit gemeldeten Daten für den Nahverkehr mit Bussen, der mit 4,8 Milliarden Fahrgästen einen Zuwachs um 20 % gegenüber dem Vorjahr und einen Rückgang um 12 % gegenüber 2019 aufweist, bilden möglicherweise die tatsächlichen Schwankungen aufgrund der Corona-Beschränkungen und des von 1. Juni bis 31. August 2022 geltenden 9-Euro-Ticket nicht vollständig ab. In Bussen kommen automatische Fahrgastzählsysteme vergleichsweise selten zum Einsatz und Fahrgastzahlen werden häufig nur in unregelmäßigen Abständen durch Verkehrszählungen und Fahrgastbefragungen ermittelt.
Knapp zwei Drittel mehr Fahrgäste im Bahnfernverkehr als im Vorjahr
Noch stärker als im ÖPNV war der Fahrgastanstieg im Jahr 2022 im Fernverkehr: Mit Eisenbahnen waren 138 Millionen und damit 62 % mehr Reisende unterwegs als 2021, die Zahl der Reisenden in Fernbussen war mit 7,5 Millionen Reisende sogar mehr als zweieinhalb Mal so hoch wie im Vorjahr (+163 %).
Lockerung von Corona-Regeln, 9-Euro-Ticket und Zuwanderung tragen zum Plus bei
Die hohen Zuwächse bei Bussen und Bahnen gegenüber dem Vorjahr wurden insbesondere durch die folgenden Effekte positiv beeinflusst: Lockerungen bei den Corona-Maßnahmen, das von Juni bis August bundesweit im ÖPNV gültige 9-Euro-Ticket sowie ein geschätzter Anstieg der Bevölkerungszahl um 1,1 Millionen Menschen auf 84,3 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner zum Jahresende 2022 auch aufgrund einer Zuwanderung auf Rekordniveau im Zuge des russischen Angriffskriegs in der Ukraine (siehe Pressemitteilung Nr. 026 vom 19. Januar 2023).
Mit 2,72 Milliarden Reisenden und damit 29 % mehr als im Vorjahreszeitraum gab es im 3. Quartal 2022 die meisten Fahrgäste. Dazu dürfte insbesondere das 9-Euro-Ticket beigetragen haben, das viele Menschen im Juli und August nutzten. Die Zuwachsrate bei den Fahrgästen war dagegen im 2. Quartal 2022 mit +42 % gegenüber dem Vorjahresquartal auf 2,59 Milliarden am höchsten. Auch hier dürfte der Start des 9-Euro-Tickets im Juni eine Rolle gespielt haben. Allerdings waren die Vorjahresquartalswerte aufgrund des vom 24. April bis zum 30. Juni 2021 bundesweit geltenden Corona-Lockdown („Bundesnotbremse“) auch vergleichsweise niedrig.
Methodische Hinweise:
Die Angaben der amtlichen Statistik zum Personenverkehr mit Bussen und Bahnen stammen von den rund 800 größeren Unternehmen im Liniennahverkehr mit Bussen und Bahnen und im Linienfernverkehr mit Bussen mit Sitz in Deutschland, die im Jahr der letzten Totalerhebung (2019) mindestens 250 000 Fahrgäste beförderten, sowie von allen Unternehmen mit Bahnfernverkehr. Im Nahverkehr werden Fahrgäste, die während einer Fahrt zwischen den Verkehrsmitteln eines Unternehmens umsteigen, in die Gesamtzahl nur einmal einbezogen, in die nach Verkehrsmitteln untergliederten Angaben jedoch mehrmals. Als Fahrgäste werden sogenannte Beförderungsfälle gezählt. Fahren im Berichtszeitraum Personen mehrfach, werden sie somit auch mehrfach gezählt.
Seit dem 2. Quartal 2020 sind die Angaben der Statistik mit größeren Unsicherheiten behaftet, da automatisierte Fahrgastzählsysteme (AFZS) noch nicht flächendeckend im Einsatz sind und ein Teil der gemeldeten Daten für Zeitkarten-Inhaberinnen und -Inhaber im Nahverkehr auf der Annahme von Nutzungshäufigkeiten unter Normalbedingungen, nicht aber unter den Bedingungen in der Corona-Pandemie oder des 9-Euro-Tickets beruhen. Allerdings liegen die in dieser Pressemitteilung veröffentlichten Ergebnisse für Eisen- und Straßenbahnen in einem ähnlichen Bereich wie die Ergebnisse einer Sonderanalyse von Daten von Unternehmen, die AFZS einsetzen (siehe Pressemitteilung Nr. 333 vom 5. August 2022). Da im Eisen- und Straßenbahnverkehr AFZS häufiger eingesetzt werden, werden diese Daten als relativ belastbar eingeschätzt; es kann aber auch hier noch zu Revisionen kommen. In Bussen kommen AFZS noch recht selten zum Einsatz, daher sind die Aussagen zum Busverkehr unsicherer.
Aufgrund einer Neufestlegung des Berichtskreises ab dem 1. Quartal 2021 wurden Veränderungsraten zum Jahr 2019 durch Verkettung ermittelt, also durch die Multiplikation der Veränderungsraten der Jahre 2019 zu 2020, 2020 zu 2021 sowie 2021 zu 2022. Dabei wurde die Veränderungsrate 2020 zu 2021 anhand der im Berichtskreis verbleibenden Unternehmen berechnet und auf die neuen Unternehmen im Berichtskreis übertragen.
Quelle: Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung vom 6. April 2023