Wie das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) in einer heute veröffentlichten Analyse feststellt, war die Zahl der Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften in Deutschland im Dezember unverändert hoch. Im vierten Quartal 2024 gab es so viele Firmen­pleiten wie seit der Finanzkrise vor 15 Jahren nicht mehr.

Die Zahl der Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften in Deutschland liegt laut IWH-Insolvenztrend im Dezember praktisch unverändert zum Vormonat bei 1 340 (vgl. Abbildung 1). Das sind 24% mehr als im Dezember 2023 und 54% mehr als in einem durchschnittlichen Dezember der Jahre 2016 bis 2019, also vor der Corona-Pandemie.

Schließungen großer Arbeitgeber führen häufig zu erheblichen und dauerhaften Einkommens- und Lohnverlusten bei den betroffenen Beschäftigten. Die Zahl der von Großinsolvenzen betroffenen Jobs liefert zudem eine gute Annäherung an die Gesamtzahl der von Insolvenz betroffenen Arbeitsplätze. Laut IWH-Insolvenztrend waren im Dezember in den größten 10% der insolventen Unternehmen mehr als 15 000 Arbeitsplätze betroffen. Damit liegt die Zahl der betroffenen Beschäf­tig­ten mehr als ein Drittel über dem Vormonatswert, 59% über dem Niveau von Dezember 2023 und 71% über dem Durchschnitt eines typischen Dezembers der Vor-Corona-Jahre 2016 bis 2019 (vgl. Abbildung 2). Die beschäftigungsstärkste In­solvenz war die Pleite des Wuppertaler Automobilzulieferers WKW mit mehr als 2 000 Beschäftigten.

Im vierten Quartal 2024 waren 4 215 Personen- und Kapitalgesellschaften mit knapp 38 000 Arbeitsplätzen von einer Insolvenz betroffen. Zur historischen Ein­ordnung: Seit 2003 führt das Statistische Bundesamt diese Zahlen. Die Zahl der Insolvenzen im vierten Quartal 2024 war so hoch wie seit dem Ende der großen Wirtschafts- und Finanzkrise Mitte 2009 nicht mehr. Das letzte vierte Quartal mit höheren Werten liegt noch weiter zurück – im Jahr 2005. Eine branchenspezifische Aufschlüsselung für insolvente Personen- und Kapitalgesellschaften liegt beim Statistischen Bundesamt nicht vor. Das IWH erhebt diese Daten seit Januar 2020. Im vierten Quartal 2024 wurde in fast allen Branchen ein absoluter Höchststand ver­zeichnet – mit Ausnahme des Grundstücks- und Wohnungswesens sowie des Gast­gewerbes, wo der Höhepunkt bereits im dritten Quartal erreicht wurde.

Steffen Müller, Leiter der IWH-Insolvenzforschung, führt die hohen Insolvenz­zahlen nur zum Teil auf aktuelle Konjunkturprobleme und Kostensteigerungen bei Energie und Löhnen zurück. „Jahrelang extrem niedrige Zinsen haben Insolvenzen verhindert, und während der Pandemie sind Insolvenzen aufgrund von Subventio­nen wie zum Beispiel dem Kurzarbeitergeld ausgefallen“, sagt Müller. „Der Zins­anstieg und der Wegfall der Subventionen haben ab 2022 Nachholeffekte bei Insol­venzen ausgelöst.“ Müller sieht in den hohen Insolvenzzahlen schmerzhafte, aber notwendige Marktbereinigungen, die Platz für zukunftsfähige Unternehmen machen.

Verglichen mit dem vierten Quartal 2023 stieg die Zahl der Insolvenzen im vier­ten Quartal 2024 um 36%. Unter den größeren Bundesländern war der Anstieg in Baden-Württemberg (+65%) am stärksten. Unter den großen Insolvenzbranchen lag der Zuwachs im Bereich der unternehmensnahen Dienstleistungen mit 47% am höchsten. Im Verarbeitenden Gewerbe stieg die Zahl um 32%. Bei der Zahl der be­troffenen Arbeitsplätze betrug der Anstieg gegenüber dem vierten Quartal des Vor­jahrs lediglich 17%.

Das IWH erhebt Frühindikatoren, die dem Insolvenzgeschehen um zwei bis drei Monate vorauslaufen. Die Frühindikatoren sind nach hohen Werten im November im Dezember leicht rückläufig, aber noch immer erhöht. Auf Basis dieser Indikato­ren erwartet IWH-Insolvenzforscher Steffen Müller ab Februar einen leichten An­stieg der Insolvenzzahlen.

IWH-Insolvenztrend: Hintergrund, Daten, Methodik

Deutlich schneller als die amtliche Statistik liefert der IWH-Insolvenztrend des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) jeden Monat einen belastbaren Befund zum bundesweiten Insolvenzgeschehen für Personen- und Kapitalgesellschaften. Die Ergebnisse weisen nur geringfügige Abweichungen von den amtlichen Zahlen auf, die mit etwa zwei Monaten Zeitverzug eine umfassende Einschätzung der Lage erlauben (vgl. Abbildung 3).

Der IWH-Insolvenztrend ist deshalb ein verlässlicher Frühindikator für das Insolvenz­geschehen und die wirtschaftliche Entwicklung. Für seine Analysen wertet das IWH die aktuellen Insolvenzbekanntmachungen der deutschen Registergerichte aus und verknüpft sie mit Bilanzkennzahlen betroffener Unternehmen. Dank seiner langjährigen Expertise, gebündelt in der IWH-Insolvenz­forschungsstelle, gehört das Institut bundes­weit zu den führenden Einrichtungen auf diesem Themengebiet.

Die im IWH-Insolvenztrend gemeldeten Insolvenzen für Kapital- und Personengesell­schaften umfassen in der Regel mehr als 90% der von Unternehmensinsolvenz be­troffenen Arbeitsplätze und 95% der Forderungen. Damit bilden diese Zahlen verläss­lich die direkten volkswirtschaftlichen Konsequenzen des Insolvenzgeschehens ab.

Auch die amtliche Statistik weist monatlich vorläufige Insolvenzzahlen aus. Diese beziehen sich jedoch auf alle Regelinsolvenzen. Regelinsolvenzen umfassen neben den im IWH-Insolvenztrend erfassten Personen- und Kapitalgesellschaften auch die gesamtwirtschaftlich wenig relevante Gruppe der Kleinstunternehmen. Zudem wer­den auch bestimmte natürliche Personen wie Selbstständige oder ehemals selbst­ständig Tätige mit unüberschaubaren Vermögensverhältnissen sowie privat haf­tende Gesellschafter und Einzelunternehmer gemeldet.

Regelinsolvenzen sind also nicht mit Unternehmensinsolvenzen gleichzusetzen. Die Zahl der insolventen Personen- und Kapitalgesellschaften macht weniger als die Hälfte der Regelinsolvenzen aus. Die prozentualen monatlichen Veränderungen bei den Regelinsolvenzen können sich aufgrund der Vielzahl gesamtwirtschaftlich un­bedeutender Insolvenzfälle deutlich von denen der Personen- und Kapitalgesell­schaften unterscheiden.

IWH, 09.01.2025

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