Neue Zahlen des Europäischen Patentamts zeigen: Deutsche Erfinder meldeten 2022 fast fünf Prozent weniger Patente an. Und das, obwohl die Forschungsausgaben auf einem Rekordhoch sind. Es fehlen Fachkräfte und Innovationen in der Elektrotechnik.
Diese Zahlen sorgen im Land der selbsternannten Tüftler und Denker für Aufsehen: Immer mehr Patentanmeldungen gehen im Europäischen Patentamt (EPA) in München ein. 2022 haben europäische Erfinder 2,5 Prozent mehr Erfindungen dort eingereicht als im Vorjahr – doch die Anmeldungen aus Deutschland sanken um 4,7 Prozent. Wer nach den Ursachen sucht, fängt vermutlich bei der Corona-Pandemie an. Industrieunternehmen in Deutschland mussten ihre Geschäfte zurückfahren, was auch die Forschungs- und Entwicklungsabteilungen der Betriebe getroffen hat. Doch die Corona-Krise ist kein deutsches Problem. Weltweit kämpften Unternehmen 2022 mit den Folgen der Pandemie und tun es zum Teil heute noch.
Langfristige Trends bremsen Erfindungen aus
Die Probleme sind von langfristiger Natur, im Kern zeichnen sich drei Faktoren ab, die den Erfinderstandort Deutschland unter Druck setzen. Erstens nimmt die Zahl der Erfinder mit deutschen Wurzeln aufgrund des demografischen Wandels seit Jahren ab. Kluge Köpfe mit ausländischen Wurzeln konnten in den vergangenen fünf Jahren einen Rückgang der Patentanmeldungen ausgleichen, andernfalls wären die Patentanmeldungen bereits 2018 gesunken. Zweitens: Es fehlen Fachkräfte. Erfindungen gibt es vor allem in den MINT-Disziplinen, doch gerade hier sank zuletzt die Zahl der Uni-Absolventen. Und drittens: Deutsche Erfinder haben ihre Stärke im Maschinen- und Fahrzeugbau. Nicht ohne Grund gilt die Autoindustrie hierzulande als Innovationstreiber, Stichwort Verbrennungsmotor. Doch Elektroautos, Smartphones und das Internet of Things zeigen: Technologische Sprünge und Innovationen gibt es vor allem in der digitalen Elektrotechnik. Deutschland droht den technologischen Wandel zu verpassen.
Forschungsausgaben auf Allzeithoch
Es sind vor allem strukturelle Gründe, die den deutschen Erfindergeist kranken lassen. Am Geld liegt es zumindest nicht: 2022 hat die gesamtwirtschaftliche Forschungs- und Entwicklungsquote ein Allzeithoch erreicht. Die Probleme stellen nicht nur die Unternehmen vor enorme Herausforderungen. Gerade die Politik muss nun dafür sorgen, dass es mehr Fachkräfte gibt und MINT-Berufe und Studiengänge attraktiver werden, etwa für junge Frauen. Das Rennen ist noch nicht verlogen, immerhin ist Deutschland gemessen an seiner Bevölkerungsgröße noch immer in der Erfinder-Spitzengruppe – mit deutlichem Abstand vor den Chinesen und Amerikanern.
Quelle: IW Köln, Pressemitteilung vom 28. März 2023