Horrende Stromkosten setzen den Industriestandort Deutschland unter Druck – nicht erst seit der Energiekrise. Roberts Habecks Vorschlag einer Industriestrombremse kommt deshalb zur richtigen Zeit. Bei der Umsetzung gilt es jedoch einiges zu bedenken.

Die deutsche Industrie ächzt unter hohen Stromkosten. Rund 25 Cent zahlten Unternehmen in Deutschland im zweiten Halbjahr 2022 durchschnittlich für eine Kilowattstunde Strom – knapp mehr als im EU-Durchschnitt und etwa dreieinhalb Mal so viel wie in den USA, wie eine Auswertung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt. Im internationalen Wettbewerb droht die deutsche Industrie damit unter die Räder zu kommen. 

Infolge der Energiekrise sind die Strompreise zwar auch in vielen anderen europäischen Ländern gestiegen. Ein Vergleich mit den Preisen des zweiten Halbjahrs 2020 zeigt aber: Die Bundesrepublik ist schon lange Hochpreisland, damals war nur Dänemark teurer. Das belegt, dass die Probleme bei den deutschen Energiepreisen in großen Teilen strukturell sind – selbst wenn die Energiekrise wieder abflacht, dürften die deutschen Standortnachteile bleiben. Der Wirtschaftsminister möchte deshalb mit einem fixen Brückenstrompreis von 6 Cent je Kilowattstunde den Industriestandort sichern – abgesehen davon, dass durch die Abschaltung der letzten Atomkraftwerke das Stromangebot unnötig verknappt wurde, ein pragmatischer Vorschlag zu richtiger Zeit.

Wichtig ist jedoch, wie das Instrument gestaltet wird. Besonders zentral: Preisanreize müssen erhalten bleiben, damit es sich weiterhin lohnt, Windräder und Solaranlagen zu bauen – und damit Strom dann verbraucht wird, wenn er an den Börsen durch hohe Einspeisungen durch Sonne und Wind besonders günstig ist. Ebenso sendet der Markt in Zeiten hoher Preise wichtige Sparanreize. Die Pläne zeigen, dass das Bundeswirtschaftsministerium diese Zusammenhänge sieht. Denn nur besonders energieintensive Unternehmen kommen in den Genuss der Förderung – und das auch nur für 80 Prozent des Stroms. Außerdem orientiert sich die Förderung am durchschnittlichen Börsenstrompreis, nicht an den tatsächlich gezahlten Preisen. Die Maßnahme schafft damit Anreize, günstigen Strom zu kaufen, wenn er verfügbar ist. Anspruchsberechtigt sind grundsätzlich die gleichen Unternehmen wie bei der Besonderen Ausgleichsregelung der früheren EEG-Umlage; das ist politisch konsistent. Unternehmen, die besonders auf Energieeffizienz setzen, und deshalb aus der Förderung rausfielen, sollten dafür weiterhin belohnt werden. Wer unter die Bezugsgrenze fällt, könnte beispielsweise immer noch für 50 Prozent des Strombedarfs die volle Subvention bekommen.

Der Preis von sechs Cent ist zudem gut gewählt. Er liegt nur leicht unter dem Preis, der derzeit bei langfristigen Verträgen für erneuerbare Energien gezahlt wird und spiegelt die Kosten von Wind und Solar gut wider. Auch die EEG-Vergütung für Windkraftanlagen lag in den letzten Jahren in diesem Bereich. Damit möchte man an das erwartete Preisniveau des geplanten Transformationsstrompreis nach 2030 anknüpfen. Es ist gut, dass der Minister hier die Empfehlungen der EU-Kommission umsetzt. Mit diesem Instrument soll grüne Energie mit Preiskorridoren und abgesicherten Verträgen gezielt gefördert werden. Das ist wichtig, um das notwendige Angebot an grünem Strom zu schaffen, denn nur so lässt sich der Preis nachhaltig senken. 

In der aktuellen Situation ist nun vor allem Tempo gefragt – in der energieintensiven Industrie ist die Produktion zuletzt um 20 Prozent unter das Niveau von 2015 gefallen. Im ersten Quartal ist die Wirtschaft nur knapp an einer Rezession vorbeigeschrammt. Mit dem Brückenstrompreis will die Bundesregierung nun zeitnah reagieren, um erstens den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken und zweitens den Unternehmen Anreize zur Elektrifizierung zu setzen – denn diese braucht es für die geplante Industriewende.

Wichtig ist, dass der Minister den Unternehmen bei der Umsetzung durch überbordende Bürokratie nicht den nächsten Knüppel zwischen die Beine wirft. Zu kleinteilige Vorgaben würden die Planungssicherheit und damit die Wirkung der Preisbremse stark verwässern. Vor allem aber gilt es den konsequenten Ausbau der Erneuerbaren Energien voranzutreiben. Denn langfristig liegt genau darin der Hebel die Strompreise zu senken und vor kurzfristigen Preisexplosionen, wie im vergangenen Jahr, zu schützen. Deshalb ist die Inanspruchnahme an eine Transformationsstrategie und an eine Standortgarantie der Unternehmen geknüpft; völlig sachfremd ist allerdings die Bedingung der Tariftreue. Offen bleibt, ob und wie durch eine Angleichung der Stromsteuer auf europäisches Mindestniveau oder verringerte Netzentgelte allen Unternehmen eine Entlastung gewährt wird. Mit Blick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit wäre dies erwägenswert. 

Quelle: IW Köln, Pressemitteilung vom 11. Mai 2023

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