Nicht nur die deutsche, auch die chinesische Wirtschaft schwächelt. Für Olaf Scholz ist das hilfreich, denn Peking dürfte konzessionsbereit sein. Ein Ende der chinesischen Warenschwemme muss her, weniger wichtig ist dagegen der Marktzugang – denn die in China erzielten Gewinne sind niedriger als allgemein angenommen.
Die Vorzeichen, unter denen Olaf Scholz am Samstag in Richtung Peking aufbricht, sind nicht gut: Beide Volkswirtschaften sind in der Krise, Ukraine-Krieg und Sorgen um Taiwan belasten das Verhältnis. Der Umgang mit dem fernöstlichen Riesen bleibt ein Drahtseilakt, denn um sich abzukoppeln, ist das Land schlicht zu groß, die Kooperation in Bereichen wie Klimaschutz zu wichtig. Olaf Scholz muss sich in den Gesprächen am Dreiklang Partner, Wettbewerber und Systemrivale orientieren – keine leichte Aufgabe.
Auch China braucht Deutschland
Denn nicht nur als Systemrivale, sondern auch als Wettbewerber agiert China zunehmend problematisch. Das betrifft vor allem die hohen chinesischen Überkapazitäten, gerade bei den erneuerbaren Energien überschwemmt China den europäischen Markt regelrecht. Chinas Exportschwemme bedroht die Industrie in vielen Ländern, auch hierzulande. Zudem gerät die lange gehegte Hoffnung auf den Klimaschutz als Beschäftigungsmotor für Deutschland ins Wanken.
Weil Chinas Wirtschaft lahmt und Auslandsinvestitionen stocken, hat die chinesische Führung für viele europäische Firmen wieder den roten Teppich ausgerollt. China braucht Deutschland – und will die Geschäftsbedingungen vor Ort verbessern. Olaf Scholz sollte die Verhandlungsbereitschaft nutzen, muss aber die richtigen Prioritäten setzen: Ein Abbau der Überkapazitäten und ein Eindämmen der Exportschwemme nutzen der deutschen Volkswirtschaft insgesamt. Anders ist es beim sich ohnehin verbessernden Marktzugang. Von dem profitierten nur die deutschen Firmen in China, die ohnehin immer mehr vor Ort produzieren wollen statt von Deutschland aus zu exportieren.
Lieferketten bei kritischen Produkten diversifizieren
Auch die in China erzielten Gewinne der deutschen Tochterfirmen sollten nicht überschätzt werden. Nach einer Sonderauskunft der Bundesbank betrugen sie im Jahr 2022 rund 19 Milliarden Euro. Davon blieb gut die Hälfte in China und wurde dort reinvestiert, nur knapp 10 Milliarden Euro flossen also zurück nach Deutschland. Zum Vergleich: Nach vorläufigen Bundesbankschätzungen lagen die Gewinne allein für einen großen Teilbereich der deutschen Wirtschaft (ohne Finanz-, Immobilien- oder Landwirtschaft) im gleichen Jahr bei über 330 Milliarden Euro. Die Gewinne aus China sind demgegenüber sehr überschaubar.
Ein weiteres wichtiges Thema sind die kritischen Importabhängigkeiten. Hier sollte der Kanzler die sichere Versorgung der Welt mit kritischen Rohstoffen einfordern. Doch da darauf in einem geopolitischen Konfliktfall kein Verlass ist, muss die deutsche Wirtschaft kritische Importabhängigkeiten verringern. Noch immer macht dieses De-Risking zu wenig Fortschritte, das zeigen Unternehmensumfragen und eine IW-Untersuchung von Importprodukten mit hohen Einfuhranteilen aus China.
(c) IfW Kiel, 09.04.2024