„Die Konjunktur in Deutschland hat im Sommer die Talsohle erreicht. Ab Herbst dürfte es langsam wieder aufwärtsgehen“, kommentiert ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser die Meldung des Statistischen Bundesamts, dass die Wirtschaftsleistung im dritten Quartal 2023 um 0,1 Prozent gesunken sei. „Der ifo Geschäftsklimaindex ist im Oktober zum ersten Mal seit April gestiegen. Vor allem der Ausblick auf die kommenden Monate hat sich aufgehellt, aber auch die gegenwärtige Lage schätzen die Unternehmen etwas besser ein“, fügt Wollmershäuser als Begründung an und ergänzt: „Nach unseren Schätzungen dürfte die Wirtschaftsleistung im laufenden vierten Quartal um 0,1 Prozent zulegen.“
Die Erholung dürfte durch das Wiedererstarken der gesamtwirtschaftlichen Kaufkraft eingeleitet werden. Bis zum Ende des laufenden Jahres dürften die Terms-of-Trade wieder das Niveau von vor Ausbruch der Coronakrise erreichen. Zum einen sind die Preise der meisten Importgüter, allen voran Energie, kräftig gesunken. Zum anderen konnten die Exporteure die gestiegenen Produktionskosten weitergeben. Solche Terms-of-Trade-Gewinne erhöhen den Verteilungsspielraum und ermöglichen bei gegebener Produktivitätsentwicklung höhere Nominallohnzuwächse, ohne den heimischen Preisauftrieb zusätzlich zu befeuern. Daher steigen die Einkommen der privaten Haushalte stärker als die Preise, so dass mit einem Kaufkraftplus und einem allmählichen Anstieg des privaten Konsums zu rechnen ist. Die Inflationsrate wird ihren Abwärtstrend fortsetzen. Viele Verbraucherpreise steigen bereits jetzt im Verlauf nur noch wenig, manche sinken bereits.
Die Industrie wird von den Terms-of-Trade-Gewinnen und dem Aufleben der Konsumkonjunktur profitieren. Die Nachfrage nach deutschen Waren dürfte wieder zulegen, auch weil der globale Zinszyklus seinen Höhepunkt erreicht hat. Die Konjunktur im Wohnungsbau wird ihre Abkühlung hingegen fortsetzen. Zwar ist der kräftige Anstieg der Preise für den Neubau von Wohngebäuden mittlerweile fast gestoppt und die Marktpreise für neuerstellte Wohnimmobilien (also Gebäude inklusive Grundstücke) sinken seit einem Jahr. Allerdings scheint aus Sicht der Bauherren diese Entlastung noch nicht auszureichen, um die spürbar gestiegenen Finanzierungskosten zu kompensieren. Darauf deuten zumindest die anhaltenden Auftragsrückgänge und Stornierungen bei den Bauunternehmen hin.
Ein bedeutendes Risiko für die konjunkturelle Entwicklung ist eine weitere Eskalation des Konflikts im Nahen Osten. Das zumindest zeigt die Erfahrung aus dem Jahr 1973, als die arabischen Ölförderstaaten als Reaktion auf den Jom-Kippur-Krieg ein Ölembargo verhängten. In der Folge verfünffachte sich der durchschnittliche Erdölpreis binnen weniger Monate von 2,70 US-Dollar auf 13 US-Dollar, was in den damaligen Industrieländern schwere Rezessionen und kräftige Inflationsanstiege auslöste. Bislang sind Erdölpreise seit Ausbruch des Konflikts nur um etwa 6 Prozent gestiegen. Aber die weitere Entwicklung ist unsicher und hängt vom Verhalten der arabischen Ölförderstaaten in der Region ab.
(c) ifo-Institut, 30.10.2023