DIW-Bericht auf Basis von OECD-, WEF- und Eurostat-Daten untersucht, wie die Qualität regionaler Verwaltungen den Zusammenhang zwischen Regulierungsdichte eines Landes und Unternehmensentwicklung beeinflussen – In EU-Regionen mit sehr guter Verwaltung entwickeln sich schnell wachsende Unternehmen trotz hoher Regulierungsdichte positiv – Ineffiziente Verwaltungen hingegen verschärfen negative Auswirkungen einer hohen Regulierungsdichte

Nicht nur die Zahl der Vorschriften und Regulierungen, sondern auch die Qualität der öffentlichen Verwaltung, die diese Vorschriften vor Ort umsetzt, entscheiden über Wachstumspotenziale von Unternehmen. Die Regulierungsdichte europäischer Länder wird häufig dafür verantwortlich gemacht, das Wirtschaftswachstum zu hemmen. Als Allheilmittel gilt der Bürokratieabbau. Aktuelle Berechnungen zeigen aber, dass sich in EU-Regionen mit sehr guter öffentlicher Verwaltung schnell wachsende Unternehmen trotz hoher Regulierungsdichte positiv entwickeln. Ineffiziente Verwaltungen hingegen verschärfen die negativen Auswirkungen einer hohen Regulierungsdichte. Dies sind die wichtigsten Ergebnisse einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Die DIW-Ökonom*innen Alexander S. Kritikos und Sara Amoroso aus der Forschungsgruppe Entrepreneurship sind der Frage nachgegangen, in welcher Form Bürokratie die Wachstumspotenziale von Unternehmen hemmt.

Dazu haben sie sich auf Unternehmen fokussiert, die als Beschäftigungs- und Produktivitätstreiber gelten, sogenannte schnell wachsende Unternehmen. „Diese Unternehmen sind ein guter Indikator für die Wachstumsdynamik einer Region. Sie siedeln sich grundsätzlich eher in EU-Regionen ohne überbordende Regulierungsvorschriften an“, berichtet Studienautor und DIW-Vorstandsmitglied Alexander S. Kritikos. „Uns ist aber aufgefallen, dass in einigen Ländern wie Finnland die Produktmärkte zwar stark reguliert, gleichzeitig aber die wirtschaftliche Entwicklung und der Anteil schnell wachsender Unternehmen im EU-Vergleich überdurchschnittlich hoch sind. Dieser widersprüchlichen Entwicklung wurde bislang keine Aufmerksamkeit geschenkt.“

Dies haben die Forschenden nun nachgeholt und mit Hilfe des Quality-of-Government-Index der Universität Göteborg die Verwaltungsqualität auf regionaler Ebene bei ihren Schätzungen berücksichtigt. Den Berechnungen zufolge sinkt der Anteil schnell wachsender Unternehmen, sobald die Regulierungsdichte der Produktmärkte zunimmt – und zwar zwischen zehn und 20 Prozent in Regionen mit niedriger und mittlerer Verwaltungsqualität. Ist die Verwaltungsqualität hingegen sehr gut, hat die zunehmende Regulierung keinen messbaren Effekt. „Unternehmen gehen bei schlechter Verwaltungsqualität dorthin, wo die Regulierungsdichte gering ist. Aber, so die neue Erkenntnis, in Regionen mit einer hohen Verwaltungsqualität ist es für die Unternehmen nicht mehr entscheidend, ob sie auf eine niedrige oder eine hohe Regulierungsdichte treffen“, resümiert Entrepreneur-Experte Kritikos.

Daraus lassen sich zielgerichtete Politikmaßnahmen ableiten: „Neben dem Abbau von Vorschriften sollte der Verbesserung der Verwaltungsqualität in entsprechenden Regionen sehr viel mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden, denn offensichtlich wird eine hohe Regulierungsdichte erst bei niedriger Verwaltungsqualität zu einem Hemmnis für Unternehmen“, meint Kritikos. Um bessere, vor allem über alle EU-Regionen hinweg gleich gute Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen zu schaffen, sollten die Verantwortlichen in der Politik den Ausbau einer qualitativ hochwertigeren Verwaltung gezielt fördern, dafür gibt ihnen die EU sogar unterstützende Instrumente zur Hand. „Im Moment gibt es jedoch noch keine goldene Formel, wie mehr Anreize für eine effiziente Ausgestaltung einer Verwaltung gesetzt werden können“, ergänzt Alexander Kritikos. „Aber das Beispiel der nordischen Länder lässt vermuten, dass dort, wo die Kommunen einen substanziellen Anteil aus dem lokalen Einkommen- und Körperschaftsteueraufkommen erhalten, auch die Verwaltungsqualität besser ist, da sich diese höhere Qualität dann buchstäblich in einem höheren Steueraufkommen auszahlt.“

(c) DIW, 18.10.2023

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