Sanktionen gegen Russland nach der Annexion der Krim reduzierten den Konsum in Russland um 1,4 Prozent – Simulationsrechnungen zeigen, dass Sanktionspotenzial höher hätte sein können – Beteiligung von Schwellenländern hätte Sanktionsdruck erhöht – Sanktionen bescherten kleinen osteuropäischen Volkswirtschaften größere Kosten als großen Volkswirtschaften – Lastenausgleichsfonds könnten Asymmetrien verringern
Große Volkswirtschaften wie Deutschland oder die USA verursachen mit ihren Sanktionen gegen Russland dort nicht nur höhere Wohlfahrtsverluste als kleine Volkswirtschaften, sondern es belastet auch ihre Wirtschaft weniger. Koordinieren mehrere Länder ihre Sanktionen, erhöht sich der Sanktionsdruck auf Russland. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) von DIW-Ökonomin Sonali Chowdhry und Forschenden des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel. Die Studienautor*innen haben untersucht, wie die Sanktionen gegen Russland im Jahr 2014 als Reaktion auf die Annexion der Krim sowohl Russland als auch die sanktionierenden Länder belastet haben. In Simulationsrechnungen sind sie der Frage nachgegangen, wie die Wirkung sich verstärkt hätte, wenn die Koalition größer gewesen oder die Sanktionen zu einem Handelsembargo gegen Russland ausgeweitet worden wären.
Demnach senkten die Koalitionssanktionen 2014 die Wohlfahrt in Russland um 1,4 Prozent, gemessen an der Veränderung des realen Verbrauchs. Im hypothetischen Maximalszenario mit einer globalen Koalition und einem vollständigen Handelsembargo gegen Russland hätten sich die Verluste sogar auf 15 Prozent verzehnfacht. „Das Sanktionspotenzial ist 2014 also nicht vollständig ausgenutzt worden“, sagt DIW-Ökonomin Chowdhry. „Wären mehr Länder beteiligt gewesen oder hätten die Sanktionen wie aktuell auch internationale Zahlungssysteme oder Energielieferungen betroffen, hätte der wirtschaftliche Schaden für Russland weitaus größer ausfallen können.“
Zwei Jahre nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine werden die Sanktionen des Westens gegen Russland weiter verschärft. „Die aktuellen Sanktionen, die Russlands Zugang zum internationalen Zahlungssystem SWIFT und den Energiehandel beschränken, nutzen das Sanktionspotenzial sicherlich besser aus als die Sanktionen 2014“, meint Chowdhry. Gleichzeitig besteht Skepsis, ob die Sanktionen die sanktionierenden Länder nicht mehr belasten, als sie Russland schaden. Tatsächlich waren 2014 die Kosten für die sanktionierenden Länder sehr heterogen. Große Volkswirtschaften wie die USA und Deutschland kosteten die Sanktionen relativ wenig. Kleine Volkswirtschaften mit geografischer Nähe zu Russland belasteten die Sanktionen hingegen sehr stark, da sie verhältnismäßig viele Exportmöglichkeiten verloren. Trotzdem trafen die Sanktionen Russland stärker, als sie die Länder belasteten.
Die Autor*innen der Studie untersuchten auch, wie die ungleiche Lastenverteilung zwischen den Koalitionspartnern über einen Fonds ausgeglichen werden könnte, aus dem stärker betroffene Volkswirtschaften Geld zum Ausgleich ihrer Verluste erhielten. Im Fall der Sanktionen von 2014 hätte dieser Fonds mit 4,9 Milliarden Dollar gefüllt sein müssen. „Eine Lastenteilung könnte nicht nur die nachteiligen Auswirkungen von Sanktionen auf die durchführenden Länder abmildern, sondern auch die Stabilität von Sanktionskoalitionen erhöhen und die Beteiligung weiterer Länder fördern“, sagt IfW-Forscher Joschka Wanner.
Gerade Schwellenländer wie China, Vietnam oder Brasilien könnten innerhalb einer Koalition den Sanktionsdruck auf Russland erheblich steigern, indem Russland Möglichkeiten zur Umgehung der Sanktionen genommen werden. Eine Beteiligung Chinas hätte 2014 die Verluste Russlands um 22 Prozent erhöht „Es ist zwar unwahrscheinlich, dass sich China einer Koalition gegen Russland anschließen wird“, sagt Studienautorin Chowdhry. „Aber die Koalitionsmitglieder könnten alternative Wege finden, sich strategisch mit China und anderen Schwellenländern zu arrangieren, um Russland Sanktionsumgehungen zu erschweren.“
(c) DIW, 21.02.2024