Studie untersucht Aufteilung von Sorgearbeit bei Paaren während und rund um Corona-Pandemie – Retraditionalisierung nicht eingetreten, Gender Care Cap inzwischen wieder auf Vorpandemieniveau – Lücke in Deutschland im internationalen Vergleich aber nach wie vor sehr hoch – Mehr Partnermonate beim Elterngeld könnten entgegenwirken
Der Gender Care Gap, also der geschlechtsspezifische Unterschied in der Aufteilung unbezahlter Sorgearbeit, hat sich in Deutschland infolge der Corona-Pandemie nicht nachhaltig erhöht. Zwar übernahmen im Zuge der Kita- und Schulschließungen während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 deutlich mehr Mütter als zuvor (fast) vollständig die Kinderbetreuung und Hausarbeit. Schon knapp ein Jahr später hatte sich der Anstieg aber wieder zurückgebildet. Neueste Daten des Beziehungs- und Familienpanels pairfam aus dem Winter 2021/22, die Forscher*innen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) nun ausgewertet haben, bestätigen diesen Befund. „Die zu Pandemiebeginn zunächst noch ungleichere Aufteilung der Sorgearbeit war relativ bald Geschichte“, sagt Jonas Jessen, Gastwissenschaftler am DIW Berlin. „Die Befürchtung, dass es durch die Pandemie zu einer Retraditionalisierung der Geschlechterrollen kommt, hat sich nicht bestätigt.“ Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Gender Care Gap in Deutschland schon vor der Pandemie – auch im Vergleich zu anderen europäischen Ländern wie Schweden, Norwegen, Finnland und Dänemark – sehr hoch war und nach wie vor ist.
Ähnlich wie beim Gender Pay Gap, also der Lohnlücke zwischen Frauen und Männern, steigt auch der Gender Care Gap in der Phase der Familiengründung stark an. Während sich vor der Geburt des ersten Kindes etwa die Hälfte der Paare die Hausarbeit annähernd gleich aufteilt, liegt dieser Anteil nach der Familiengründung um bis zu 27 Prozentpunkte niedriger. In der Gruppe der erwerbstätigen Personen im Alter von 35 bis 39 Jahren beträgt der Gender Care Gap sogar über 100 Prozent – Frauen in dieser Altersgruppe übernehmen also mehr als doppelt so viel unbezahlte Sorgearbeit wie Männer. Wenn das erstgeborene Kind zehn Jahre alt ist, kümmert sich in rund 75 Prozent der Familien die Mutter überwiegend oder (fast) ausschließlich um die Hausarbeit. Mit Blick auf die Kinderbetreuung trifft das auf 62 Prozent der Familien zu. „Mit der Familiengründung nimmt nicht nur der Umfang der Sorgearbeit deutlich zu, sondern auch die Ungleichheit dahingehend, wie Frau und Mann sie sich aufteilen“, erklärt Lavinia Kinne, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Forschungsgruppe Gender Economics im DIW Berlin.
Auch Reformen bei Ehegattensplitting und Minijobs könnten Gender Gaps reduzieren
Geschlechtsspezifische Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt und bei der Sorgearbeit beeinflussen sich wechselseitig: Dass Frauen so viel mehr Kinderbetreuung und Hausarbeit übernehmen als Männer, benachteiligt sie auf dem Arbeitsmarkt, was sich nicht zuletzt im Gender Pay Gap niederschlägt. Umgekehrt sorgen die Nachteile auf dem Arbeitsmarkt beziehungsweise fehlende Anreize für eine stärkere Erwerbstätigkeit von Frauen aber auch dafür, dass der Gender Care Gap so hoch ist. „Wenn die Politik arbeitsmarktbezogene Ungleichheiten wie den Gender Pay Gap reduzieren möchten, dann muss sie auch den Gender Care Gap in den Fokus nehmen“, sagt Katharina Wrohlich, Leiterin der Forschungsgruppe Gender Economics im DIW Berlin. Ansatzpunkte gäbe es genügend, so Wrohlich: Beispielsweise könnte die Zahl der Partnermonate beim Elterngeld erhöht werden, um dem stark zunehmenden Gender Care Gap insbesondere in der Phase der Familiengründung entgegenzuwirken. Bisher beschränken sich die Väter mehrheitlich auf das Minimum von zwei Monaten Elternzeit. Außerdem könnte eine Reform des Ehegattensplittings sowie der Minijob-Besteuerung verheirateten Frauen den Weg aus der „Teilzeitfalle“ ebnen und somit zu einer gleichmäßigeren Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit beitragen.
(c) DIW, 04.03.2024