Deutsche Wirtschaft stagniert im laufenden Jahr – 2025 dürfte Wirtschaftsleistung um 1,2 Prozent steigen – Privater Konsum sorgt zunehmend für Aufschwung – Schwache Investitionstätigkeit wirkt sich zunächst bremsend aus – Weltwirtschaft überwindet globale Industrieschwäche, was auch Nachfrage nach deutschen Exporten stärken dürfte
Die deutsche Wirtschaft kommt nicht so schnell in Fahrt wie erwartet. Laut neuester Konjunkturprognose des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) wird die Wirtschaftsleistung im laufenden Quartal weiter schrumpfen. Danach geht es zwar graduell bergauf, wenn bei Unternehmen und Verbraucher*innen die trübe Stimmung angesichts ungewisser Zeiten schwindet. Dennoch dürfte im Gesamtjahr nur ein Nullwachstum zu Buche schlagen. Im kommenden Jahr zieht der Aufholprozess an: Insbesondere eine immer bessere Konsumlaune der privaten Haushalte, aber auch steigende Ausrüstungsinvestitionen werden wohl 2025 für einen Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts um 1,2 Prozent sorgen. Trotzdem dürfte selbst Ende 2025 die Output-Lücke noch immer negativ sein.
Kauflust steigt, Sparen wird wieder unattraktiver
Auch wenn die Portemonnaies wegen steigender Löhne und zunehmend sinkender Inflationsraten wieder besser gefüllt sind, halten die Konsument*innen ihr Geld derzeit noch zusammen. Viele legen es angesichts gestiegener Bankzinsen lieber auf die hohe Kante – zu groß ist die Verunsicherung über wirtschaftliche und geopolitische Entwicklungen. Eine weiter sinkende Inflationsrate und die für den Frühsommer erwartete Zinswende der Europäischen Zentralbank (EZB) werden aber voraussichtlich einen Umschwung einläuten. Die Kauflaune dürfte wieder steigen, auch weil Sparen wieder unattraktiver wird. „Der private Konsum wird zum Haupttreiber des konjunkturellen Aufschwungs“, so Timm Bönke, Co-Leiter des Bereichs Prognose und Konjunkturpolitik am DIW Berlin. „Die Reallöhne steigen nachhaltig und die Kaufkraftverluste der vergangenen Jahre werden ausgeglichen.“
Als Wachstumsbremse wirkt sich zunächst die aktuelle Investitionsschwäche aus. Im Jahr 2024 sinken die Ausrüstungsinvestitionen zunächst, auch die Bauinvestitionen schwächeln weiter. Nach und nach dürfte aber die globale Industrieproduktion wieder anziehen und die derzeit schwache Auslandsnachfrage beleben, so dass die Exporte wohl stetig zunehmen. Als wichtigsten konjunkturellen Beitrag der Finanzpolitik sehen die DIW-Konjunkturforschenden das Sondervermögen Bundeswehr. Rüstungsausgaben dürften ab der zweiten Jahreshälfte und vor allem im kommenden Jahr wichtige expansive Impulse liefern. Darüber hinaus trägt die Finanzpolitik jedoch kaum zur konjunkturellen Entwicklung bei.
Weltwirtschaft robust, enorme Wachstumsrisiken bleiben
Beim Wirtschaftswachstum dürfte Deutschland in diesem Jahr den meisten anderen fortgeschrittenen Volkswirtschaften hinterherhinken. Die Weltwirtschaft zeigt sich weiter robust und dürfte 2024 und 2025 ein Plus von jeweils 3,5 Prozent verzeichnen. Dabei legen die fortgeschrittenen Volkswirtschaften wohl um 1,5 Prozent und die Schwellenländer um 4,7 Prozent zu. Die Wirtschaft im Euroraum dürfte ohne Deutschland in diesem Jahr um ein Prozent wachsen, mit Deutschland sind es lediglich 0,5 Prozent.
Die globale Industrieschwäche wird den DIW-Konjunkturforschenden zufolge nach und nach überwunden. Zinssenkungen, die beispielsweise für die USA erwartet werden, dürften sich vor allem in der zweiten Jahreshälfte positiv auf die Investitionstätigkeit auswirken. Der Welthandel wird in diesem Jahr voraussichtlich nur moderat zulegen. Zwar lösen sich die Lieferengpässe der vergangenen Jahre zunehmend auf, allerdings dürften verschiedene Konflikte wie etwa die Angriffe der jemenitischen Huthi-Miliz auf Containerschiffe im Roten Meer die Transportkosten in die Höhe treiben. Insgesamt bestehen angesichts der geopolitischen Krisen enorme Risiken für die globale Wirtschaftsentwicklung.
DIW-Präsident Fratzscher: Wirtschaftspolitik ist mehr gefordert denn je
„Der Weg zur wirtschaftlichen Erholung in Deutschland bleibt steinig, auch wenn das Narrativ vom ‚kranken Mann Europas‘ nicht zutrifft“, bilanziert DIW-Präsident Marcel Fratzscher. „Die Wirtschaftspolitik ist jetzt mehr gefordert denn je.“ Auch wenn es punktuell Entlastungen für einige Bürger*innen gebe, seien zahlreiche Steuern und Abgaben erhöht worden. In Zeiten großer Verunsicherung und einer erheblichen Investitionsschwäche müsse der Staat mehr tun, damit Unternehmen durch bessere Rahmenbedingungen wieder mehr strukturelle Investitionen tätigen können und Bürgerinnen und Bürgern mit geringen und mittleren Einkommen entlastet werden. Die Finanzpolitik ist zu restriktiv und muss deutlich mehr Investitionen tätigen, um kurzfristig einen konjunkturellen Impuls und langfristig wichtige Unterstützung für die wirtschaftliche Transformation zu geben. Die Obsession mit der Schuldenbremse ist zu einer der größten Zukunftsbremsen geworden“, fügt Fratzscher hinzu. Zudem müsse sich die deutsche Politik konstruktiver in Europa einbringen – von der Wettbewerbspolitik bis hin zur Industrie- und Energiepolitik.
(c) DIW, 07.03.2024