Das Bundeskartellamt hat derzeit keine kartellrechtlichen Bedenken gegen die Zusammenarbeit mehrerer Betreiber von Erdgasnetzen beim Aufbau einer Netzinfrastruktur für Wasserstoff im Rahmen des Projekt Get H2. Im Rahmen dieses Projekts wollen die Ferngasnetzbetreiber Nowega GmbH, Open Grid Europe GmbH und Thyssengas GmbH schrittweise gemeinsam ein Wasserstoffnetz von Lingen bis in das Ruhrgebiet und von der niederländischen Grenze bis nach Salzgitter aufbauen und betreiben.
Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Der beginnende Markthochlauf von Wasserstoff geht aktuell mit einer Vielzahl von Kooperationsprojekten einher. Die Umstellung vorhandener und nicht mehr benötigter Gasleitungen wie beim Projekt Get H2 spielt dafür ohne Zweifel eine große Rolle. Bei der Zusammenarbeit zwischen Wettbewerbern müssen die Leitplanken des Kartellrechts beachtet werden. Durch eine Kooperation darf der Wettbewerb nur so weit und so lange eingeschränkt werden, wie dies für den zügigen Aufbau der Wasserstoffinfrastruktur erforderlich ist. Die wettbewerblichen Anforderungen umfassen insbesondere einen diskriminierungsfreien Netzzugang für Erzeuger und Vertrieb. Daneben dürfen alternative Betreiber von Wasserstoffinfrastruktur nicht ausgeschlossen werden
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Das geplante Netz der drei Gasnetzbetreiber im Rahmen von Get H2 besteht sowohl aus umzustellenden Erdgasleitungen als auch aus neu zu errichtenden Leitungen. Die Erzeugung des über das Netz zu transportierenden Wasserstoffs soll durch die RWEGeneration SE in Lingen erfolgen. Abnehmer des Wasserstoffs werden u.a. BP Europa SEund die Salzgitter Flachstahl GmbH sein. Das vereinbarte Zugangs- und Nutzungsmodell sieht vor, dass Erzeuger und Abnehmer an beliebigen Punkten im Netz Wasserstoff einspeisen bzw. abnehmen können. Es fallen – unabhängig vom konkreten Transportweg – sowohl Einspeise- als auch Entnahmeentgelte an (sog. „Entry-Exit“- oder „Zweivertrags“-Modell). Gegenstand der Kooperation sind unter anderem auch Regelungen zur Berechnung der Netzentgelte und zur Laufzeit der Verträge mit den in das Projekt eingebundenen Erzeugern und Abnehmern von Wasserstoff.
Das von den Beteiligten gewählte Zugangsmodell ist bereits als effizientes Nutzungs- und Abrechnungssystem im Gasbereich etabliert. Dies sichert den diskriminierungsfreien Zugang zum Netz und vermeidet mögliche Wettbewerbsschäden im Bereich der Erzeugung und des Vertriebs von Wasserstoff. Das Bundeskartellamt hat besonders im Blick, dass beim konkreten Aufbau eines Wasserstoffnetzes auch alternative Infrastrukturbetreiber die Möglichkeit haben, in das Netz integriert zu werden. Es ergaben sich bei der Beurteilung des vorliegenden Vorhabens aber keine Hinweise darauf, dass dieser Infrastrukturwettbewerb derzeit in unzulässiger Weise beschränkt wird.
Die Marktverhältnisse im Bereich Wasserstoff entwickeln sich dynamisch und sind aktuell nicht sicher vorhersehbar. Dies könnte eine Neubewertung einzelner Aspekte einer Kooperation in der Zukunft erforderlich machen. Grundsätzlich sind die Unternehmen dafür verantwortlich, ihre Vereinbarung kartellrechtskonform auszugestalten. Darüber hinaus steht das Bundeskartellamt bei Kooperationsprojekten als Ansprechpartner zur Verfügung. Mögliche Beschwerden mit Blick auf die konkrete Umsetzung der Zusammenarbeit würde das Bundeskartellamt prüfen und soweit erforderlich aufgreifen. Auch darüber hinaus wird das Amt die Wettbewerbsverhältnisse auf den Märkten aufmerksam im Blick behalten.
Quelle: Bundeskartellamt, Pressemitteilung vom 27. April 2023