Das Bundeskartellamt hat heute einen Zwischenbericht zu seiner laufenden Untersuchung der Raffinerie- und Großhandelsebene für Kraftstoffe vorgelegt.
Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Der Zwischenbericht gibt einen tiefen Einblick in die Strukturen des Raffineriegeschäfts in Deutschland. Wir haben viele Erkenntnisse gewonnen von der Beschaffung des Rohöls über Kosten und Gewinne in den Raffinerien bis zur Preisbildung und dem Vertrieb. Das ist eine exzellente Grundlage für weitere Untersuchungen.“
Gegenstand des Berichts sind die maßgeblichen produktions- und kostenrelevanten Rahmenbedingungen, Informationen zur Kapazitätsentwicklung und Auslastung der Raffinerien sowie zur Beschaffung von Rohöl. Untersucht wurden Logistik-, Vertriebs-, und Kundenstrukturen sowie Preisbildungsmechanismen und Vertragsstrukturen. Unternehmensinterne Unterlagen wurden insbesondere auch zur Kosten- und Erlössituation und zur Profitabilität des Raffineriegeschäfts angefordert.
Der Zwischenbericht enthält darüber hinaus eine umfangreiche Darstellung und eine erste Bewertung möglicher Gründe für die Preisentwicklung der vergangenen Monate (sowohl nicht kartellrechtsrelevanter als auch kartellrechtsrelevanter Gründe).
Zentraler Anlass für die Einleitung der Untersuchung war die nachhaltige Entkopplung der Tankstellenpreise von der Entwicklung des Rohölpreises in den Wochen und Monaten nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine.
Andreas Mundt: „Unsere Untersuchung zeigt, dass sich diese Entwicklung nicht allein auf Kostensteigerungen zurückführen lässt. Dem widerspricht vor allem die Tatsache, dass die meisten Mineralölkonzerne in dieser Zeit mit ihren Raffinerien sehr große Gewinne erwirtschaftet haben. Wir sehen nach wie vor strukturelle Probleme im Markt, wie zum Beispiel die Tatsache, dass viele Gesellschaften vom Bohrloch bis zum Zapfhahn auf allen Ebenen der Wertschöpfungskette aktiv sind und dass eine hohe Markttransparenz auch auf der Raffinerie- und Großhandelsebene existiert. Nach geltender Rechtslage können wir aber nur einschreiten, wenn ein Anfangsverdacht auf ein kartellrechtswidriges Verhalten vorliegt. Dafür sind hohe Preise und hohe Unternehmensgewinne für sich genommen aber noch kein ausreichendes Indiz.“
Für Preisabsprachen der Mineralölgesellschaften untereinander gibt es bislang keine Anzeichen. Ein verbotener Missbrauch von Marktmacht kommt nur dann in Betracht, wenn die Unternehmen tatsächlich marktbeherrschend sind, also keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt sind. Auf der Raffinerie- und Großhandelsebene gibt es eine Vielzahl von unterschiedlichen Playern. Ob eine gemeinsame Marktbeherrschung auf der Raffinerieebene in Betracht kommt, bedarf noch weiterer Untersuchungen. Selbst wenn das Bundeskartellamt eine kartellrechtlich relevante Marktbeherrschung feststellen würde, wären die gesetzlichen Hürden für die Feststellung missbräuchlich überhöhter Preise außerordentlich hoch. So ist ein Preis nur dann kartellrechtlich missbräuchlich, wenn er gegenüber einem Preis, der sich bei wirksamem Wettbewerb eingestellt hätte, erheblich überhöht wäre. Das bedeutet, dass alle anderen den Preis beeinflussende Faktoren wie Kosten und krisenbedingte Knappheitseffekte erfasst und berücksichtigt werden müssen und eine vor Gericht belastbare Prognose eines niedrigeren (hypothetischen) Preises erstellt werden muss.
Ein maßgeblicher Faktor für die Preisentwicklung der vergangenen Monate könnten Knappheiten aufgrund der kriegs- und krisenbedingten Verwerfungen auf den Märkten sein. Wenn die Nachfrage nach raffinierten Kraftstoffen steigt, führt dies zu steigenden Preisen. Eine abschließende Bewertung dazu kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorgenommen werden. Der Zwischenbericht enthält aber eine umfassende Darstellung und Analyse wichtiger Faktoren, wie die Importe (u.a. aus Russland) und Exporte von Kraftstoffen, die Entwicklung der weltweiten und nationalen Raffineriekapazitäten sowie regionalen Einflussfaktoren, wie Raffinerieausfällen und temporären Transportschwierigkeiten.
Weitergabe des Tankrabatts
Vom 1. Juni bis 31. August 2022 hatte die Bundesregierung die Energiesteuer für Benzin und Diesel zur Entlastung auf das europarechtlich vorgegebene Minimum reduziert. Die Energiesteuer auf E5 und E10 sank damit für diese drei Monate um knapp 30 Cent pro Liter, für Diesel um gut 14 Cent pro Liter. Die Frage ob und wie weit diese Senkung an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergegeben wurde, wurde intensiv diskutiert. Zwischenzeitlich sind verschiedene Studien, vor allem auf Basis eines Vergleiches der Preisentwicklung in Deutschland mit der in Frankreich, zu dem Ergebnis gekommen, dass die Steuerentlastung überwiegend weitergegeben wurde. Die Untersuchung des Bundeskartellamtes kommt nun ebenfalls zu diesem Ergebnis.
Ausblick und weiteres Vorgehen
Für diesen Zwischenbericht hat das Bundeskartellamt sämtliche in Deutschland im Bereich der Herstellung von Kraftstoffen in Raffinerien tätigen Unternehmen befragt. Im Anschluss an den Zwischenbericht werden die Ermittlungen insbesondere auf die Wettbewerbsverhältnisse beim Absatz von Kraftstoffen auf der Großhandelsebene ausgedehnt. Die Auswertung wird sich weiterhin mit den möglichen Gründen für die Preisentwicklung befassen. Im Hinblick auf die kartellrechtliche Bewertung wird eine genauere Definition der relevanten sachlichen und räumlichen Märkte auf der Raffinerie- und Großhandelsebene eine zentrale Rolle spielen. Auch die Untersuchung der konkreten Preisbildung wird das Bundeskartellamt fortsetzen.
Den Zwischenbericht zur „Ad-hoc Sektoruntersuchung Raffinerien und Kraftstoffgroßhandel“ finden Sie hier.
Quelle: Bundeskartellamt, Pressemitteilung vom 28. November 2022