Der Wahlprüfungsausschuss des Bundestages hat am Dienstvormittag mit mündlichen Verhandlung über den Einspruch von Bundeswahlleiter Georg Thiel gegen die Gültigkeit der Bundestagswahl am 26. September 2021 und zum Berliner Wahlgeschehen insgesamt begonnen. Der Bundeswahlleiter hatte am 19. November des vergangenen Jahres Einspruch gegen die Gültigkeit der Bundestagswahl eingelegt. Der Einspruch bezieht sich auf die Wahlkreise 75 Berlin-Mitte, 76 Berlin-Pankow, 77 Berlin-Reinickendorf, 79 Berlin-Steglitz-Zehlendorf, 80 Berlin-Charlottenburg-Wilmersdorf und 83 Berlin-Friedrichshain-Kreuzberg – Prenzlauer Berg Ost.
Thiel hatte seinen Einspruch damit begründet dass es am Wahlsonntag in einigen Berliner Wahlkreisen aufgrund von fehlenden oder falschen Stimmzetteln zu einer zeitweisen Schließung von Wahlräumen sowie aus anderen organisatorischen Gründen zu Schlangen vor Wahlräumen gekommen sei. „Es kam daher zu teilweise sehr langen Wartezeiten, sodass in der Folge viele Wählerinnen und Wähler nicht von ihrem Wahlrecht haben Gebrauch machen können“, heißt es in der Pressemitteilung des Bundeswahlleiters vom 19. November 2021. Die Vorkommnisse haben aus Sicht Thiels wahlrechtliche Vorschriften verletzt und stellten deshalb Wahlfehler dar, die unter anderem den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl nach Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes beeinträchtigt hätten. Zudem könnten die aufgetretenen Wahlfehler mandatsrelevant gewesen sein. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass sich ohne diese Vorkommnisse eine andere Sitzverteilung des Bundestages ergeben hätte.
Der Wahlprüfungsausschuss unter Leitung der Abgeordneten Daniela Ludwig (CSU) hat zu der achtstündigen mündlichen Verhandlung neben dem Bundeswahlleiter auch die stellvertretende Berliner Landeswahlleiterin Ulrike Rockmann, den Kreiswahlleiter des Bundestagswahlkreises 83 Berlin-Friedrichshain – Kreuzberg – Prenzlauer Berg Ost, Rolfdieter Bohm, die Berliner Bundestagsabgeordneten, Vertreter der Bundestagsfraktionen und Vertreter des Bundesinnenministeriums eingeladen.
Die Ausschussvorsitzende betonte eingangs, dass eine mündliche Verhandlung im aktuellen Wahlprüfungsrecht eher die Ausnahme als die Regel sei. Der Ausschuss habe sich bislang mit den verschiedenen Schriftsätzen der Beteiligten im sogenannten Vorprüfungsverfahren nach dem Wahlprüfungsgesetz auseinandergesetzt. Dies sei ein relativ wenig medienwirksamer Vorgang, weshalb bislang wenig bis nichts an die Öffentlichkeit gedrungen sei. Einige Bürger hätten das „mit leichter Empörung“ zum Anlass genommen, sich über die angebliche Untätigkeit des Ausschusses zu beschweren. Der Ausschuss sei jedoch keineswegs untätig gewesen. Weite Teile des Sachverhalts seien zwischen den Beteiligten nach wie vor streitig. Daher sei der Ausschuss zu dem Ergebnis gekommen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine mündliche Verhandlung gegeben sind.
Der Ausschuss habe sich entschieden, so Ludwig, das „gesamte Berliner Wahlgeschehen“ aufzuarbeiten. Von den insgesamt 2.117 Wahleinsprüchen, die den Ausschuss erreicht hätten, beschäftigten sich knapp 90 Prozent ganz oder teilweise mit den Vorgängen in Berlin. Oftmals enthielten diese Einsprüche lediglich Verweise auf Medienberichte und nur rudimentär selbst erlebte Vorgänge. Die beiden Berichterstatter des Ausschusses zum Einspruch des Bundeswahlleiters, die Abgeordneten Johannes Fechner (SPD) und Patrick Schnieder (CDU), stellten zunächst die Sachlage dar und berichteten über das Ergebnis der Vorprüfung.
Quelle: Deutscher Bundestag, HiB Nr. 264 vom 24. Mai 2022