Bundesverwaltungsgericht legt Frage an den EuGH vor.

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) soll die Frage beantworten, ob das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in einem Mitgliedstaat (hier: Griechenland) einen anderen Mitgliedstaat (hier: Deutschland) daran hindert, den bei ihm gestellten weiteren Antrag auf internationalen Schutz in einem Fall ergebnisoffen zu prüfen, in dem einer Rückkehr des Antragstellers in den ersten Mitgliedstaat die Gefahr eines Verstoßes gegen Art. 4 der EU-Grundrechtecharta entgegensteht und der Asylantrag in Deutschland deshalb nicht als unzulässig abgelehnt werden darf. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.

Die Klägerin ist syrische Staatsangehörige, der 2018 in Griechenland die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde. Sie kann nicht nach Griechenland zurückkehren, weil ihr dort nach der rechtskräftigen Entscheidung eines Verwaltungsgerichts unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 der EU-Grundrechtecharta drohen würde.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) gewährte ihr subsidiären Schutz und lehnte ihren Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ab. Dieses Begehren verfolgt sie mit ihrer Klage weiter, die das Verwaltungsgericht abgewiesen hat. Die Gewährung von Flüchtlingsschutz durch Griechenland binde Deutschland in der vorliegenden Fallkonstellation nicht. Dies zugrunde gelegt sei der Antrag der Klägerin unbegründet, weil ihr in Syrien keine Verfolgung drohe.

Der 1. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts hat das Verfahren bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über die nachstehende Vorlagefrage ausgesetzt:

Sind in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat von der durch Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32/EU eingeräumten Befugnis, einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in einem anderen Mitgliedstaat als unzulässig abzulehnen, keinen Gebrauch machen darf, weil die Lebensverhältnisse in diesem Mitgliedstaat den Antragsteller der ernsthaften Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union aussetzen würden, Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EU) 604/2013, Art. 4 Abs. 1 Satz 2 und Art. 13 der Richtlinie 2011/95/EU sowie Art. 10 Abs. 2 und 3, Art. 33 Abs. 1 und 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32/EU dahin auszulegen, dass die bereits erfolgte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft den Mitgliedstaat daran hindert, den bei ihm gestellten Antrag auf internationalen Schutz ergebnisoffen zu prüfen, und ihn dazu verpflichtet, ohne Untersuchung der materiellen Voraussetzungen dieses Schutzes dem Antragsteller die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen?

BVerwG 1 C 26.21 – Beschluss vom 07. September 2022 

Vorinstanz:

VG Aachen, VG 1 K 2968/19.A – Urteil vom 19. August 2021 –

Quelle: Bundesverwaltungsgericht, Pressemitteilung vom 7. September 2022

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