Stabil, aber zu wenig dynamisch – so lässt sich Deutschlands Innovationssystem im Ergebnis des aktuellen Innovationsindikators 2023 beschreiben. Im Vergleich der 35 Volkswirtschaften liegt Deutschland mit 45 von 100 möglichen Punkten auf Platz 10 des Gesamtrankings. Damit bewegen sich die Deutschen über die vergangenen 15 Jahre ohne erkennbare Verbesserung kaum von der Stelle. Mit deutlichem Vorsprung führen vor allem kleinere Wirtschaftsnationen wie die Schweiz (71 Punkte), Singapur (65 Punkte) und Dänemark (60 Punkte) die Rangliste an – Staaten, die sich stark auf einzelne Technologien spezialisieren. Zu diesen Resultaten kommt der neue Innovationsindikator 2023, den der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und die Unternehmensberatung Roland Berger am Mittwoch in Berlin vorstellten.
Bei den größeren Volkswirtschaften rangiert Deutschland immerhin hinter Südkorea auf Rang 2 der innovativsten Länder. Die USA landen mit 42 Punkten ebenso hinter Deutschland wie das Vereinigte Königreich
(41 Punkte) und Frankreich (38 Punkte). Bei China zeigt sich zum ersten Mal seit 2013 kein Innovationszuwachs: Das Land der Mitte verharrt mit 28 Punkten auf Rang 26 der Liste.
Deutschlands stockende Innovationsfähigkeit lässt sich im internationalen Vergleich auf die wenig dynamischen finanziellen und personellen Strukturen zurückführen: Zum einen bleiben Wagniskapitalinvestitionen weiterhin auf niedrigem Niveau, zum anderen fehlen Fachkräfte und werden zunehmend in wertschöpfungsfernen Prozessen wie Berichtspflichten gebunden.
Stark in der Nachhaltigkeit, schwach in digitalen Technologien
Stärker tritt Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern in der Kategorie „Nachhaltig wirtschaften“ auf. Hier belegt es den dritten Platz hinter Dänemark und Finnland. Es zeigt sich, dass das deutsche System in seiner Breite auf Nachhaltigkeitsthemen ausgerichtet ist – auch wenn bei den zentralen Erfolgsindikatoren der Wirtschaft, beispielsweise Umweltinnovationen, Forschung und Entwicklung in erneuerbaren Energien sowie Patenten, Nachbesserungspotenzial besteht.
Der Innovationsindikator betrachtet darüber hinaus sieben Schlüsseltechnologien: digitale Hardware, digitale Vernetzung, Produktionstechnologien, Energietechnologien, neue Materialien, Biotechnologie und Kreislaufwirtschaftstechnologien. Im Durchschnitt dieser Felder steht Deutschland auf dem 7. Platz der Vergleichstabelle. Besonders gut schneidet es in Produktions- (Platz 1) und Energietechnologien (Platz 3) sowie Technologien der Kreislaufwirtschaft (Platz 2) ab. Lediglich im Mittelfeld spielt Deutschland laut Innovationsindikator dagegen bei digitaler Vernetzung, beispielsweise künstlicher Intelligenz (Platz 10), und bei der Biotechnologie (Platz 14).
„Innovationen sind entscheidend für die globale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie“, sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm. „Die mittelmäßige Platzierung Deutschlands im Innovationsindikator ist mehr als ein Warnsignal. Unserem Innovationssystem fehlt es an Dynamik, Tempo und Flexibilität. Um zur Spitzengruppe aufzuschließen, müssen wir jetzt gezielter Technologien fördern und mutig auf ein agileres Innovationssystem setzen, das die schnelle Einführung und Skalierung neuer Geschäftsmodelle ermöglicht und Wirtschaft und Wissenschaft gleichzeitig von überbordender Bürokratie befreit.“
„Damit Deutschlands Wirtschaft in den nächsten Jahrzehnten weiter wächst, sind wir darauf angewiesen, unsere Produktivität durch innovative Technologien und Geschäftsmodelle, aber auch durch neue Arbeitskulturen weiter zu verbessern“, sagte Stefan Schaible, Global Managing Partner bei Roland Berger. „Die fundamentale Transformation unserer Wirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit kann nur über eine Steigerung unserer Innovationskraft gelingen. Enorme Anstrengungen der Wirtschaft und ein industriepolitisch geschickt und marktnah gesetzter Rahmen sind die Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche Innovation unserer Industrienation – und damit auch für unsere Wettbewerbsfähigkeit und unseren Wohlstand.“
Quelle: BDI, Pressemitteilung vom 3. Mai 2023