Der seit Langem andauernde Streit in der Bundesregierung hat mit dem Bruch der Koalition am Mittwochabend sein Ende gefunden. Noch ist nicht klar, wie es jetzt weitergeht, ob und wann vorgezogene Neuwahlen stattfinden werden. Zu diesem Thema wurde am Donnerstag ergänzend zum regulären Politbarometer ein Politbarometer-Extra erhoben, das folgendes Bild ergibt:
Bruch der Koalition und Hauptschuld daran
Die Spitzen der Ampel-Parteien konnten sich im Koalitionsausschuss in wichtigen politischen Fragen nicht einigen. Deshalb hat Bundeskanzler Olaf Scholz am Mittwoch Finanzminister Christian Lindner entlassen. Das finden 59 Prozent gut und 27 Prozent nicht gut (Rest zu 100 Prozent hier und im Folgenden jeweils „weiß nicht“).
Die meisten sagen, am Bruch der Koalition sind alle beteiligten Parteien gleichermaßen schuld (39 Prozent). Ansonsten wird vor allem bei der FDP (31 Prozent) die größte Schuld gesehen (SPD: 10 Prozent, Grüne: 15 Prozent).
Neuwahlen
Wenn es jetzt zu einer vorgezogenen Neuwahl im Bund kommt, finden das grundsätzlich 84 Prozent gut und 13 Prozent nicht gut. Mitte Oktober waren die Meinungen hierzu noch geteilt (gut: 48 Prozent; nicht gut: 45 Prozent).
Bundeskanzler Olaf Scholz hat angekündigt, im Januar die Vertrauensfrage im Bundestag zu stellen um dadurch Neuwahlen im März zu ermöglich. Die Oppositionsparteien fordern, dass er diese umgehend stellen soll, damit es schneller zu Neuwahlen kommt. Für einen Neuwahltermin im März sprechen sich 30 Prozent aus, für einen früheren Termin 54 Prozent. 12 Prozent sind der Meinung, dass die Wahl zum regulären Termin im September des nächsten Jahres stattfinden sollte.
Auswirkungen des Koalitionsbruchs
Nach Meinung von 32 Prozent aller Befragten geht Olaf Scholz aus den Auseinandersetzungen um das Ende der Koalition eher gestärkt hervor (eher geschwächt: 58 Prozent). 16 Prozent sind der Meinung, dass die FDP aus diesen Ereignissen eher gestärkt hervorgeht (eher geschwächt: 74 Prozent).
Regierungsbildung im Osten und das BSW
Nach den guten Wahlergebnissen der AfD in Ostdeutschland ist es schwierig, Regierungsmehrheiten ohne die AfD zu finden. Deshalb führt die CDU in Thüringen derzeit Koalitionsgespräche mit dem BSW. In Sachsen hingegen wurden die Sondierungsgespräche inzwischen erfolglos beendet. Gut die Hälfte (51 Prozent) der Deutschen ist dagegen, dass die CDU zusammen mit dem BSW im Osten eine Landesregierung bildet (dafür: 44 Prozent) Unmittelbar nach den Landtagswahlen waren im September noch 53 Prozent für und 38 Prozent gegen solche Koalitionen gewesen. Noch deutlicher fällt derzeit die Ablehnung bei den Anhängern der Union aus, von denen 59 Prozent dagegen und nur 37 Prozent dafür sind.
Unterschiede zwischen West und Ost
35 Jahre nach dem Mauerfall nehmen die wahrgenommenen Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland wieder zu: Dass zwischen dem Westen und dem Osten Deutschlands die Unterschiede überwiegen, sagen 52 Prozent (Sep. 2022: 40 Prozent). Nur noch für 44 Prozent (Sep. 2022: 54 Prozent) überwiegen die Gemeinsamkeiten. Zwischen den Befragten in Ost und West gibt es dazu unterschiedliche Ansichten: Eine Mehrheit der Ostdeutschen hebt vor allem die Unterschiede hervor (58 Prozent; Gemeinsamkeiten: 40 Prozent). Die Westdeutschen sind sich da eher uneins: 45 Prozent sehen mehr Gemeinsames, 50 Prozent mehr Unterschiede.
US-Präsidentschaftswahl
Donald Trump hat die US-Präsidentschaftswahl klar gewonnen. Dieses Ergebnis sehen die Deutschen eher kritisch und erwarten negative Auswirkungen auf die deutsch-amerikanischen Beziehungen: So befürchten 67 Prozent, dass sich das Verhältnis zwischen Deutschland und den USA unter Präsident Trump eher verschlechtern wird (nicht viel ändern: 22 Prozent; eher verbessern: 6 Prozent). 77 Prozent sehen in Donald Trump eine Gefahr für die amerikanische Demokratie (keine Gefahr: 20 Prozent) und 65 Prozent befürchten, dass die USA unter Trump nicht mehr wie bisher die militärische Sicherheit Europas garantieren werden (garantieren: 30 Prozent).
Projektion
Auf der Basis des regulären Politbarometers und kontrolliert durch die Ergebnisse des Politbarometer-Extras ergeben sich die folgenden Projektionswerte: Wenn am nächsten Sonntag wirklich Bundestagswahl wäre, käme die SPD auf 16 Prozent (unverändert) und die CDU/CSU auf 33 Prozent (plus 2). Die Grünen kämen auf 12 Prozent (plus 1), die FDP würde 3 Prozent, die AfD 18 Prozent und die Linke 4 Prozent (alle unverändert) erreichen. Das BSW läge bei 6 Prozent (minus 2) und die anderen Parteien zusammen bei 8 Prozent (minus 1), darunter keine Partei, die mindestens drei Prozent erzielen würde. Das würde von den politisch wahrscheinlichen Koalitionen für eine Regierung aus Union und SPD und für eine aus Union und Grüne reichen.
Die Umfrage zum Politbarometer wurde wie immer von der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen durchgeführt. Die 1.231 Interviews wurden in der Zeit vom 5. bis zum 7. November 2024 durchgeführt. Zusätzlich wurde ein Politbarometer-Extra am 7. November 2024 mit 1.369 Interviews realisiert. In beiden Umfragen wurden jeweils zufällig ausgewählte Wahlberechtigte befragt. Dabei wurden jeweils sowohl Festnetz- als auch Mobilfunknummern berücksichtigt. Die Befragungen sind repräsentativ für die wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland. Der Fehlerbereich beträgt bei einem Anteilswert von 40 Prozent rund +/- drei Prozentpunkte und bei einem Anteilswert von 10 Prozent rund +/-zwei Prozentpunkte. Daten zur politischen Stimmung: SPD 17 Prozent, CDU/CSU 37 Prozent, Grüne 18 Prozent, FDP 2 Prozent, AfD 14 Prozent, Linke 4 Prozent, BSW 5 Prozent. Das nächste Politbarometer sendet das ZDF am Freitag, 22. November 2024.
(c) ZDF, 08.11.2024