FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer hat die Wachstumsinitiative der Bundesregierung zur Bedingung für einen Haushaltsbeschluss gemacht. Im Interview mit der Wochenzeitung „Das Parlament“ sagte Meyer: „Ohne die vom Kabinett beschlossene 49 Punkte umfassende Wachstumsinitiative gibt es keinen Haushalt, da dessen Planzahlen auf der Initiative aufbauen und unsere Partner der gemeinsamen Verabschiedung zugestimmt haben. Ohne Haushalt ist eine Regierung am Ende. Das ist allen klar.“

Die Reduzierung der Globalem Minderausgabe (GMA) in den Haushaltsverhandlungen sei zwar „eine größere Baustelle“, sagt Meyer. „Aber so groß ist der Handlungsbedarf nicht.“ Meyer zufolge das Problem bereits gelöst, wenn jeder der drei Ampel-Partner in seinen Ressorts jeweils 800 Millionen Euro eingespart hätte. „Dazu waren die FDP-Minister wohl bereit, auch die SPD-Minister hätten mitgemacht. Der dritte Partner in der Regierung sah sich dazu nicht in der Lage, weshalb wir im Parlament jetzt gefordert sind“, sagt Meyer. 

Um zukünftig öffentliche und private Mittel für den Ausbau der Infrastruktur zu generieren, zeigt sich der FDP-Politiker offen für eine Teil-Privatisierung von Autobahnen. Der Staat könne die nötigen Zukunftsinvestitionen nicht alleine tätigen. „Wir müssen grundsätzlich darüber reden, privates Kapital zu mobilisieren“, sagte Meyer.

Das Interview im Wortlaut:

Das Parlament: Herr Meyer, wie sauer sind Sie auf Finanzminister Lindner, der Ihnen einen unfertigen Haushalt mit einer Lücke von mehreren Milliarden Euro vorgelegt hat?

Christoph Meyer: Gar nicht. Es gibt im Entwurf für den Bundeshaushalt 2025 eine größere Baustelle, das ist die Globale Minderausgabe (GMA). Aber so groß ist der Handlungsbedarf nicht.

Das Parlament: Die GMA beinhaltet die Hoffnung, dass im Haushaltsjahr über alle Ressorts hinweg weniger ausgegeben wird, weil zum Beispiel Fördermittel nicht abgerufen werden. Im Regierungsentwurf sind zwölf Milliarden Euro vorgesehen. Wie wollen Sie die GMA kürzen?

Christoph Meyer: Als FDP stehen wir zu einem mit der Schuldenbremse des Grundgesetzes konformen Haushalt. Vollkommen rechtssicher ist eine GMA bei zwei Prozent der insgesamt veranschlagten Ausgaben. Wir sind im Entwurf bei 2,5 Prozent, deshalb muss die GMA möglichst auf unter zehn Milliarden Euro sinken. Das ist machbar, wenn beispielsweise jeder der drei Ampel-Partner in den jeweils eigenen Ressorts 800 Millionen Euro kürzt. Dazu waren die FDP-Minister wohl bereit, auch die SPD-Minister hätten mitgemacht. Der dritte Partner in der Regierung sah sich dazu nicht in der Lage, weshalb wir im Parlament jetzt gefordert sind.

Das Parlament: Auch im KTF sind GMAs von insgesamt 12 Milliarden Euro vorgesehen. Wie seriös ist ein solcher Haushaltsansatz?

Christoph Meyer: Die Abrufrate der Fördermittel im KTF liegt seit Jahren unter 60 Prozent. Das liegt auch daran, dass viele Förderkriterien offenkundig viel zu komplex sind oder die Mittelansätze unrealistisch hoch angesetzt wurden. Die hohe GMA im KTF ist eine deutlich geringere Herausforderung als die GMA im Kernhaushalt.

Das Parlament: Laut Bundesbank ist es „sehr ambitioniert“, 4,5 Milliarden Euro beim Bürgergeld zu sparen. Was sagen Sie dazu?

Christoph Meyer: Beim Bürgergeld hat sich der zuständige Arbeitsminister nun zwei Jahre infolge verrechnet, was die tatsächlichen Ausgaben angeht. Wir haben mit Nachdruck darauf gedrungen, dass das Zahlenwerk valide sein muss. Sollte sich der Haushaltsansatz für das Bürgergeld erneut als zu gering erweisen, muss der zuständige Ressortminister im Haushaltsvollzug sicherstellen, dass die Planzahlen insgesamt eingehalten werden. Sollte das nicht passieren, ist das Bundesfinanzministerium mit haushaltswirtschaftlichen Maßnahmen gefordert. 

Das Parlament: Zuschüsse an die Bahn werden zu Eigenkapitalzuschüssen, so fallen sie nicht unter die Schuldenbremse. Ist das seriöse Haushaltspolitik oder Trickserei?

Christoph Meyer: Die Bundesregierung ist mit diesem Haushaltsentwurf an die Grenze des seriös Darstellbaren gegangen. Grundsätzlich ist die Bahn einnahmefähig, das heißt, es gibt eine denkbare Renditemöglichkeit über Ausschüttungen an den Bund. Die Eigenkapitalerhöhung bleibt ebenso wie das Darlehen als finanzielle Transaktion bei der Schuldenbremse unberücksichtigt. Als FDP hätten wir sicher andere Vorstellungen, um Zukunftsinvestitionen zu finanzieren, über vermehrte Aktivierung von privatem Kapital, aber auch insbesondere über Effizienzsteigerungen bei den Ausgaben für Arbeit und Soziales. Aber das ist in der Ampel-Koalition leider nicht umsetzbar.

Das Parlament: Wird die FDP dem Rentenpaket II im Bundestag zustimmen?

Christoph Meyer: Zu dem Paket gehört die Aktienrente, die deutlich höher ausfallen wird, als die einmalig zehn Milliarden Euro, die im Koalitionsvertrag stehen. Außerdem ist ein individuelles Vorsorgedepots geplant und die Reform der Riester-Rente. Mit diesen Maßnahmen machen wir die Altersvorsorge zukunftsfähiger. Vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung sehen wir die sogenannte Haltelinie von 48 Prozent kritisch, denn diese starre Untergrenze würde zu steigenden Rentenversicherungsbeiträgen und Steuerzuschüssen führen. In der FDP-Fraktion ist die Meinungsbildung noch nicht abgeschlossen, ob wir das in der Form mittragen.

Das Parlament: Kann die Koalition an der Renten-Frage platzen? Für die SPD ist ein dauerhaftes Rentenniveau von 48 Prozent eine Conditio sine qua non?

Christoph Meyer: Meiner persönlichen Meinung nach halten sich derzeit die Vor- und Nachteile aller geplanten Maßnahmen um die Altersvorsorge die Waage. Es gibt im Herbst 2024 drei zentrale Themen: Migration, wirtschaftliche Dynamik und den Haushalt. Wir müssen zu Zurückweisungen an den Grenzen kommen. Hier treten wir als FDP für mehr Maßnahmen ein, als bisher im Regierungspaket stehen. Die wirtschaftliche Dynamik wird nicht nur für die Zukunft dieser Koalition entscheidend sein, sondern entscheidet auch die Zukunftsfähigkeit des Landes. Die diskutierten Renten-Änderungen sind wichtig, aber eben nicht zentral.

Das Parlament: Das klingt so, als ob Sie den Koalitionsbruch bereits einkalkulieren?

Christoph Meyer: Ohne die vom Kabinett beschlossene 49 Punkte umfassende Wachstumsinitiative gibt es keinen Haushalt, da dessen Planzahlen auf der Initiative aufbauen und unsere Partner der gemeinsamen Verabschiedung zugestimmt haben. Ohne Haushalt ist eine Regierung am Ende. Das ist allen klar.

Das Parlament: Auch bei der Autobahn GmbH ließen sich Investitionsmittel über Eigenkapitalzuschüsse generieren, wenn die Einnahmen aus der Lkw-Maut direkt an die Autobahn GmbH flössen. Der Ökonom Lars Feld hält es sogar für denkbar, dass die Autobahngesellschaft eigene Schulden aufnimmt. Ist das sinnvoll? 

Christoph Meyer: Als FDP waren wir in den vergangenen Jahren sehr zurückhaltend, wenn es darum ging, öffentliche Unternehmen mit eigenen Kreditermächtigungen auszustatten. Im konkreten Fall wären wir diesen Weg gegangenen, der hätte aber eine ganze Reihe von gesetzlicher Vorarbeit und Abstimmungen mit den Ländern erfordert und so den geplanten zeitlichen Rahmen für die Beratung des Bundeshaushalts erheblich verzögert.

Das Parlament: Feld hält auch private Minderheitsbeteiligungen an der Autobahn GmbH für denkbar. Ist das für die FDP vorstellbar?

Christoph Meyer: Das wäre zum Beispiel ein logischer nächster Schritt. Wir investieren 80 Milliarden Euro aus dem Kernhaushalt, dazu kommen die Mittel aus dem Klima- und Transformationsfonds. Insgesamt kommen wir 2025 auf mehr als 100 Milliarden Euro an Investitionsmitteln. Der Staat kann die nötigen Zukunftsinvestitionen aber nicht alleine tragen. Wir müssen grundsätzlich darüber reden, privates Kapital zu mobilisieren. 

Das Parlament: Die FDP würde die (Teil-)Privatisierung von Autobahnen forcieren?

Christoph Meyer: Das ist für uns perspektivisch ein gangbarer Weg, der aber für die aktuellen Haushaltsberatungen nicht relevant ist, weil SPD und Grüne hier fundamental andere Vorstellungen haben. 

Das Parlament: 16 Milliarden Euro sollen 2025 in die Förderung von Solar- und Windenergie fließen, 10,6 Milliarden Euro mehr als der Bund 2024 für die Übernahme der EEG-Umlage veranschlagt hat. Ist ein Förderungsstopp bei den erneuerbaren Energien nötig?

Christoph Meyer: Wir wollen das. Immerhin werden nun bei neuen Anlagen negative Strompreise nicht mehr vergütet. Es ist aber unabdingbar, dass die Förderung der erneuerbaren Energien ausläuft. Diese sind mittlerweile auch ohne Förderung am Markt wettbewerbsfähig und Subventionen kann sich das Land nicht auf Dauer leisten. 

Das Parlament: Für die Militärhilfen für die Ukraine sind 2025 nur noch vier Milliarden Euro vorgesehen. Wie soll die ukrainische Armee da auf Augenhöhe mit der russischen kommen, Stichwort Feuerkraft?

Christoph Meyer: Wir werden bei entsprechenden Anforderungen reagieren. Das haben wir in der Vergangenheit getan und das werden wir auch künftig machen. Für 2025 haben wir uns mit unseren internationalen Partnern darauf geeinigt, dass wir neben den nationalen Mitteln die Erträge aus eingefrorenen russischen Vermögen nutzen wollen, um die Ukraine zu unterstützen. Das ist sinnvoll.

Das Parlament: Es gibt erhebliche rechtliche Bedenken dagegen. 

Christoph Meyer: Im Oktober stehen dazu die klärenden Gespräche mit unseren europäischen und transatlantischen Partner-Ländern an.

Das Parlament: Was ist, wenn das nicht funktioniert? Lassen Sie die Ukraine dann im Stich?

Christoph Meyer: Nein. Dann müssen wir im November prüfen, welche Konsequenzen das für die nationalen Haushalte hat, auch den Bundeshaushalt.

Das Gespräch führte Stephan Balling.

Christoph Meyer ist seit 2017 Mitglied im Bundestag und stellvertretender Vorsitzender der FDP-Fraktion.

(c) Deutscher Bundestag, 13.09.2024

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