Der Bundestag beabsichtigt den Erwerb und Besitz von Cannabis unter bestimmten Voraussetzungen zu legalisieren. Damit einher geht insbesondere auch die Frage, welche Auswirkungen das auf den Straßenverkehr, insbesondere auf das Fahrerlaubnis-, Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht haben wird. Nach Auffassung der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) muss dabei auch die Auswirkung auf die Teilnahme am Straßenverkehr bedacht werden.
Rechtsanwalt Andreas Krämer von der DAV-Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht: „Der bisherige Grenzwert bei der THC-Konzentration taugt nicht, da er keine Aussage über Fahruntüchtigkeit trifft. Vielmehr ist es notwendig, den Toleranzwert – wie beim Alkoholkonsum – so festzulegen, dass nur berauschte Fahrer sanktioniert werden. Wegen der langen Abbauzeit des THC würden ansonsten Fahrer noch Tage nach dem Konsum kriminalisiert.“
Problematik:
Anders als bei Alkoholfahrten gibt es beim Cannabiskonsum keine festen Grenzwerte, wann von einer Fahruntüchtigkeit auszugehen ist. Während bei Alkohol die absolute Fahruntüchtigkeit ab 1,1 Promille Blutalkohol gilt, muss bei Fahrten unter Einfluss von Marihuana/Haschisch eine „die Fahruntüchtigkeit begründete Verhaltensweise“ festgestellt werden. Polizeibeamte entscheiden also über Auffälligkeiten vor oder nach einer Fahrt, ob sie diese dem Drogenkonsum zuordnen. Zudem gilt, dass bereits ab einem THC-Wert 1 ng/ml eine Drogenfahrt angenommen werden darf.
Genau das ist aber das Problem, denn hierbei handelt es sich um den geringsten THC-Konzentrationswert, der sich bei der Festlegung eines „analytischen Grenzwertes“ sicher bestimmen lässt. Damit geht aber eine Beeinträchtigung der Fahrtauglichkeit noch nicht einher. Wissenschaftliche Studien belegen, dass erst ab einem THC-Wert von 2 – 4 ng/ml überhaupt von einer Beeinträchtigung gesprochen werden kann und zudem eine der Promillegrenze von 0,5 Promille vergleichbare Größenordnung von 4 – 16 ng/ml vorliegen müsste. Der Abbau von THC-Restwerten ist im Gegensatz zu dem flüchtigen Stoff Alkohol sehr langsam, so dass in geringen Mengen noch Tage nach einem Konsum der Nachweis möglich, obgleich der Fahrer ohne Beeinträchtigung, quasi „nüchtern“ fährt.
Schließlich führt die zumindest mehrfach festgestellte THC-Konzentration von 1 ng/ml auch ohne Beeinträchtigung der Fahrtauglichkeit zur MPU-Anordnung oder gar dem Entzug der Fahrerlaubnis. Das erscheint gegenüber Alkoholfahrten eine wenig hinzunehmende Ungleichbehandlung zu sein zum sanktionslosen Beeinträchtigungsgrenzwert, ab 0,3 – 0,4 Promille der mit Sicherheitszuschlag von 0,1 Promille zum Gefährdungsgrenzwert von 0,5 Promille führt.
Mit anderen Worten, wer aufgrund der besonders langsamen Abbaugeschwindigkeit von THC noch Tage nach einem Konsum ohne jegliche Beeinträchtigung auf die Fahrtüchtigkeit einen Wert von 1 ng/ml aufweist, verliert unter Umständen seine Fahrerlaubnis, während die getrunkene Dose Bier vor der Fahrt sanktionslos bleibt.
Nur berauschte Fahrer sanktionieren
Unbestritten beeinträchtigt der Konsum von Cannabis die Reaktionszeit und automatisierte Abläufe, die für die Teilnahme am Straßenverkehr unabdingbar sind. „Bei der angedachten Cannabis-Liberalisierung muss es auch eine Gleichstellung mit dem Alkohol geben“, so Rechtsanwalt Krämer aus Frankfurt am Main. Dies müsse im Hinblick auf die wirkliche Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit geschehen und eben nicht durch Beibehaltung des Grenzwertes von 1 ng/ml gleichsam eine Null-THC aufrechtzuerhalten.
Hier sollten neue Grenzwerte auf der Basis neuerer wissenschaftlicher Studien und Erfahrungen aus anderen Ländern geschaffen werden, die zwischen 2 – 18 ng/ml liegen und die sicherstellen, dass auch nur wirklich berauschte Kraftfahrer sanktioniert werden. Soweit im Gesetzgebungsverfahren über einen Toleranzwert von 10 ng/ml nachgedacht wird, kann dieser jedoch nur dann als Grundlage genommen werden, sofern bei diesem Wert aus wissenschaftlicher Sicht eine ähnliche Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit angenommen werden kann wie bei 0,5 Promille Blutalkohol.
Quelle: Deutscher Anwaltverein, Pressemitteilung vom 17. August 2022