Schritte in die richtige Richtung bei zahlreichen Änderungsvorschlägen: Das war überwiegend der Tenor in den Stellungnahmen der Sachverständigen, als sie am Montag im Ausschuss für Inneres und Heimat den Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur Verbesserung der Rückführung“ (20/9463) bewerteten.
Andreas Dietz, Verwaltungsgericht Augsburg, meinte, in seiner Zielsetzung, die Rückführung ausreisepflichtiger Ausländer zu erleichtern, sei der Gesetzentwurf zu begrüßen – insbesondere durch Anpassung gesetzlicher Regelungen, die bisher Abschiebungsmaßnahmen erschwerten. Die Anpassungen könnten dazu beitragen, dass ungeklärte Identitäten ausreisepflichtiger Ausländer leichter und schneller geklärt und aufwendig vorbereitete Abschiebungen auch tatsächlich durchgeführt werden können. Es müsse aber gelten: Erst die Freiwilligkeit, dann der Zwang.
Kay Hailbronner, Universität Konstanz, befand, der Gesetzentwurf unternehme mit der Erweiterung der Möglichkeiten zur Auslese und Auswertung von Datenträgern und der zum Vollzug von Ausreisepflichtigen erforderlichen Durchsuchungs- und Inhaftierungsmaßnahmen richtige Schritte auf dem Weg, die rechtsstaatlich gebotene Konkordanz zwischen dem Aufenthaltsrecht und der faktischen Situation wieder herzustellen. Der Gesetzentwurf sei eine Folge der Unfähigkeit des bisherigen Systems.
Miriam Marnich, Deutscher Städte- und Gemeindebund, sah insbesondere in der aktuell angespannten Situation in einer großen Anzahl von Kommunen ein wichtiges Signal darin, dass der Staat sichtbare und seit langem bestehende Defizite bei der Rückführung ausreisepflichtiger Geflüchteter beseitigen und Rückführungsprozesse beschleunigen wolle. Für die Kommunen bedeute die konsequente Rückführung von Menschen ohne Bleiberecht und die Entlastung der Ausländerbehörden, dass wieder mehr Ressourcen vorhanden seien, um sich auf die Schutzsuchenden mit Bleibeperspektive konzentrieren zu können.
Für Berthold Münch, Deutscher Anwaltsverein, handelt es sich um einen Gesetzentwurf, der ganz wesentlich geprägt sei durch zahlreiche rechtlich fragwürdige, unverhältnismäßige Maßnahmen, die nicht nur zu Lasten der nach Deutschland geflüchteten Menschen und ihrer Helfer gehe, sondern auch zu ganz erheblichen Mehrbelastungen der beteiligten Behörden und Gerichte. Es sei eine schwerwiegende Unterlassung, dass keine Regelungen für die verpflichtende Beiordnung eines Verfahrenspflegers in Abschiebehaft- und Ausreisegewahrsamssachen angesprochen würden. Angesichts der vorgeschlagenen weitreichenden Verschärfungen der beiden Institute sei dies zur Stärkung des Rechtsschutzes unabdingbar.
Klaus Ritgen, Deutscher Landkreistag, legte dar, die Glaubwürdigkeit des Asylrechts, die Solidarität der Bevölkerung mit den Schutzsuchenden und das Stabilitätsvertrauen in den Staat gingen verloren, wenn es den Behörden nicht mehr gelinge, die eigenen Entscheidungen zu vollstrecken. Die Regelungen im Gesetzentwurf seien wichtig, aber nur ein Baustein. So sei die Unterbringung von Asylsuchenden für die gesamte Dauer ihres Verfahrens in einer zentralen Einrichtung erforderlich. Die Liste der sicheren Herkunftsländer müsse erweitert werden.
Daniela Schneckenburger, Deutscher Städtetag, meinte, zur Steuerung der Migration sei nicht nur die Rückführung ausreispflichtiger Personen zu thematisieren. Geduldete könnten nicht gegen ihren Willen zurückgeführt werden, so lange die Gründe für die Duldung bestünden. Sie lebten dann vor Ort in den Städten. Dies werde von Bund und Ländern bei den Finanzierungsregelungen und weiteren Unterstützungsmaßnahmen nicht ausreichend berücksichtigt. Es sei dringend notwendig, die Ausländerbehörden zu entlasten.
Axel Ströhlein, Präsident des Bayerischen Landesamtes für Asyl und Rückführungen, sprach von einem Schritt in die richtige Richtung, um Rückführungen zu erleichtern. Wichtig sei dabei, den Ausländerbehörden und zuständigen Polizeibehörden die Möglichkeiten und auch die Zeit einzuräumen, um Rückführungen vorzubereiten – und als Vorfrage, die Identität und Nationalität der Rückzuführenden zu klären. Hierzu bedürfe es insbesondere bei nicht kooperativen Personen sämtlicher Mittel wie der Auswertung mobiler Datenträger.
Heiko Teggatz, stellvertretender Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, Bundespolizeigewerkschaft, begrüßte, dass die im Koalitionsvertrag vereinbarte Rückführungsoffensive nun endlich umgesetzt werden solle. Er verwies darauf, dass die seit dem 16. Oktober dieses Jahres eingeführten temporären Grenzkontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz zu einem signifikanten Rückgang von Feststellungen unerlaubter Einreisen nach Deutschland sowie zu einem Rückgang der Schleuserkriminalität geführt hätten.
Irene Ußling, Ausländerbehörde der Stadt Wuppertal, machte Bedenken geltend – etwa im Zusammenhang mit der geplanten Einführung einer Wohnungsdurchsuchung. Diese solle unter Richtervorbehalt gestellt werden. Um eine Einheitlichkeit zu erreichen, solle die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit zugewiesen werden. Es dürfe hier für die Bundesländer keine Wahlmöglichkeit geben. Als positiv strich sie unter anderem heraus, dass im Interesse der behördlichen Maßnahmen der Ausreisegewahrsam verlängert werden soll.
Der Rechtsanwalt Ulrich Vosgerau führte aus, durch das beabsichtigte Gesetz würde eine Reihe wenig sinnvoller Regelungen, die bislang Abschiebungen oder Vorbereitungshandlungen hierzu wie Abschiebehaft und Ausreisegewahrsam behindern, revidiert. Richtig sei aber auch, dass das Migrationsproblem niemals durch verbesserte und erleichterte Ausschaffung in den Griff zu bekommen sei, sondern einzig und allein durch konsequente Verhinderung bereits der Einreise von Ausländern, deren Einreise nicht aufgrund vorher erfolgter Prüfungen und Nachweise staatlich erwünscht oder sinnvollerweise staatlich zu dulden sei.
Philipp Wittmann, Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, erklärte, in dem Gesetzentwurf seien Reglungen vorgesehen, die zwar tief in individuelle Grundrechtspositionen eingriffen, aber verfassungsrechtlich wohl nicht von vornherein unzulässig seien. Allerdings dürfe es keinen wundern, wenn etwa eine AfD-Landrätin bewusst weit formulierte Regelungen anders interpretiere als ein Bürgermeister der Linken und die nachgeordneten Behörden. Damit bleibe es beim gegebenenfalls einzuschaltenden Haftrichter, nachts um zwei Uhr mit zum Teil nichtssagendem Gesetzestext, überwiegend kryptischer Durchführungsrichtlinie und mahnendem Grundgesetz auf den Knien die Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme im Einzelfall sicherzustellen, für die der Gesetzgeber zwar maximal behördliche Spielräume, aber kaum brauchbare Bewertungskriterien vorgeben wolle.
Anne Courbois, Deutsche Industrie- und Handelskammer, ging auf eine Formulierungshilfe des Bundesministeriums für Inneres und Heimat zu einem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen zum Gesetzentwurf der Bundesregierung ein. Darin wird der hohe Arbeits- und Fachkräftebedarf der deutschen Unternehmen angesprochen. Courbois strich heraus, der Vorschlag sei geeignet, den Weg für einen schnelleren Einstieg von Geflüchteten in Beschäftigung zu ebnen und mit einer Neuregelung der Beschäftigungsduldung Erleichterungen für die rechtssichere Einstellung von geduldeten Menschen in Unternehmen zu bringen.
(c) HiB Nr. 925, 11.12.2023