In der Ressortabstimmung will das Bundesjustizministerium eine Umkehr der Verschärfung von § 184b StGB erreichen. In einer übermotivierten Strafrechtsreform hatte die Vorgängerregierung den minderschweren Fall der Kinderpornographie abgeschafft und die Vorschriften u. a. des Besitzes zu einem Verbrechen hochgestuft. Seitdem müssen alle Fälle verfolgt und mit Freiheitsstrafen bedacht werden – das kann auch besorgte Eltern oder sogar die Opfer selbst betreffen. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) kritisiert das bereits lange.

„Der Schutz von Kindern vor Sexualstraftaten ist ein sehr wichtiges Anliegen unseres Rechtsstaates“, erklärt Rechtsanwältin Dr. Jenny Lederer vom Ausschuss Strafrecht des Deutschen Anwaltvereins. „Die Verschärfung des Straftatbestandes in § 184b StGB trägt dazu jedoch nicht bei. Prävention, Opfer zu werden, aber auch Täter oder Täterin zu werden, setzt woanders an.“ Seit 2020 müssen Richterinnen und Richter bei „Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte“ zwingend auf Freiheitsstrafe erkennen. Die Möglichkeit, ein Verfahren einzustellen, mit einem Strafbefehl ohne Hauptverhandlung zu reagieren oder auch einen minder schweren Fall anzunehmen, entfiel – auch und schon für die Staatsanwält:innen. Alle Fälle müssen seitdem mindestens vor dem Schöffengericht verhandelt werden.

In der Praxis führte das dazu, dass die – durch Sorge motivierte – Weiterleitung eines Bildes im Elternchat oder auch der Versuch der Beweissicherung durch ein Opfer selbst vor Gericht landeten. „Die derzeitige Rechtslage verfehlt nicht nur ihr Ziel, sondern ist auch verfassungswidrig“, ist Lederer sich sicher. Sie verstoße gegen Schuldgrundsatz und Übermaßverbot. Staatsanwaltschaften und Gerichten werde die nötige Flexibilität genommen, um der tatsächlichen Schuld des Täters gerecht zu werden. Gleichzeitig entstehe für die ohnehin überlastete Justiz weiterer Aufwand. Der ursprüngliche Strafrahmen hatte den Gerichten den erforderlichen, aber auch ausreichenden Spielraum gegeben, um – fernab der Einstellungsmöglichkeiten oder Verfahren im Strafbefehlswege – angemessen zu reagieren.

Auch die Justizministerkonferenz hatte sich im Frühjahr für eine Herabstufung des Tatbestands ausgesprochen, damit auf die jeweiligen Fälle angemessen reagiert werden könne. „Die Reform muss rückgängig gemacht werden“, fordert die Rechtsanwältin und begrüßt entsprechende Pläne des Bundesjustizministeriums.

(c) DAV, 10.11.2023

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