Der Rechtsausschuss hat am Mittwochmorgen den Weg frei gemacht für die Abstimmung über den Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2020 / 1828 über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/22/EG (20/6520)“. Die Vorlage passierte das Gremium in geändert Fassung mit Stimmen der Koalitionsfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP bei Enthaltung der Fraktion Die Linke und Ablehnung der Fraktionen CDU/CSU und AfD. Die abschließende Beratung des Entwurfes im Plenum ist am Freitagnachmittag vorgesehen.
Mit dem Gesetzentwurf soll die EU-Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt werden. Die Richtlinie zielt darauf ab, EU-weit den Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher zu stärken, weil durch verbraucherrechtswidrige Geschäftspraktiken von Unternehmen regelmäßig viele Verbraucher geschädigt würden. Zu ihrem Schutz sei es nötig, unerlaubte Praktiken flächendeckend zu beenden und Abhilfe zu schaffen, heißt es im Gesetzentwurf. Die Richtlinie verpflichtet die EU-Staaten, zwei Arten von Verbandsklagen vorzusehen. Verbände müssen danach das Recht haben, im eigenen Namen Unterlassungsklagen, durch die Verstöße gegen Verbraucherrecht beendet werden können, und Abhilfeklagen, durch die Verbraucherrechte durchgesetzt werden können, zu erheben.
Abhilfeklagen gibt es im deutschen Recht bislang nicht. Die Regelungen für Abhilfeklagen von Verbänden sollen in einem eigenen Stammgesetz, dem Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz, gebündelt werden. Darin sollen auch die bestehenden Regelungen der Zivilprozessordnung über die Musterfeststellungsklage integriert werden. Durch Änderungen im Unterlassungsklagengesetz und im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb sowie in einigen weiteren Gesetzen sollen die schon bestehenden Regelungen über Unterlassungsklagen durch Verbände an die Vorgaben der Richtlinie angepasst werden, schreibt die Regierung. Zusätzlich sollen ergänzende Regelungen zu Unterlassungsklagen und Abhilfeklagen in anderen Gesetzen geschaffen werden.
Der Ausschuss beschloss auf Antrag der Koalitionsfraktionen diverse Änderungen an dem Entwurf. So wurden etwa die Voraussetzungen, unter denen kleine Unternehmen Verbraucherinnen und Verbrauchern prozessual gleichgestellt werden, verengt. Dies soll nur noch bei Unternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten und einem Jahresumsatz beziehungsweise einer Jahresbilanz von nicht mehr als zwei Millionen Euro greifen. Eine weitere Anpassung betrifft das Verbraucherquorum. Hier soll es laut Änderungsantrag für die Zulässigkeit einer Klage ausreichen, „dass die klageberechtigte Stelle allein die mögliche Betroffenheit […] von mindestens 50 Verbraucherinnen und Verbrauchern darzulegen hat. Ein Beweis der tatsächlichen Betroffenheit ist für die Zulässigkeit einer Verbandsklage nicht vorausgesetzt“, heißt es in der Begründung.
Zudem wurde auf Antrag der Koalitionsfraktionen eine Verlängerung der Geltungsdauer des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes um acht Monate bis zum 31. August 2024 beschlossen. Damit solle ein angemessener Zeitraum für eine „zügige Reform“ des Gesetzes gewährleistet werden. Vertreter der Koalitionsfraktionen hatten Anfang der Woche einen entsprechenden Zeitplan für die Reform vorgestellt.
Angenommen wurde zudem ein Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen. Dieser hat eine Anregung des Bundesrats zur Verjährungshemmung zum Gegenstand. Die Bundesregierung wird unter anderem aufgefordert, „zu prüfen, für welche behördlichen Anordnungen, die die Einstellung eines Verstoßes gegen Verbraucherschutzgesetze zum Gegenstand haben, das Einsetzen der Verjährungshemmung sinnvoll ist“.
Im Ausschuss keine Mehrheit fand ein Entschließungsantrag der CDU/CSU-Fraktion. Die Abgeordneten kritisierten darin unter anderem, dass der vorliegende Entwurf „eine Klageindustrie in Deutschland“ befördere und „für amerikanische Verhältnisse, die der Wirtschaft massiv schaden“, sorge. Unter anderem forderte die Fraktion, „die Regelung zu den klageberechtigten Stellen auf die der Musterfeststellungsklage“ zurückzuführen.
(c) HiB Nr. 520 vom 05.07.2023