Die Reformkommission „Zivilprozess der Zukunft“ hat heute ihren Abschlussbericht veröffentlicht. Die Kommission hat das zivilprozessuale Verfahrensrecht vor dem Hintergrund der fortschreitenden Digitalisierung überprüft. Der Abschlussbericht enthält konkrete Handlungsempfehlungen zur Modernisierung des Zivilprozesses. Der Bundesjustizminister und die Justizministerinnen und Justizminister der Länder hatten die Einsetzung der Reformkommission auf dem Dritten Bund-Länder-Digitalgipfel im November 2023 beschlossen. An der Kommission waren neben dem Bundesministerium der Justiz und den Landesjustizverwaltungen auch Vertreterinnen und Vertreter der Wissenschaft, der Anwaltschaft und der gerichtlichen Praxis sowie wichtiger Interessengruppen beteiligt. Die Kommission hat ihre Arbeit im Juli 2024 aufgenommen. Sie hat bis Dezember 2024 vier Arbeitssitzungen abgehalten.
Bundesjustizminister Dr. Volker Wissing erklärt:
„Die Modernisierung der Justiz ist eine der großen rechtspolitischen Aufgaben der Gegenwart. Deutschland hat exzellent ausgebildete, motivierte Richterinnen und Richter und eine hochentwickelte Rechtsordnung. Doch die gerichtliche Praxis ist nicht in jeder Hinsicht auf der Höhe der Zeit. Zwar haben Bund und Länder in den letzten Jahren bereits zahlreiche Vorhaben zur Modernisierung der Justiz auf den Weg gebracht. Insbesondere in Sachen Digitalisierung, Zugänglichkeitder Justiz und Verfahrenseffizienz gibt es aber noch viel zu tun. Ich bin den Mitgliedern der Reformkommission „Zivilprozess der Zukunft“ sehr dankbar, dass sie den Reformbedarf in der Ziviljustiz umfassend analysiert und konkrete Handlungsempfehlungen erarbeitet haben. Auf ihren Bericht wird die Politik in den nächsten Jahren aufbauen, wenn es darum geht, unsere Ziviljustiz fit für die Zukunft zu machen. Die Einsetzung der Kommission und ihr erfolgreicher Abschluss zeigen: Bund und Länder ziehen bei der Modernisierung der Justiz an einem Strang. Wenn wir uns diesen guten Geist der Zusammenarbeit erhalten, können wir in den nächsten Jahren Großes erreichen – für unsere Justiz und für unseren Rechtsstaat.“
Der Bayerische Staatsminister der Justiz Georg Eisenreich erklärt:
„Mit dem vorgelegten Abschlussbericht kann uns gemeinsam ein Durchbruch in der Digitalisierung der Ziviljustiz gelingen. Die Menschen erwarten zu Recht eine moderne, schnelle und bürgernahe Justiz. Der Zivilprozess der Zukunft setzt den Einsatz digitaler Werkzeuge, einfache und klare Verfahrensregeln sowie transparente Kommunikation voraus. Die auf Bestreben Bayerns eingesetzte Reformkommission hat dazu auf 240 Seiten zahlreiche überzeugende Vorschlägeerarbeitet – von einer bundesweit einheitlichen Kommunikationsplattform über ein Bund-Länder-Justizportal bis hin zu digitalem Parteienvortrag und Beweisverzeichnis. Besonders freut mich, dass in der Kommission viele Vertreterinnen und Vertreter der Praxis u. a. aus Richterschaft, Anwaltschaft, Wirtschaft und Wissenschaft mitgewirkt haben. Ich danke allen Kommissionsmitgliedern für ihren großen Einsatz. Eine Wegbeschreibung zu einer Ziviljustiz im digitalen Zeitalter liegt auf dem Tisch. Die Modernisierung des Zivilprozesses ist dringend notwendig. Wir brauchen mehr Tempo bei den notwendigen Reformen. Deshalb müssen die Vorschläge der Kommission jetzt zeitnah diskutiert und die Modernisierung des Zivilprozesses umgesetzt werden. Das ist eine zentrale Aufgabe des nächsten Bundesjustizministers bzw. der nächsten Bundesjustizministerin.“
Die Hamburger Justizsenatorin Anna Gallina erklärt:
„Es ist eine große Errungenschaft, sich zivilisiert streiten zu können. Der vor staatlichen Gerichten geführte Zivilprozess garantiert, dass im Konfliktfall nicht das Recht des Stärkeren zählt, sondern das Gesetz zur Geltung kommt. Die Reformkommission „Zivilprozess der Zukunft“ hat sich intensiv damit auseinandergesetzt, wie sich der Zivilprozess verändern muss, um dieses Versprechen für alle Rechtsuchenden gleichermaßen einlösen zu können. Der Abschlussbericht zeigt, dass die Kommission den Mut hatte, auch vermeintlich Bewährtes grundlegend zu überdenken und beim gemeinsamen Blick über den Tellerrand der einzelnen Berufsgruppen Vorschläge zu entwickeln, um die Ziviljustiz an eine grundlegend veränderte Zeit anzupassen. Auf dieser Grundlage können und müssen wir nun gemeinsam an der Annäherung an die Vision in der Wirklichkeit arbeiten.“
Der Abschlussbericht formuliert ein Leitbild für den Zivilprozess der Zukunft, das auf einem modernen, nutzerfreundlichen und barrierearmen Zugang zur Justiz basiert. Ziel ist es, Verfahren zu beschleunigen, effizienter zu gestalten und die Chancen der Digitalisierung zu nutzen. Der Bericht hebt hervor, dass klare Verfahrensregeln, eine transparente Kommunikation sowie die bessere Vorhersehbarkeit von Abläufen zentrale Bausteine eines zukunftsfähigen Zivilprozesses sind.
Zu den wichtigsten Handlungsempfehlungen der Kommission gehören:
- Einheitlicher Zugang zur Justiz: Es soll ein bundesweites Justizportal als zentrale Anlaufstelle für alle justizbezogenen Informationen und Dienstleistungen eingeführt werden. Neben Informationen und Auskünften soll das Portal den Rechtsuchenden ermöglichen, digital Justizdienstleistungen in Anspruch zu nehmen, Anträge einzureichen und über dieses Klagen zu erheben.
- Digitale Kommunikation: Die verfahrensbezogene Kommunikation im Zivilprozess soll über eine bundeseinheitliche und cloudbasierte Kommunikationsplattform erfolgen. Sämtliche verfahrens-bezogenen elektronischen Dokumente sollen an die Kommunikationsplattform übermittelt, dort bereitgestellt, eingesehen, abgerufen und perspektivisch auch bearbeitet werden können. So soll eine reibungslose und sichere Kommunikation zwischen den Beteiligten gewährleistet werden.
- Digitale Verfahren: Das seitenbasierte PDF-Format soll durch einen maschinenverarbeitbaren digitalen Parteivortrag ersetzt werden. Dazu soll ein digitales Verfahrensdokument erprobt werden, das den Parteien einen geordneten und gegliederten Vortrag ermöglicht.
- Qualitätssteigerung der Justiz: Das Kammerprinzip soll gestärkt und die Spezialisierung einzelner Kammern ausgebaut werden. Die Kammern sollen in Spezialmaterien sowie ab einem bestimmten Streitwert originär zuständig sein.
- Beschleunigung der Verfahren: Die Gerichte sollen bereits zu einem frühen Zeitpunkt verfahrensfördernde Maßnahmen ergreifen. Dies umfasst unter anderem Organisationstermine und gerichtliche Hinweispflichten.
- Modernisierung des Beweisrechts: Die Beweisaufnahme soll effizienter gestaltet werden. Dies soll insbesondere durch digitale Lösungen erfolgen. Das betrifft beispielsweise ein digitales Beweisverzeichnis oder die Verwertung von Zeugenaussagen in Parallelverfahren durch Ton- und/oder Videoaufzeichnungen.
- Digitale Vollstreckung: Es soll ein digitales Vollstreckungsregister eingerichtet werden.
- Reform des Zustellungsrechts: Das elektronische Empfangsbekenntnis soll abgeschafft und künftig die Zustellung fingiert werden.
- Transparenz: Die Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen soll verpflichtend werden. Zuverlässige Anwendungen zur automatisierten Anonymisierung sind hierfür unentbehrlich.
Der Abschlussbericht wurde dem Vorsitz der Justizministerkonferenz übermittelt und wird bei der nächsten Sitzung des Bund-Länder-Digitalgipfels im Frühjahr 2025 zentraler Tagesordnungspunkt sein. Die Justizministerinnen und Justizminister von Bund und Ländern werden die Empfehlungen prüfen und auf der Basis des Abschlussberichts konkrete Maßnahmen für die Modernisierung des Zivilprozesses vorschlagen.
Den vollständigen Abschlussbericht zum „Zivilprozess der Zukunft“ finden Sie hier.
BMJ, 31.01.2025