Zum 1. Oktober 2023 treten zwei Änderungen im Strafgesetzbuch (StGB) in Kraft: die Änderung der Vorschrift über die Strafzumessung (§ 46 StGB) sowie die Änderung der Vorschrift über die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB).
Zur Änderung der Strafzumessungsvorschrift § 46 StGB erklärt Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann:
„In unserem Land sollen sich alle sicher fühlen – egal wer sie sind, wen sie lieben oder wie sie leben. Der Rechtsstaat muss deshalb entschlossen handeln, wenn Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung oder ihres Geschlechts angegriffen werden. Das Strafrecht muss auf solche Taten eine klare Antwort geben. Aus diesem Grund haben wir im Gesetz klargestellt: Auch „geschlechtsspezifische“ und „gegen die sexuelle Orientierung gerichtete“ Tatmotive sind bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Wir unterstreichen damit: Wer Menschen gerade wegen ihres Geschlechts angreift oder wegen ihrer sexuellen Orientierung, handelt besonders niederträchtig. Unser Rechtsstaat missbilligt solche Taten zutiefst.“
Zur Änderung der Vorschrift über die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) erklärt Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann:
„Kluge Kriminalpolitik setzt nicht allein aufs Strafen. Um zu verhindern, dass Straftäter mit Suchtkrankheiten rückfällig werden, kann es sinnvoll sein, sie in einer Entziehungsanstalt unterzubringen. In den vergangenen Jahren gab es hier allerdings Fehlentwicklungen. Viele Entziehungsanstalten sind überlastet. Nicht selten sind dort auch Personen untergebracht, die sich entweder gar nicht behandeln lassen wollen oder bei denen eine Behandlung wenig Aussicht auf Erfolg hat. Das geht zu Lasten der anderen Untergebrachten. Ihr Behandlungserfolg ist dadurch gefährdet. Gefährdet sind dadurch auch die Interessen der Allgemeinheit: Denn es geht bei der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ja gerade auch darum, neue Straftaten zu verhindern. Wir haben deshalb die Voraussetzungen enger gefasst, unter denen eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet werden kann. Mit der Reform sorgen wir dafür, dass sich die Kliniken bei der Behandlung wieder auf diejenigen konzentrieren können, die wirklich behandlungsbedürftig und behandlungsfähig sind. Nur so lassen sich gute Behandlungserfolge erreichen – im Interesse der Betroffenen selbst, aber auch im Interesse der Allgemeinheit.“
Zum Hintergrund:
Mit dem Gesetz zur Überarbeitung des Sanktionenrechts, welches vom Deutschen Bundestag am 22. Juni 2023 beschlossen worden ist, wurden u. a. eine Reform des Maßregelrechts sowie eine Erweiterung der Strafzumessungsvorschrift des § 46 Strafgesetzbuch (StGB) beschlossen. Diese Regelungen treten zum 1. Oktober in Kraft. Im Einzelnen:
I. Erweiterung der Strafzumessungsnorm § 46 StGB
§ 46 Absatz 2 StGB nennt Umstände, die durch Gerichte bei der Zumessung einer Strafe zu berücksichtigen sind. Menschenverachtende Beweggründe und Ziele sind danach besonders zu berücksichtigen. Beispielhaft genannt hierfür werden rassistische, fremdenfeindliche und antisemitische Beweggründe und Ziele. In diese Liste werden nunmehr ausdrücklich auch „geschlechtsspezifische“ sowie „gegen die sexuelle Orientierung gerichtete“ Tatmotive aufgenommen.
Der Begriff „geschlechtsspezifisch“ soll dabei nicht nur die unmittelbar auf Hass gegen Menschen eines bestimmten Geschlechts beruhenden Beweggründe erfassen, sondern auch die Fälle einbeziehen, in denen die Tat handlungsleitend von Vorstellungen geschlechtsbezogener Ungleichwertigkeit geprägt ist. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Täter gegenüber seiner Partnerin oder Ex-Partnerin mit Gewalt einen vermeintlichen patriarchalischen Herrschafts- und Besitzanspruch durchsetzen will. „Geschlechtsspezifisch“ sind aber auch solche Tatmotive, die sich gegen die trans- oder intergeschlechtliche Identität oder die (sonstige) nicht-binäre Geschlechtsidentität des Opfers richten. Die ausdrückliche Nennung der „gegen die sexuelle Orientierung gerichteten“ Tatmotive erfasst zusätzlich Hasstaten, die etwa gegen Menschen mit homo- oder bisexueller Orientierung begangen werden. Mit den Änderungen wird die Notwendigkeit einer angemessenen Strafzumessung für alle Taten, die sich gegen LSBTI-Personen richten, betont.
II. Reform des Maßregelrechts in § 64 StGB
Anstelle oder neben der Verurteilung einer Person zu einer Freiheitsstrafe können im deutschen Strafrecht als Rechtsfolge für eine rechtswidrige Tat auch sog. Maßregeln der Besserung und Sicherung angeordnet werden. Eine dieser Maßregeln ist die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB. Dort ist in den letzten Jahren ein kontinuierlicher Anstieg der untergebrachten Personen zu verzeichnen. Dieser Anstieg ist in vielen Ländern verbunden mit einem Anstieg der durchschnittlichen Unterbringungsdauer sowie einem deutlichen Wandel in der Struktur der Untergebrachten. So wurden nach Praxisberichten in nicht unerheblichem Umfang Personen den Entziehungsanstalten zugewiesen, bei denen keine eindeutige Abhängigkeitserkrankung vorliegt und bei denen die Aussicht, zum regulären Halbstrafentermin anstelle des Zweidritteltermins (wie er im Strafvollzug vorgesehen ist) entlassen werden zu können, einen sachwidrigen Anreiz zur Anstrebung der Unterbringung geboten hat.
Die nun in Kraft tretenden Regelungen sollen dafür sorgen, dass die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wieder stärker auf wirklich behandlungsbedürftige und -fähige Täterinnen und Täter fokussiert wird. So soll zur Entlastung der Entziehungsanstalten beigetragen werden. In § 64 StGB werden daher die Anordnungsvoraussetzungen in mehrfacher Hinsicht enger gefasst: Die Anforderungen an den erforderlichen „Hang“ zum übermäßigen Rauschmittelkonsum, an den Zusammenhang zwischen Hang und Straffälligkeit und an die Erfolgsaussicht einer Behandlung werden zu diesem Zweck erhöht. Der regelmäßige Zeitpunkt für eine Reststrafenaussetzung wird, auch für die Berechnung eines etwaigen Vorwegvollzugs der Freiheitsstrafe, an den bei der reinen Strafvollstreckung üblichen Zweidrittelzeitpunkt angepasst. In der Strafprozessordnung wird klarstellend die sofortige Vollziehbarkeit von Entscheidungen normiert, mit denen die Behandlung wegen Erfolglosigkeit für erledigt erklärt wird.