Ab dem 1. Oktober 2024 gelten neue Regelungen für grenzüberschreitende Videoverhandlungen in Zivilprozessen. Deutsche Gerichte haben nunmehr innerhalb der Europäischen Union die Möglichkeit, Parteien und ihre Vertreterinnen und Vertreter per Videokonferenz zur Gerichtsverhandlung zuzuschalten und anzuhören oder Vergleichsverhandlungen mit ihnen zu führen, ohne dass es dafür eines Rechtshilfeersuchens bedarf. Rechtsanwältinnen und -anwälte werden ihre Anträge künftig auch in einer grenzüberschreitenden Videoverhandlung bei Gericht stellen können. Ermöglicht wird dies durch eine neue Regelung in der EU-Digitalisierungsverordnung.
Veronika Keller-Engels, Präsidentin des Bundesamts für Justiz (BfJ), befürwortet die Neuerungen, die auch die Arbeit des BfJ als Zentrale Behörde im internationalen Rechtshilfeverkehr erheblich erleichtern: „Videokonferenzen gehören inzwischen zum Alltag der Bürgerinnen und Bürger. Von der Justiz wird erwartet, dass sie mit dieser Lebensrealität mithält. Lebensbeziehungen machen nicht an der Grenze halt. Wenn es dabei zu Rechtsstreitigkeiten kommt, erwarten die Bürgerinnen und Bürger in der EU eine reibungslose Zusammenarbeit. Dafür gehen wir heute einen weiteren Schritt und machen die Ziviljustiz digitaler und moderner.“
Das BfJ ist zentrale Anlauf- und Vermittlungsstelle im Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland in Zivil- und Handelssachen und Zentralstelle auf Bundesebene u.a. nach der EU-Beweisaufnahmeverordnung. Es ist Ansprechpartner für die Landesjustizverwaltungen, wenn im Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland Fragen auftreten und koordiniert auf Bundesebene die grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Die Regelungen zu grenzüberschreitenden Videoverhandlung sind damit ein praktisch wichtiger Schritt zur weiteren Digitalisierung.
Ende 2023 wurde die EU-Digitalisierungsverordnung (https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A32023R2844) verabschiedet. Diese sieht künftig die elektronische Kommunikation in grenzüberschreitenden Verfahren der justiziellen Zusammenarbeit vor. Außerdem können Gerichte der EU-Mitgliedstaaten in Zivilprozessen Parteien und ihre Vertreter per Videokonferenz zu einer Verhandlung zuschalten und anhören (Artikel 5 EU-Digitalisierungsverordnung). Im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage ist dazu keine Genehmigung des EU-Mitgliedstaats mehr erforderlich, in dem sich die Person aufhält. Das vereinfacht den Rechtshilfeverkehr für alle Beteiligten.
Deutschland hat als erster EU-Mitgliedstaat die vorzeitige Anwendung der Vorschrift zum grenzüberschreitenden Verhandeln ab dem 1. Oktober 2024 erklärt. Grenzüberschreitende Videoverhandlungen und -anhörungen durch deutsche Gerichte mit Parteien und ihren Vertretern in einem anderen EU-Mitgliedstaat benötigen daher ab sofort keine Genehmigung dieses anderen Staates mehr.
Von Artikel 5 EU-Digitalisierungsverordnung nicht erfasst ist insbesondere die Vernehmung von Zeuginnen und Zeugen oder die Anhörung von Sachverständigen im Wege der Videokonferenz. In diesen Fällen ist weiterhin der Rechtshilfeweg nach der EU-Beweisaufnahmeverordnung zu beschreiten (Artikel 19, 20 EU-Beweisaufnahmeverordnung). Die Genehmigung des anderen EU-Mitgliedstaats ist in diesen Fällen auch weiterhin erforderlich.
Weitere Informationen zur internationalen Zivilrechtshilfe finden Sie unter www.bundesjustizamt.de/irzh.
(c) BfJ, 02.10.2024