Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann hat heute zwei Eckpunktepapiere zur Modernisierung des Familienrechts veröffentlicht: ein Eckpunktepapier zur Reform des Kindschaftsrechts mit Vorschlägen für neue Regeln im Sorge-, Umgangs- und Adoptionsrecht sowie ein Eckpunktepapier zur Reform des Abstammungsrechts. Insbesondere Kinder in Trennungsfamilien, Patchwork- und Regenbogenfamilien sowie nichtehelichen Lebensgemeinschaften sollen von den vorgeschlagenen Neuregelungen profitieren.

Hierzu erklärt Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann:

„Wir brauchen einen Modernisierungsschub in Deutschland – auch im Familienrecht. Viele Kinder wachsen heute in Trennungsfamilien auf, in Patchwork- und Regenbogenfamilien oder bei nicht miteinander verheirateten Eltern. Unser Familienrecht hinkt dieser Realität hinterher. Den Preis dafür zahlen Eltern und Kinder: Vielen macht das Familienrecht das Leben unnötig schwer.

Wir sind als Bundesregierung mit dem Versprechen angetreten, unser Familienrecht an die Anforderungen der Gegenwart anzupassen. Und wir halten Wort: Die Reform des Namensrechts steht kurz vor dem Abschluss. Für die Reform des Unterhaltsrechts habe ich bereits einen konkreten Vorschlag vorgelegt. Mit den Vorschlägen zur Reform von Abstammungsrecht und Kindschaftsrecht folgen jetzt die nächsten wichtigen Schritte.

Bei der Reform des Kindschaftsrechts geht es uns vor allem um Trennungs- und Patchworkfamilien. Heute wollen viele Eltern ihre Kinder nach einer Trennung partnerschaftlich betreuen. Wir wollen, dass das Recht Eltern dabei unterstützt – und ihnen mehr Freiraum lässt für die Vereinbarung von Lösungen, die für sie und ihre Kinder passen. Außerdem wollen wir die Rechtsposition von Kindern stärken und den Schutz vor häuslicher Gewalt in Sorge- und Umgangsverfahren verbessern: Expertinnen und Experten mahnen das seit vielen Jahren an.

Mit der Reform des Abstammungsrechts wollen wir die bestehende Benachteiligung von gleichgeschlechtlichen Paaren und ihren Kindern beseitigen. Kinder, die in eine Partnerschaft von zwei Frauen geboren werden, dürfen nicht schlechter gestellt sein als Kinder, die in eine Partnerschaft von Mann und Frau geboren werden. Sie sollen von Geburt an beide Frauen als Eltern haben können. Mit der Reform wollen wir außerdem mehr Rechtssicherheit für Samenspenden schaffen. Und wir wollen die Rechtsposition von leiblichen Vätern stärken, die als rechtliche Väter Verantwortung für ihr Kind übernehmen möchten. Auch wollen wir das Recht von Kindern auf Kenntnis ihrer eigenen Abstammung stärken. An bewährten Grundsätzen des geltenden Rechts werden wir dabei festhalten: Auch künftig wird die Frau, die das Kind geboren hat, immer Mutter des Kindes sein. Und auch künftig gilt: Ein Kind kann nur zwei rechtliche Eltern haben.

Uns geht es um eine Anpassung des Rechts an die soziale Wirklichkeit, wie sie Wissenschaft und Praxis seit vielen Jahren fordern. Das Kindeswohl steht bei uns an allererster Stelle. Unser Ziel ist ein Familienrecht für alle: ein Familienrecht, das für alle Familienformen die passenden Regeln bietet – und keine Familienform benachteiligt.“

  1. Das Eckpunktepapier zur Reform des Abstammungsrechts

Das Abstammungsrecht bestimmt, wer die rechtlichen Eltern eines Kindes sind. Es soll in verschiedener Hinsicht fortentwickelt werden. Bewährte Grundsätze des geltenden Rechts bleiben dabei erhalten. So soll ein Kind auch künftig nicht mehr als zwei rechtliche Eltern haben können (Zwei-Eltern-Prinzip). Auch wird die Frau, die das Kind geboren hat, auch künftig stets rechtliche Mutter des Kindes sein. Ferner bleibt es dabei, dass rechtlicher Vater auch künftig ist, wer bei Geburt mit der Mutter verheiratet ist, wer die Vaterschaft anerkennt oder wessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt worden ist.

Vorgesehen sind insbesondere folgende Neuerungen:

  • Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Paaren und verschiedengeschlechtlichen Paaren: Wenn ein Kind in eine Partnerschaft von zwei Frauen geboren wird, soll die Partnerin der Frau, die das Kind geboren hat, künftig ebenfalls ohne Adoptionsverfahren Mutter des Kindes werden können. Für sie soll insoweit das Gleiche gelten wie bei verschiedengeschlechtlichen Paaren für den männlichen Partner der Frau, die das Kind geboren hat. Sind beide Frauen verheiratet, soll die Ehefrau der Frau, die das Kind geboren hat, im Zeitpunkt der Geburt kraft Gesetzes ebenfalls Mutter des Kindes werden. Außerdem soll es möglich sein, durch Anerkennung der Mutterschaft rechtliche Mutter zu werden – so wie auch ein Mann die Vaterschaft für ein Kind anerkennen kann.
  • Mehr Rechtssicherheit für Samenspenden durch Elternschaftsvereinbarungen: Vor Zeugung eines Kindes soll vereinbart werden können, wer neben der Frau, die das Kind geboren hat, Vater oder Mutter des Kindes werden soll. Dadurch soll insbesondere bei privaten Samenspenden (sog. Becherspenden) frühzeitig eine rechtssichere Eltern-Kind-Zuordnung ermöglicht werden.
  • Stärkung der Rechtsposition des leiblichen Vaters: Ein leiblicher Vater, der als rechtlicher Vater Verantwortung für sein Kind übernehmen will, soll durch folgende Änderungen in seiner Rechtsposition gestärkt werden.

Sperrwirkung eines anhängigen Feststellungsverfahrens: Solange ein gerichtliches Verfahren läuft, in dem ein Mann seine Vaterschaft feststellen lassen will, soll grundsätzlich kein anderer Mann die Vaterschaft für dieses Kind anerkennen können.

Kein kategorischer Ausschluss der Anfechtung bei sozial-familiärer Beziehung:  Wer glaubt, leiblicher Vater zu sein, soll die Vaterschaft eines anderen Mannes künftig auch dann anfechten können, wenn eine sozial-familiäre Beziehung des Kindes zu dem anderen Mann besteht. Eine sozial-familiäre Beziehung zwischen dem Kind und seinem rechtlichen Vater soll die Anfechtung der Vaterschaft insoweit nicht mehr kategorisch ausschließen. Vielmehr soll das Gericht in einem solchen Fall künftig im Einzelfall prüfen, ob das Interesse an der Anfechtung der Vaterschaft das Interesse an dem Fortbestand der bisherigen Zuordnung überwiegt. Vorrang soll im Zweifel das Interesse am Erhalt der gelebten Familie haben.

Anerkennung der Vaterschaft mit Zustimmung auch des Ehegatten der Mutter: Erwartet eine verheiratete Frau ein Kind von einem anderen Mann als ihrem Ehemann (z.B. von ihrem neuen Lebensgefährten), soll der andere Mann künftig einfacher rechtlicher Vater werden können, wenn die Mutter und ihr Ehemann einverstanden sind. Der leibliche Vater soll die Vaterschaft künftig bis spätestens acht Wochen nach der Geburt des Kindes anerkennen können, ohne dass ein Anfechtungsverfahren durchzuführen ist. Einer Scheidung der Ehe soll es dazu nicht mehr zwingend bedürfen.

  • Stärkung des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung: Kinder sollen es künftig einfacher haben, ihr Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung zu verwirklichen. Dafür sind folgende Änderungen vorgesehen.

Statusunabhängiges Feststellungsverfahren: Künftig soll es möglich sein, durch gerichtlichen Beschluss feststellen zu lassen, ob eine Person leiblicher Vater eines Kindes ist – ohne dass sich zugleich die rechtliche Elternschaft ändert; das Verfahren wird gleichrangig neben den Statusverfahren (Anfechtung bzw. Feststellung der rechtlichen Vaterschaft) zugänglich sein. Ein Kind kann so feststellen lassen, wer sein leiblicher Vater ist, ohne dazu die rechtliche Bindung zu seinem rechtlichen Vater kappen zu müssen.

  • Ausbau des Samenspenderregisters zu einem allgemeinen Spenderregister: Neben offiziellen Samenspenden (also Samenspenden aus einer Samenbank) sollen dort auch private Samenspenden und Embryonenspenden erfasst werden können.

Das Eckpunktepapier zur Reform des Abstammungsrechts ist hier abrufbar. Eine Kurzfassung ist hier abrufbar. Häufig gestellte Fragen zu dem Papier werden hier beantwortet.

  1. Das Eckpunktepapier zur Reform des Kindschaftsrechts

Das Eckpunktepapier zur Reform des Kindschaftsrechts enthält Vorschläge zur Reform des Sorge- und Umgangsrechts sowie des Adoptionsrechts. In nichtehelichen Lebensgemeinschaften, Trennungs-, Patchwork- und Regenbogenfamilien soll es einfacher werden, Kinder partnerschaftlich zu betreuen. Eltern sollen einfacher Vereinbarungen über Sorge und Umgang schließen können und Dritten sorgerechtliche Befugnisse oder Umgangsrechte einräumen können. Kinder sollen in ihrer Rechtsposition gestärkt werden. Der Schutz vor häuslicher Gewalt in Sorge- und Umgangsverfahren soll verbesset werden. Außerdem soll das Adoptionsrecht liberalisiert werden.

Konkret vorgeschlagen werden insbesondere folgende Neuerungen:

  • Wechselmodell: Das Wechselmodell, das viele Eltern nach einer Trennung schon jetzt leben, soll erstmalig gesetzlich geregelt werden: Es soll klargestellt werden, dass das Familiengericht in einem Umgangsverfahren (nach Trennung) eine Betreuung durch beide Elternteile, ggf. auch eine paritätische Betreuung anordnen kann – wenn dies dem Kindeswohl am besten entspricht.
  • Sorgerecht in nichtehelichen Lebensgemeinschaften: Ein Vater, der mit der Mutter zusammenwohnt, aber nicht verheiratet ist, soll künftig einfacher das Sorgerecht erlangen können. Wenn die Mutter nicht widerspricht, soll eine einseitige, beurkundete Erklärung ausreichen.
  • Vereinbarungen zwischen Eltern über das Sorgerecht: Eltern sollen mehr Autonomie in Bezug auf ihr Sorgerecht erhalten: Sie sollen die Alleinsorge eines Elternteils vereinbaren können; auch eine Übertragung der elterlichen Sorge von einem Elternteil auf den anderen soll leichter möglich sein.
  • „Kleines Sorgerecht“: Die Sorgeberechtigten (im Regelfall also die Eltern) sollen künftig durch Vereinbarung bis zu zwei weiteren Personen – zum Beispiel ihren jeweils neuen Partnern – sorgerechtliche Befugnisse einräumen können.
  • Vereinbarungen über das Umgangsrecht mit Dritten: Mit Dritten sollen die sorgeberechtigten Eltern künftig auch Vereinbarungen über den Umgang mit dem Kind schließen können.
  • Recht von Kindern auf Umgang: Kinder sollen ein Recht auf Umgang mit Großeltern und Geschwistern, mit anderen Bezugspersonen sowie mit leiblichen, nicht rechtlichen Elternteilen erhalten.
  • Mitentscheidungsbefugnis von Kindern: Kinder sollen ab dem Alter von 14 Jahren im Sorge- und Umgangsrecht künftig ausdrückliche Mitentscheidungsbefugnisse haben. So sollen sie z.B. eine erneute Entscheidung über eine bereits getroffene Umgangsregelung beantragen können.
  • Schutz vor häuslicher Gewalt: Der Schutz vor häuslicher Gewalt im Sorge- und Umgangsrecht soll durch folgende Anpassungen des Gesetzes verbessert werden:

Ermittlungspflicht: Es soll klargestellt werden, dass das Familiengericht in Umgangsverfahren Anhaltspunkten für häusliche Gewalt gegenüber dem Kind und/oder dem anderen Elternteil und deren Folgen umfassend und systematisch nachgehen und eine Risikoanalyse vornehmen muss.

Sorge- und Umgangsrecht: Bei Partnerschaftsgewalt soll ein gemeinsames Sorgerecht regelmäßig ausscheiden. Es soll klargestellt werden, dass das Familiengericht den Umgang beschränken oder ausschließen kann, wenn dies erforderlich ist, um eine konkrete Gefährdung des betreuenden Elternteils durch einen gewalttägigen Ex-Partner abzuwenden.

  • Liberalisierung des Adoptionsrechts: Auch Paare, die nicht verheiratet sind, sollen gemeinsam ein Kind adoptieren können; bisher ist dies nur verheirateten Paaren möglich. Verheiratete Personen sollen künftig auch allein ein Kind adoptieren können.

Das Eckpunktepapier zur Reform des Kindschaftsrechts ist hier abrufbar. Eine Kurzfassung ist hier abrufbar. Häufig gestellte Fragen zu dem Papier werden hier beantwortet.

Auf Grundlage der beiden Eckpunktepapiere wird das Bundesministerium der Justiz nunmehr Gesetzentwürfe für die Reform des Kindschaftsrechts und die Reform des Abstammungsrechts erarbeiten. Die Gesetzentwürfe sollen noch im ersten Halbjahr 2024 vorgelegt werden.

(c) BMJ, 16.01.2024

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