Statement von Rechtsanwalt Prof. Niko Härting, Vorsitzender des Ausschusses Informationsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV):
Mit einem Eckpunktepapier für ein „Gesetz gegen digitale Gewalt“ will die Ampelregierung den Rechtsschutz im Netz verstärken. Der Deutsche Anwaltverein begrüßt das Anliegen, gibt jedoch zu bedenken, dass für die vorgesehenen Auskunftsansprüche hohe verfassungsrechtliche Hürden bestehen. Außerdem seien Rechtsunklarheiten zu befürchten.
„Das Eckpunktepapier der Koalition legt den Fokus auf eine wichtige Aufgabe. Dass Betroffene von Persönlichkeitsrechtsverletzungen ähnliche Auskunftsansprüche erhalten sollen wie Inhaber immaterieller Rechte, sehen wir als richtigen und bedeutsamen Schritt. Allerdings muss klar sein, dass die Weitergabe von IP-Adressen und Namen von Anschlussinhabern einen Eingriff in das Fernmeldegeheimnis darstellt. Dieser kann nur durch den Schutz vergleichbar hochrangiger Verfassungsgüter gerechtfertigt werden – es bedarf also stets einer Einzelfallabwägung. Nicht jede harsche Unternehmenskritik oder Ein-Sterne-Bewertung kann einen solchen Auskunftsanspruch begründen.
Auch die Erstreckung des Auskunftsrechts auf Anbieter von Messengerdiensten birgt neue Herausforderungen. Wann hier das Fernmeldegeheimnis greift, hängt maßgeblich von Art und Dimension der dort gebildeten Gruppen ab – wo individuelle Kommunikation endet und Massenkommunikation beginnt, kann ein deutsches Gesetz jedoch nicht definieren. Das obliegt dem EU-Gesetzgeber.
Weiterhin gibt es Überschneidungen zwischen dem im Papier formulierten Recht auf Accountsperren und dem Digital Services Act. Das führt letztlich dazu, dass gerichtliche Anträge nach dem Digitalen Gewaltschutzgesetz am Vorrang und der Sperrwirkung des Europarechts scheitern würden.“
Einzelheiten sowie weitere Aspekte können Sie der DAV-Stellungnahme Nr. 35/2023 entnehmen.