Nach der aktuellen Berichterstattung haben Fälle von häuslicher Gewalt zugenommen. Im vergangenen Jahr gab es laut Bundeskriminalamt 157.550 Fälle, was ein Anstieg um 9,4 Prozent im Vergleich zum Jahr 2021 bedeutet. Zu den am Wochenende bekannt gewordenen Zahlen des bundesweiten Lagebildes zur häuslichen Gewalt hat Justizminister Roman Poseck heute in Wiesbaden folgende Erklärung abgegeben:
„Nach den aktuellen Zahlen des Bundeskriminalamts nehmen die Fälle häuslicher Gewalt deutschlandweit weiter zu. Das ist besorgniserregend. Wir müssen Frauen besser schützen. Der Staat hat hier einen Schutzauftrag. Die Entwicklung zeigt die Dringlichkeit der hessischen Initiative, den Einsatz der elektronischen Fußfessel in Eskalationsfällen zur Überwachung von Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz zu ermöglichen. Aktuell sind die Maßnahmen, wie Kontakt- und Annäherungsverbote, häufig ein stumpfes Schwert. Gerade in tragischen Eskalationsfällen wird dies immer wieder deutlich. Appelle nach schärferen Überwachungen helfen wenig, wenn dies nicht von den erforderlichen rechtlichen und technischen Möglichkeiten begleitet wird. Durch den Einsatz der Fußfessel könnten die richterliche angeordneten Maßnahmen des Gewaltschutzgesetzes wesentlich wirkungsvoller kontrolliert werden. In anderen Zusammenhängen, wie bei der Führungsaufsicht, habenwir mit der elektronischen Fußfessel bereits sehr gute Erfahrungen gemacht. Es würde sofort sichtbar, wenn die Vorgaben nicht eingehalten werden. In vielen Fällen könnte noch rechtzeitig reagiert und eine Eskalation abgewendet werden. Außerdem würde das Wissen darum, dass der Verstoß auffällt, schon eine wichtige präventive Wirkung entfalten. Selbstverständlich kann die Fußfessel nur eine Maßnahme von mehreren im Rahmen eines Gesamtkonzeptes zur Bekämpfung häuslicher Gewalt sein. Aber gerade in Eskalationsfällen ist sie geeignet, Schlimmeres zu verhindern.
Eine Initiative, die den Einsatz der Fußfessel unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Bundesrecht verankert, habe ich bereits im Mai in die Justizministerkonferenzeingebracht. Sie ist auf breite Zustimmung gestoßen. Es ist nun am Bundesjustizminister, die möglichen Anwendungsbereiche der elektronischen Fußfessel zu definieren.
Zur Bekämpfung häuslicher Gewalt bedarf es eines umfassenden Ansatzes. Hessen hat hier bereits vorbildliche Strukturen aufgebaut. Dazu gehört, dass bei allen hessischen StaatsanwaltschaftenSonderdezernate eingerichtet wurden, damit vor Ort zügig die richtigen Maßnahmen ergriffen werden können.
Hessen hat seit 2006 zudem eine Landeskoordinierungsstelle gegen häusliche Gewalt eingerichtet. Diese organisiert einen regelmäßigen Erfahrungsaustausch der Sonderdezernentinnen und Sonderdezernenten.
Auch das Marburger Modell ist sehr erfolgreich. Es sieht eine effektive Zusammenarbeit von Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht unter Mitwirkung von Täterberatungsstellen und Beratungsstellen für Opfer und Zeugen von Straftaten im partnerschaftlichen Kontext vor. Durch eine schnelle Einbindung der Gerichtshilfe als Sozialer Dienst der Justiz nach einem Vorfall von häuslicher Gewalt mit Polizeieinsatz kann einerseits der Opferschutz deutlich gestärkt und andererseits die Möglichkeit zur Einwirkung auf die Beschuldigten verbessert werden. Der Erfolg des Marburger Modells liegt in dem frühzeitigen Eingreifen der Gerichtshilfe. Diese soll in der Regel innerhalb von fünf Tagen nach dem Vorfall tätig werden. Erfahrungsgemäß sind sowohl die Geschädigten als auch die Beschuldigten kurze Zeit nach der Tat noch empfänglich für Beratungsangebote. Das Opfer ist bereit auszusagen oder Hilfsangebote anzunehmen, ebenso sind die Beschuldigten eher motiviert, sich einem Trainingsprogramm zu unterziehen. Die zeitnahe Unterstützung für Opfer und Täter hat sich bewährt.
Ein weiterer Schwerpunkt in Hessen ist die Täterarbeit. Diese dient dem Opferschutz. Hierfür wendet das Justizministerium 350.000 € auf. Die Fördermittel wurden im Doppelhaushalt 2023/2024 von 250.000 € um 100.000 € aufgestockt. Mit diesen Mitteln werden zum Beispiel der pro familia Bezirksverband Darmstadt-Bensheim, das Informationszentrum für Männerfragen in Frankfurt am Mainund der AWO Kreisverband Werra Meißner e.V. in Eschwege unterstützt.
Ich habe selbst in den letzten Wochen mehrere vom Land Hessen geförderte Programme der Täterarbeit besucht, so zum Beispiel von pro familia in Fulda und Gießen, der Diakonie in Groß-Gerau oder auch in der JVA Dieburg. Dabei habe ich ein sehr positives Bild von der engagierten Arbeit vor Ort gewinnen können. Durch die Täterarbeit können viele Männer aus der Gewaltspirale herausgeholt werden. Die Arbeit ist für alle Beteiligten anstrengend, aber sie lohnt im Interesse des friedlichen Zusammenlebens,“ sagte Roman Poseck weiter.
Mit dem 3. Aktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt im häuslichen Bereich hat die hessische Landesregierung wichtige Strukturen zum Schutz der Opfer, zu denen weit überwiegend Frauen und Mädchen sowie die immer auch mit betroffenen Kinder zählen, zur ebenso wichtigen Arbeit mit den Tätern und zum vernetzten Vorgehen aller Beteiligten ausgebaut
Nach den am Wochenende bekannt gewordenen Fallzahlen des Bundeskriminalamtes sind die Fälle im vergangenen Jahr deutschlandweit um 9,4 Prozent auf 157.550 Fälle angestiegen. „Zusätzlich ist wichtig, dass wir das Thema aus der Tabuzone holen. Wir dürfen Opfer nicht alleine lassen. Auch das flächendeckende Netz der Opferhilfevereine in Hessen steht fest an der Seite der von häuslicherGewalt Betroffenen“, führte der Minister abschließend aus.
(c) HMdJ, 10.07.2023