Um einen Gesetzentwurf des Bundesrates zu besseren Bekämpfung von Mietwucher (20/1239) ging es am Montag in einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses. Die eingeladenen Sachverständigen bewerteten die Vorlage unterschiedlich. Die Vertreter der Vermieterverbände lehnten die Vorlage ab, während sich Mieterschützer für eine gesetzliche Verschärfung aussprachen.

Der Bundesrat dringt in seinem Entwurf auf eine bessere Bekämpfung des Mietwuchers. Die Länderkammer schlägt dazu eine Änderung in Paragraf 5 („Mietpreisüberhöhung“) des Wirtschaftsstrafgesetzes 1954 (WiStrG 1954) vor. Demnach soll künftig schon ordnungswidrig handeln, wer „bei Vorliegen eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen“ ein „unangemessen“ hohes Entgelt für Wohnräume fordert.

Bisher sieht die Norm vor, dass derjenige ordnungswidrig handelt, der „infolge der Ausnutzung eines geringen Angebotes an vergleichbaren Räumen“ ein „unangemessen“ hohes Entgelt für Wohnräume fordert. Zudem soll nach Willen der Länderkammer die maximale Höhe des Bußgeldes von 50.000 Euro auf 100.000 Euro erhöht werden. Wie in der Begründung ausgeführt wird, solle künftig auf das subjektive Merkmal „Erfordernis der Ausnutzung“ verzichtet werden und stattdessen „bei der Frage der Unangemessenheit allein auf das objektive Kriterium des Vorliegens eines geringen Angebots abgestellt werden“. Laut Bundesregierung ist die Meinungsbildung zu dem Entwurf noch nicht abgeschlossen.

Carsten Herlitz, der von der CDU/CSU für die Anhörung vorgeschlagene Justiziar des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW), begrüßte das Vorgehen gegen „schwarze Schafe“ unter den Vermietern. Der Verband teile aber die Bedenken der Bundesregierung bezüglich des Entwurfs. So würden Fragen mit Blick auf den Schuldgrundsatz aufgeworfen. Im Fall seiner Umsetzung würde der Entwurf zu einem bundesweiten und scharfen Mietendeckel führen. Es stelle sich auch die Frage, ob hier ein Gesetzes- oder ein Vollzugsdefizit vorliegt. Jedenfalls könnten Verschärfungen des Mietrechts nicht das Problem angespannter Wohnungsmärkte lösen.

Der ebenfalls von der Unionsfraktion vorgeschlagene stellvertretende Bundesgeschäftsführer des Immobilienverbands Deutschland (IVD), Christian Osthus, erklärte in seiner Stellungnahme, der IVD sehe den Gesetzentwurf und generell jede Initiative kritisch, das subjektive Merkmal aus dem Paragrafen 5 WiStG zu streichen. Wer ein Geschäft abschließe und sich dabei bewusst sittenwidrig verhalte, müsse sanktioniert werden. Der IVD sehe aber über die Mietpreisbremse als zivilrechtliches Mittel und die bestehenden öffentlich-rechtlichen Regelungen hinaus keinen Handlungsbedarf.

Auch Kai Warnecke, Präsident des Eigentümerverbands Haus & Grund Deutschland, betonte in seiner Stellungnahme, nicht die Vermieter stellten das Problem dar, sondern der Mangel an Mietwohnungen. Grundsätzlich handele es sich bei jeder Verschärfung des Paragrafen 5 WiStG um einen Eingriff in die Eigentumsrechte des Vermieters, so Warnecke. Die vorgesehene Abschaffung des Merkmals „Ausnutzen“ greife in das bestehende Mieter-Vermieter-Gefüge ein und führe letztlich dazu, dass sich private Vermieter vom Markt zurückziehen. Anstelle redliche Vermieter zu kriminalisieren, sollte das Problem durch ein höheres Wohnungsangebot gelöst werden, erklärte Warnecke, der ebenfalls auf Vorschlag der CDU/CSU-Fraktion an der Anhörung teilnahm.

Christian Schede, Vorstandsmitglied der Region Ost des Immobilienwirtschaftsverbandes Zentraler Immobilien Ausschuss (ZIA), gab zu bedenken, dass durch die vom Bundesrat vorgeschlagene Verschärfung viele Mitgliedsunternehmen betroffen wären. Die Änderung würde de facto die Einführung einer verschärften „Mietpreisbremse 2.0“ durch die Hintertür darstellen. Schede war von der FDP-Fraktion benannt worden.

Dagegen begrüßte der für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen teilnehmende Rechtsanwalt Benjamin Raabe den Vorschlag des Bundesrats, Paragraf 5 WiStG zu reaktivieren, ausdrücklich. Es gehe um eine Praxis, die sich in der Vergangenheit gut bewährt habe. Das Nebeneinander von zivilrechtlichem Schutz der Mietenden und dem öffentlich-rechtlichen System des Preisschutzes habe Jahrzehnte gut funktioniert, bis der Bundesgerichtshof in mehreren Entscheidungen in den 2000er Jahren die Anforderungen für die Mietenden, aber auch für die Verfolgungsbehörden so weit angehoben habe, dass es seit 20 Jahren kaum mehr Verfahren zur Mietpreisüberhöhung gebe.

Eve Raatschen vom Hamburger Mieterverein Mieter helfen Mietern, ebenfalls auf Vorschlag der Grünen als Sachverständige dabei, verwies darauf, dass sich Vermieter und Vermieterinnen die Wohnraumknappheit zunutze machten und überhöhte Mieten forderten. Sie bedauerte, dass der Bundesgerichtshof 2004 eine wirksame Vorschrift zur Begrenzung von Ausreißermieten zu einer Karteileiche gemacht habe. Die Mietpreisbremse habe bislang keine ausreichenden Effekte gehabt, sodass es einer zusätzlichen Reaktivierung von Paragraf 5 WiStrG bedürfe.

Der Präsident des Deutschen Mieterbund (DMB), Lukas Siebenkotten, verwies auf 700.000 fehlende Wohnungen. Der DMB fordere, flankierend Maßnahmen aufzusetzen, mit denen Mietern und Mieterinnen bei der Vermeidung des erheblichen Anstiegs der Mieten geholfen wird, sagte der von der SPD-Fraktion benannte Experte. Dafür sei zum einen eine rigorose Senkung der Kappungsgrenze bei der Mieterhöhung nötig – der DMB habe sogar vorgeschlagen, einige Jahre die Mieten überhaupt nicht zu erhöhen – und dann sollte man auf den Freistaat Bayern und den Bundesrat hören und den Paragraf 5 WiStrG wieder flottmachen. Es gehe dabei nicht um die Bestrafung des Vermieters, sondern um die Einhaltung der Mietobergrenzen. Dafür sei in vielen Fällen eine Drohkulisse nötig.

Katharina Wagner, Leiterin des Amtes für Wohnungswesen Frankfurt am Main, berichtete dem Ausschuss über praktische Erfahrungen mit der Anwendung von Paragraf 5 WiStrG und damit verbundenen Schwierigkeiten. Die ebenfalls von der SPD-Fraktion benannte Sachverständige erklärte, Mietende und Vermietende, Verwaltung und Amtsanwaltschaft, Gerichte und Rechtsbeistände hätten in der Praxis trotz Gesetz und Rechtsprechung mit erheblichen Unsicherheiten hinsichtlich Ermittlung und Beweisführung zu kämpfen. Das erzeuge ein rechtliches Vakuum. Mit Blick auf Wohnungs- und Mietenpolitik brauche es daher neben den bestehenden zivilrechtlichen Mietgesetzen zusätzliche Regelungen, die einen Rahmen für fairen Wettbewerb auf dem Wohnungsmarkt für Mietende und auch Vermietende setzen.

Ebenfalls für die SPD nahm Kilian Wegner von der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) teil. Er vertrat die Ansicht, dass der Gesetzentwurf verfassungskonform ist und auch ansonsten keinen rechtlichen Bedenken unterliegt. Insbesondere sei die von der Bundesregierung ohne nähere Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vorgetragene Befürchtung, es verstoße gegen den Schuldgrundsatz, vorsätzliche oder leichtfertige Verstöße gegen staatliche Preisvorgaben mit einem Bußgeldtatbestand zu bewehren, unbegründet. Für den Entwurf spreche, dass der Mietüberhöhungs-Tatbestand für Behörden und Gerichte, aber auch Mieter und Vermieter künftig leichter handhabbar sein würde.

Die Abgeordneten interessierten sich vor allem für die verfassungsrechtliche Dimension der angestrebten Gesetzesänderung, deren konkrete Auswirkungen auf die verschiedenen Mietvertragsarten und bestehende Regelungen wie die Mietpreisbremse, aber auch auf mögliche Auswirkungen auf die Investitionswilligkeit.

Insgesamt äußerten sich neun Sachverständige in der Anhörung. Ihre Stellungnahmen, die Sachverständigenliste und das Video der Anhörung auf bundestag.de: https://www.bundestag.de/ausschuesse/a06_recht/anhoerungen/978310-978310

(c) HiB Nr. 89, 19.02.2024

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