Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann hat heute ein Eckpunktepapier zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts vorgelegt. Die Vorschläge zielen darauf, Strafbarkeitslücken zu schließen, Opferrechte zu stärken und die Breitenwirkung völkerstrafrechtlicher Urteile zu verbessern.
Hierzu erklärt Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann:
„Das Völkerstrafrecht ist eine zivilisatorische Errungenschaft. Sein zentrales Versprechen ist von dramatischer Aktualität: Völkerrechtsverbrechen dürfen nicht ungesühnt bleiben! Deutschland hat eine besondere Verantwortung, dieses Versprechen mit Leben zu füllen: aufgrund unserer Geschichte und aufgrund der Stärke unseres Rechtsstaats. Der brutale russische Angriffskrieg gegen die Ukraine mahnt uns, dieser Verantwortung gerecht zu werden. Ich setze mich deshalb für eine Fortentwicklung des Völkerstrafrechts ein: Ich will Strafbarkeitslücken schließen und Opferrechte stärken. Egal ob in Butscha, in Damaskus oder andernorts – überall muss gelten: Wenn die Waffen sprechen, schweigt das Recht nicht.“
Das Eckpunktepapier enthält Vorschläge zur Fortentwicklung des nationalen Völkerstrafrechts, wie es insbesondere im Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) geregelt ist. Darüber hinaus enthält es ein Bekenntnis zur Stärkung des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH). Seine Gerichtsbarkeit über das Verbrechen der Aggression soll ausgedehnt werden. Bislang können nach dem IStGH-Statut nur Angehörige von Vertragsstaaten wegen des Aggressions-Verbrechens verfolgt werden. Diese Begrenzung wirft eine schmerzhafte Strafbarkeitslücke auf – auch und gerade mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.
Eine Änderung des IStGH-Statuts ist nur zusammen mit den anderen Vertragsstaaten möglich. Das geht nicht kurzfristig. Die vorgeschlagenen Änderungen im nationalen Völkerstrafrecht kann der Bundesgesetzgeber hingegen autonom bewirken. Folgende Änderungen am nationalen Recht sind geplant.
Stärkung der Opferrechte: Nebenklagebefugnis u.a.
Die Rechte von Opfern von Straftaten nach dem VStGB sollen gestärkt werden. Konkret geht es um Menschen, die Opfer eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit (§ 7 VStGB) oder eines Kriegsverbrechens gegen Personen (§ 8 VStGB) geworden sind.
Opfern dieser Straftaten soll die Nebenklagebefugnis eingeräumt werden: Sie sollen sich den in Deutschland wegen solcher Straftaten geführten Verfahren als Nebenklägerinnen oder Nebenkläger anschließen können. Hierzu soll § 395 der Strafprozessordnung (StPO) geändert werden.
Parallel dazu sollen die Regeln über die anwaltliche Vertretung von Nebenklägerinnen und Nebenklägern angepasst werden. Wenn Opfer von VStGB-Straftaten als Nebenklägerinnen oder Nebenkläger zugelassen wurden, sollen sie künftig berechtigt sein, ohne weitere Voraussetzungen einen Opferanwalt oder eine Opferanwältin beigeordnet zu bekommen. Insbesondere soll es dafür nicht auf die Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe ankommen. Hierzu soll § 397a StPO geändert werden. Durch eine Änderung von § 397b StGB soll ferner klargestellt werden, dass Anwälte und Anwältinnen auch mehrere Nebenklägerinnen oder Nebenkläger gemeinschaftlich vertreten können, wenn deren Interessen gleichgelagert sind.
Auch die Regeln für die Beiordnung einer psychosozialen Prozessbegleitung sollen angepasst werden (§ 406g StPO): Wenn Opfer von Völkerstraftaten als Nebenklägerinnen oder Nebenkläger zugelassen wurden, sollen sie künftig berechtigt sein, ohne weitere Voraussetzung einen psychosozialen Prozessbegleiter oder eine psychosoziale Prozessbegleiterin beigeordnet zu bekommen.
Erleichterung der Rezeption von Prozessen nach dem VStGB
Rezeption und Verbreitung wichtiger deutscher Völkerstrafrechtsprozesse sollen gefördert werden.
Hierzu soll in § 185 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) klargestellt werden, dass Medienvertreter in Gerichtsverfahren Verdolmetschungen nutzen können, wenn sie der deutschen Sprache nicht mächtig sind. Das Bundesministerium der Justiz wird darüber hinaus Übersetzungen wegweisender Urteile zum Völkerstrafrecht in die englische Sprache in Auftrag geben, damit weltweit auch die nicht-deutschsprachige Öffentlichkeit Zugang hierzu bekommt.
Schließlich soll die wissenschaftliche und historische Rezeption von völkerstrafrechtlichen Verfahren erleichtert werden. Hierzu soll geregelt werden, dass die – künftig ohnehin für alle strafgerichtlichen Hauptverhandlungen obligatorische – audiovisuelle Aufzeichnung auch für wissenschaftliche und historische Zwecke verwendet werden kann, sofern es sich um ein völkerstrafrechtliches Verfahren von entsprechender Bedeutung handelt. Bewirkt werden soll dies durch eine Anpassung des Vorschlags für eine Neufassung von § 273 StPO im Entwurf des Gesetzes zur digitalen Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung.
Schließung von Strafbarkeitslücken im VStGB – insbesondere im Hinblick auf sexualisierte Gewalt
Strafbarkeitslücken im VStGB sollen geschlossen und die dortigen Straftatbestände fortentwickelt werden.
§ 7 VStGB (Verbrechen gegen die Menschlichkeit) und § 8 VStGB (Kriegsverbrechen gegen Personen) sollen so angepasst werden, dass sie auch den Tatbestand der sexuellen Sklaverei umfassen. Damit soll dem erheblichen Unrechtsgehalt der damit bezeichneten Handlung und der zunehmenden Bedeutung dieses Tatbestands in der Rechtsprechung des IStGH Rechnung getragen werden.
Neu aufgenommen werden sollen in das VStGB außerdem die Tatbestände der Verwendung von Waffen, deren Splitter mit Röntgenstrahlen nicht erkennbar sind, sowie der Verwendung von dauerhaft blindmachenden Laserwaffen. Diese Tatbestände wurden jüngst in das Statut des IStGH aufgenommen; durch Übernahme in das nationale Recht soll zur Bildung entsprechenden Völkergewohnheitsrechts beigetragen werden. Das Eckpunktepapier ist unter hier abrufbar.
Quelle: Bundesministerium der Justiz, Pressemitteilung vom 23. Februar 2023