Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) stellt heute ihren Entwurf für ein Digitales Gewaltschutzgesetz vor und liefert damit einen Gegenentwurf zu den im April vorgestellten Eckpunkten des Bundesjustizministeriums (BMJ). Kernstück des GFF-Entwurfs ist die Möglichkeit gerichtlich angeordneter Accountsperren, um Gewalt im Netz endlich schnell beenden zu können. Das Bundesjustizministerium legt einen Fokus auf erweiterte Auskunftsrechte und sieht Accountsperren nur für einen engen Anwendungsbereich vor. Momentan gibt es keine schnelle Handhabe gegen digitale Gewalt: Vielen Menschen macht sie das Leben zur Hölle – sie resignieren und ziehen sich aus sozialen Medien zurück. Das bedroht den Kommunikationsraum Internet und letztlich unsere Demokratie. Um diese Entwicklung aufzuhalten, arbeitete die GFF im Rahmen der von der Alfred Landecker Foundation geförderten Marie-Munk-Initiative seit 2021 an besseren Schutzmöglichkeiten gegen digitale Gewalt.
„Wer im Internet Hass und Hetze verbreitet und sich strafbar macht, dem muss zumindest vorübergehend das Megafon aus der Hand genommen werden können“, fordert Ulf Buermeyer, Vorstand der GFF. „Accountsperren sind das einzige Mittel, das schnell und effektiv dort ansetzt, wo digitale Angriffe stattfinden. Dagegen können zusätzliche Auskunftsansprüche – wie sie das Bundesjustizministerium ins Auge fasst – allenfalls ein kleiner Schritt auf dem langen Weg zur Durchsetzung von z.B. Schadensersatz sein. Sie stoppen aber Gewalt nicht und setzen gleichzeitig die Anonymität im Internet auf’s Spiel.“
Plattformbetreiber sind durch das 2017 eingeführte Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) und den europäischen Digital Services Act (DSA) dazu verpflichtet, rechtswidrige Inhalte zu löschen. In der Realität bleiben Beschwerden bei Plattformen aber oft folgenlos. Auch die Strafverfolgung ist kein wirksames Mittel, um akute Bedrohungen oder Beleidigungen schnell zu löschen. Die Identität der Beschuldigten ist meist nicht aufzudecken, die Verfahren dauern Jahre.
„Digitale Gewalt betrifft häufig vulnerable Gruppen, die sich in der Folge aus dem Diskurs zurückziehen. Wenn Menschen auf diese Weise mundtot gemacht werden und nur die lautesten und extremsten Stimmen im Netz übrig bleiben, gefährdet das unsere Demokratie“, fordert Steffen Jost, Programmdirektor bei der Alfred Landecker Foundation. Neben der langwierigen Strafverfolgung von Täter*innen braucht es einen neuen Ansatz, der Betroffene schnell vor digitaler Gewalt schützt – auch, damit die Menschen nicht das Vertrauen in unser Gemeinwesen verlieren“.
Dieses Vertrauen in den Rechtsstaat muss ein Digitales Gewaltschutzgesetz stärken: „Betroffene von digitaler Gewalt haben häufig wenig Vertrauen in die Strafverfolgung und kaum Zugang zu Recht. Auch deshalb brauchen Beratungsorganisationen die Möglichkeit, für die Betroffenen bei Gerichten Anträge auf Gewaltschutz zu stellen“, betont Sina Laubenstein, Projektkoordinatorin bei der GFF. „Umso wichtiger ist der im Koalitionsvertrag angekündigte Ausbau von Beratungsstrukturen.“
Die GFF hofft, dass das Bundesjustizministerium seine Eckpunkte bei der Ausarbeitung des Digitalen Gewaltschutzgesetzes nachbessert: Der bislang geplante Anwendungsbereich von Accountsperren muss deutlich ausgeweitet werden, damit sie Wirkung entfalten können. Jede Erweiterung von Auskunftsansprüchen muss mit Augenmaß geschehen, damit die Diskussion über weitere Speicherpflichten nicht neu entfacht wird.
Den Gesetzentwurf der GFF für ein Digitales Gewaltschutzgesetz finden Sie hier:
https://freiheitsrechte.org/uploads/documents/Demokratie/Marie-Munk-Initiative/2023-05-19-DigGewSchG_GFF.pdf
©️ GFF, 22.05.23