Strafverfolgungsbehörden sollen ein neues Ermittlungsinstrument erhalten: das sogenannte Quick-Freeze-Verfahren. Ermittlerinnen und Ermittler sollen damit anlassbezogen auf bestimmte telekommunikationsbezogene Daten zugreifen können. Konkret geht es dabei um sogenannte Verkehrsdaten, also zum Beispiel um Telefonnummern und IP-Adressen. Die Strafverfolgungsbehörden sollen solche Daten künftig in einem frühen Ermittlungsstadium sichern („einfrieren“) lassen können, um sie später für die Strafverfolgung nutzen zu können. Dazu sollen sie bei Gericht den Erlass einer Sicherungsanordnung gegen einen Telekommunikationsanbieter beantragen können. Eine entsprechende Anordnung soll den Verdacht voraussetzen, dass eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen wurde. Voraussetzung soll außerdem sein, dass die „einzufrierenden“ Daten in einem Zusammenhang mit der möglichen Straftat stehen. Die Einführung dieses neuen Ermittlungsinstruments sieht ein Gesetzentwurf vor, den das Bundesministerium der Justiz heute veröffentlicht hat.
Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann erklärt aus diesem Anlass:
„Im Kampf gegen das Verbrechen sind Staatsanwaltschaft und Polizei auf gute Instrumente angewiesen. Das Quick-Freeze-Verfahren verbindet drei große Vorzüge: Es ist effektiv, es ist rechtssicher, es achtet die Grundrechte. Quick-Freeze steht für anlassbezogenes Einfrieren von Daten statt für anlasslose Massenspeicherung. Das Quick-Freeze-Verfahren ist deshalb das richtige Instrument für unsere Strafverfolgungsbehörden. Es ist eine gute Nachricht, dass das Gesetzgebungsverfahren nun weiter vorangeht. Eine weitere Stärkung unserer Sicherheitsbehörden rückt damit näher.
Weil für manche der Traum von der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung noch immer nicht ausgeträumt ist, erinnere ich auch noch einmal daran: Alle Versuche, in Deutschland eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung einzuführen, sind vor Gericht gescheitert. Auch nach den jüngsten Urteilen des Europäischen Gerichtshofs wäre die Anordnung einer Vorratsdatenspeicherung mit erheblichen rechtlichen Risiken verbunden. Und vor allem gilt weiterhin: Wenn der Staat ohne konkreten Anlass die Verbindungsdaten aller Bürgerinnen und Bürger speichert, fühlt sich niemand mehr richtig frei. Ein solches Instrument der Massenüberwachung passt nicht zu unserem liberalen Rechtsstaat. Deshalb: Wer die Ermittlungsbehörden stärken will – effektiv, rechtssicher, grundrechtsschonend -, der unterstützt Quick-Freeze.“
Der Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Sicherungsanordnung für Verkehrsdaten in der Strafprozessordnung sieht vor, dass § 100g Absatz 1 und Absatz 6 sowie § 100k Absatz 1 der Strafprozessordnung (StPO) neu strukturiert werden.
Verkehrsdaten können bei der Aufklärung von Straftaten in bestimmten Fällen hilfreich sein. Verkehrsdaten sind Daten, die bei der Erbringung eines Telekommunikationsdienstes erhoben, verarbeitet oder genutzt werden. Sie betreffen die Umstände eines Telekommunikationsvorgangs – nicht den Inhalt der Kommunikation. Sie lassen zum Beispiel erkennen, wer mit wem, wann und wie lange telefoniert oder SMS austauscht. Diese Daten können auch Rückschlüsse auf den Standort des genutzten Mobiltelefons zulassen. Auch die IP-Adresse, die einemTelekommunikationsanschluss für den Zugang ins Internet zu einer bestimmten Zeit zugeordnet war, gehört dazu.
Neues Instrument der Sicherungsanordnung
Das neue Quick-Freeze-Verfahren soll in zwei Stufen ablaufen:
- Erste Stufe („Einfrieren“): Die erste Stufe wird regelmäßig ein frühes Ermittlungsstadium betreffen. Sobald der Verdacht einer erheblichen Straftat vorliegt, sollen die Staatsanwaltschaften relevante Verkehrsdaten schnell und einfach beim Telekommunikationsanbieter sichern lassen können („Einfrieren“). Dazu sollen sie beim zuständigen Gericht eine Sicherungsanordnung beantragen.
- Eine solche Sicherungsordnung setzt nach dem Gesetzentwurf nicht voraus, dass sich der Verdacht bereits gegen eine bestimmte Person richtet. Es reicht, dass die Verkehrsdaten im Zusammenhang mit dem Verdacht einer Straftat von erheblicher Bedeutung stehen. Auch die Daten von Opfern einer Straftatkönnen damit zunächst einmal gesichert werden. Die Sicherungsanordnung bewirkt, dass die Telekommunikationsanbieter diese Daten vorerst nicht löschen dürfen.
- Zweite Stufe („Auftauen“): Erst im weiteren Verlauf der Ermittlungen, wenn sich etwa der Verdacht gegen eine bestimmte Person konkretisiert, dürfen die relevanten Daten auf Grundlage einer weiteren richterlichen Anordnung auf der zweiten Stufe vom Telekommunikationsanbieter an die Strafverfolgungsbehörden übermittelt werden („Auftauen“). Die Strafverfolgungsbehörden können sie dann im Rahmen der Ermittlungen auswerten.
Auf beiden Stufen des Quick-Freeze-Verfahrens soll grundsätzlich zunächst ein Gericht über die Rechtmäßigkeit des Erlasses einer Sicherungsanordnung entscheiden. Dieser Richtervorbehalt dient dem Schutz der Grundrechte der betroffenen Personen. Bei Gefahr im Verzug kann ausnahmsweise auch die Staatsanwaltschaft die Anordnung treffen. Das Gericht muss diese Anordnung aber innerhalb einer kurzen Zeit prüfen und bestätigen.
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Straftat, in deren Zusammenhang Daten eingefroren werden, auch im Einzelfall erhebliche Bedeutung haben muss. Er verweist dazu insbesondere auf den für die Telekommunikationsüberwachung in der StPO vorgesehenen Straftatenkatalog (siehe § 100a Absatz 2 StPO).
Die Sicherungsanordnung ist zunächst zeitlich begrenzt auf höchstens einen Monat. Sie kann aber zweimal um jeweils bis zu einen Monat verlängert werden. Zudem müssen die Betroffenen grundsätzlich über die Übermittlung ihrer personenbezogenen Daten bzw. deren Speicherung informiert werden. Die Benachrichtigung kann zurückgestellt werden, wenn die Ermittlung dadurch gefährdet werden.
Datensicherung unter erleichterten Voraussetzungen
Auch nach geltendem Recht können Ermittlungsbehörden Verkehrsdaten erheben. Allerdings gelten dafür höhere Voraussetzungen als nach dem Quick-Freeze-Verfahren. Die derzeitige Übermittlung von Verkehrsdaten an die Ermittlungsbehörden (Erhebung nach § 100g Absatz 1 und 3 Satz 1 StPO) setzt den Verdacht gegen den mutmaßlichen Täter oder Teilnehmer einer Straftat von erheblicher Bedeutung voraus.
Die neue Sicherungsanordnung auf der ersten Stufe setzt zeitlich früher an. Es genügt dabei, dass die Verkehrsdaten im Zusammenhang mit dem Verdacht einer erheblichen Straftat stehen können. Der Verdacht muss sich noch nicht gegen eine bestimmte Person richten. Auch die Daten eines Opfers könnten nach den neuen Vorgaben gesichert werden. Wenn sich der Verdacht gegen eine bestimmte Person konkretisiert, dürfen die Daten – wie bisher – auf Grundlage einer weiteren richterlichen Anordnung vom Provider an die Strafverfolgungsbehörden übermittelt werden. Daran ändert sich nichts.
Der Referentenentwurf wurde heute an die Länder und Verbände versendet und auf der Internetseite des BMJ veröffentlicht. Die interessierten Kreise haben nun Gelegenheit, bis zum 6. Dezember 2024 Stellung zu nehmen. Die Stellungnahmen werden ebenfalls auf der Internetseite des BMJ veröffentlicht.
Den Referentenentwurf finden Sie hier.
Weitere Informationen zum Quick-Freeze-Verfahren finden Sie hier.
(c) BMJ, 24.10.2024