Erstinstanzliche Hauptverhandlungen in Strafsachen vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten sollen nach dem ursprünglichen Referentenentwurf des Bundesjustizministers künftig in Bild und Ton aufgezeichnet werden. Nach erheblicher Kritik der Länder, der gerichtlichen und staatsanwaltlichen Praxis sowie von Verbänden hat Bundesjustizminister Dr. Buschmann nun einen neuen Kompromissvorschlag vorgestellt. Während insbesondere die Aufzeichnung in Ton verpflichtend bleibt, sollen die Länder auf die Einführung der Videoaufzeichnung verzichten können.
Bayerns Justizminister Georg Eisenreich kritisiert: „Der neue Kompromissvorschlag des Bundesjustizministers ist unzureichend. Entscheidende Probleme sind weiter ungelöst: Ich befürchte, dass auch eine reine Audioaufzeichnung am Ende in das Revisionsverfahren eingeführt werden muss. Damit ist ein enormer Aufwand für den Bundesgerichtshof und die Staatsanwaltschaften zu erwarten. Per Software erstellte Wortlautprotokolle sind zudem fehleranfällig, beispielsweise bei undeutlicher Sprechweise, Dialekten oder wenn mehrere Personen gleichzeitig sprechen. Die Justizpraxis befürchtet zudem erhebliche Verzögerungen der Hauptverhandlungen.“
Bundesjustizminister Dr. Buschmann möchte in diesem Zusammenhang, dass die Papierakten (sog. „Gürteltiere“) abgeschafft werden. Der bayerische Justizminister Georg Eisenreich: „Das Ende der Papierakten möchten die Länder auch. Aufzeichnungen im Strafprozess haben aber wenig mit der Digitalisierung der Justiz zu tun und schon gar nicht mit einem Ende der ‘Gürteltiere‘. Für das Ende der ‘Gürteltiere‘ ist die E-Akte notwendig und nicht die Aufzeichnung.“
Am 30. März 2023 hatten sich Bund und Länder beim Digitalgipfel in einer Gipfelerklärung verständigt, die Digitalisierung der Justiz gemeinsam zu beschleunigen.Eisenreich: „Beim gemeinsamen Digitalgipfel sind wir im Miteinander von Bund und Ländern vorangekommen. Nun hält der Bundesjustizminister an einem Projekt fest, das neben den geschilderten inhaltlichen Problemen für die Länder mit hohen Kosten verbunden ist: Für Bayern bedeutet dies in 10 Jahren etwa 100 Millionen Euro. Dies ist so nicht akzeptabel. Großer finanzieller Aufwand für die Länder und geringer Nutzen. Statt einer Entlastung der Justiz kommt nun eine neue unnötige Belastung.“
Quelle: Bayerisches Staatsministerium der Justiz, Pressemitteilung vom 7. April 2023