Der Rechtsausschuss hat sich am Mittwoch in einer öffentlichen Anhörung mit dem von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines „Gesetzes zur Bekämpfung missbräuchlicher Ersteigerungen von Schrottimmobilien“ (20/11308) befasst. Das Echo der geladenen Expertinnen und Experten zum Schrottimmobilien-Missbrauchsbekämpfungsgesetz fiel dabei sehr unterschiedlich aus. Während etwa der Eigentümerverband Haus & Grund Deutschland sowie die Bundesvereinigung kommunaler Spitzenverbände die vorgeschlagene Regelung begrüßten, forderten beispielsweise der Deutsche Anwaltverein e.V. und der Bund Deutscher Rechtspfleger, von dem Vorhaben Abstand zu nehmen. Die neun geladenen Sachverständigen äußerten sich in schriftlichen Stellungnahmen sowie in der Anhörung.
Der Entwurf sieht vor, dass Gemeinden in Zwangsversteigerungsverfahren künftig einen Antrag auf gerichtliche Verwaltung einer Schrott- beziehungsweise Problemimmobilie stellen können. Dazu soll ein neuer Paragraf 94a im Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (ZVG) eingeführt werden. Damit sollen etwa Fälle vermieden werden, in denen ein Bieter ein überhöhtes Angebot für eine Immobilie abgibt, ohne aber die Absicht zu haben, dieses Gebot tatsächlich über die Leistung der Sicherheitszahlung hinaus zu bezahlen. Stattdessen zieht der Bieter nach Zuschlag bereits den Nutzen aus der Immobilie, etwa Mietzahlungen, bis gegebenenfalls die Immobilie erneut in die Neuversteigerung geht.
Bianca Cristal, Leiterin der Abteilung Wohnungsbau, Wohnungs- und Siedlungsentwicklung im Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen, begrüßte die vorgeschlagene Neuregelung. Es ein eine „gut geeignete Lösung“, um die „missbräuchlichen Zwangsversteigerungsgebaren“ zu unterbinden, führte die auf Vorschlag der CDU/CSU-Fraktion eingeladene Sachverständige aus. Cristal warb dafür, die vom Bundesrat geforderte Länderöffnungsklausel umzusetzen.
Für den Deutschen Anwaltverein kritisierte Peter Depré den Gesetzentwurf umfassend und warb dafür, das Vorhaben nicht weiter zu verfolgen. Die vorgeschlagene Regelung sei ein „Fremdkörper“ im ZVG. Das ZVG diene „nicht dazu, den öffentlich-rechtlichen Zielen, seien diese städtebaulich oder kommunalpolitisch motiviert, Geltung zu verschaffen“, führte der von der Unionsfraktion als Sachverständiger benannte Depré in der schriftlichen Stellungnahme aus. Auch auf mögliche verfassungsrechtliche Probleme wird in der Stellungnahme verwiesen.
Professorin Judith Froese von der Universität Konstanz forderte in ihrer Stellungnahme mit Blick auf verfassungsrechtliche Maßstäbe Nachbesserungen hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit, der Typisierung sowie des Anspruches auf effektiven Rechtsschutz am Entwurf. „Insbesondere sollte der betroffene Personenkreis präziser und damit treffgenauer bestimmt werden, führte die von der Unionsfraktion als Sachverständige benannte Rechtswissenschaftlerin aus und schlug in ihrer Stellungnahme konkrete Anknüpfungspunkte dafür vor.
Magnus Krusenotto vom Deutschen Institut für Urbanistik begrüßte den Vorschlag aus städtebaulicher Perspektive. Am Gesetzentwurf gebe es wenig Kritikpunkte, einzig das vorgeschlagene Zusatzerfordernis einer “Gefahr für öffentliche Sicherheit und Ordnung„ sei kritisch zu sehen. Die Prüfung wäre für die Kommunen unnötig aufwändig, führte der von der SPD-Fraktion benannte Sachverständiger in seinem Eingangsstatement an.
Für die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände begrüßte Eva Maria Levold vom Deutschen Städtetag die vorgeschlagene Neuregelung. Sie sei “ein unkompliziertes und wirkungsvolles Instrument, um dem Problem der missbräuchlichen Ausübung des Eigentums an Problemimmobilien durch den Erwerb in der Zwangsversteigerung entgegenzuwirken„, heißt es in der Stellungnahme der Bundesvereinigung, die auf Vorschlag der SPD-Fraktion an der Anhörung teilnahm. Die Vereinigung sah ebenfalls das Zusatzerfordernis, “wonach eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung bei der Begründung für das Vorliegen einer Problemimmobilie vorliegen muss„, kritisch.
Für den Bund Deutscher Rechtspfleger übte Elke Strauß, Leiterin der Kommission Zwangsvollstreckung, umfassende Kritik an dem Gesetzentwurf. “Die beabsichtigte Gesetzesänderung wird einen erheblichen bürokratischen Aufwand bei Verwaltung und Gerichten verursachen, sie schadet dem Realkredit weit über die avisierten Anwendungsfälle hinaus, greift in Eigentümerrechte ein und bietet den Gemeinden gegen unlautere Ersteher ein nur wenig wirksames Werkzeug bei schwer kalkulierbarem Kostenrisiko. Sie ist daher abzulehnen„, schrieb die von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen als Sachverständige benannte Strauß in ihrer Stellungnahme.
Die Notarin Friederike von Türckheim führte aus, dass die vorgesehene Möglichkeit der Anordnung der Zwangsverwaltung eine “zielführende Handlungsmöglichkeit„ der Kommunen darstellen dürfte. Dieser Ansatz wirke aber nur “sehr begrenzt„ präventiv. “Es bleibt zu überdenken, ob nicht vorbeugend eingreifende Schutzmechanismen aus dem für den freihändigen Verkauf vorgesehenen Verfahren – insbesondere im Bereich der Geldwäsche- und Identitätsprüfung – auch für das Zwangsversteigerungsverfahren fruchtbar gemacht werden können„, führte die von der Grünen-Fraktion benannte Sachverständige in ihrer schriftlichen Stellungnahme weiter aus.
Für den Eigentümerverband Haus und Grund Deutschland begrüßte dessen Präsident Kai Warnecke die geplante Neuregelung ausdrücklich. Langfristig rege der Verband an, “eine Änderung des Eigentums- und Zwangsversteigerungsrechts in Betracht zu ziehen und den Eigentumserwerb im Zwangsversteigerungsverfahren genau wie bei der allgemeinen Übertragung von Immobilieneigentum von der Eintragung im Grundbuch abhängig zu machen„, wie der von der FDP-Fraktion als Sachverständige vorgeschlagene Verbandsvertreter in seiner schriftlichen Stellungnahme ausführte.
Die Oberbürgermeisterin von Gelsenkirchen, Karin Welge, berichtete in ihrem Eingangsstatement über die Situation mit Problemimmobilien in ihrer Stadt. Sie nannte den Entwurf einen “großen Schritt in die richtige Richtung„. Aus ihrer Sicht sei auch ein kommunales Vorkaufsrecht in Zwangsversteigungsverfahren wünschenswert, sagte die von der SPD-Fraktion als Sachverständige benannte Oberbürgermeisterin
(c) HiB Nr. 450, 26.06.2024