Notare sollen Beurkundungen künftig leichter elektronisch vornehmen können. Das sieht ein Gesetzentwurf der Bundesregierung vor, den acht Sachverständige am Mittwoch, 9. Oktober 2024, in einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses bewerteten. Sie waren sich einig, dass die weitere Modernisierung des Notariats durch die Digitalisierung der Beurkundung notwendig und zu begrüßen sei. Die Vorlage geht vielen aber nicht weit genug und lasse Fragen offen.
Der Entwurf des „Gesetzes zur Einführung einer elektronischen Präsenzbeurkundung“ (20/11849) nennt als Ziel, „Möglichkeiten zur Errichtung elektronischer Dokumente zum Zwecke der Beurkundung durch Notarinnen und Notare wie auch durch andere Urkundenstellen“ erheblich auszuweiten. Bislang sehe das Beurkundungsgesetz nur punktuell die Errichtung elektronischer Dokumente zum Zwecke der öffentlichen Beurkundung vor.
Der Präsident der Bundesnotarkammer, Jens Bormann, sagte, bei der Präsenzbeurkundung gebe es derzeit noch einen doppelten Medienbruch, der zu unnötiger Mehrarbeit führe. Eine Digitalisierung würde auch zu einer schnelleren Abwicklung führen. Die von der Bundesregierung vorgeschlagene Lösung, mit einem Unterschriften-Pad zu arbeiten, sei pragmatisch und niederschwellig. Es würden keine besonderen technischen Vorkehrungen gebraucht. Die Bundesnotarkammer habe einen Prototyp für die entsprechende Anwendung entwickelt, die zeitnah nach Inkrafttreten den Notarinnen und Notaren kostenlos zur Verfügung gestellt werden kann. Insgesamt handle es sich bei dem Entwurf um eine gute Lösung, es seien lediglich kleinere Klarstellungen und Vereinfachungen nötig.
Petra Laitenberger vom Deutschen Städtetag sagte, die Möglichkeit einer elektronischen Präsenzbeurkundung stelle einen weiteren Baustein im Rahmen der Digitalisierung der Verwaltung dar und werde daher auch vom Städtetag begrüßt. Darüber hinaus sei es richtig, dass Beurkundungen weiterhin auch in Präsenz wegen der damit verbundenen persönliche Belehrung über die Rechtsfolgen durchzuführen seien. Es erscheine auch sinnvoll, zeitgleich mit der Aufnahme der elektronischen Niederschrift eine elektronische, sichere Übermittlung der Behörden untereinander einzuführen. Die erheblichen Kosten für die Einführung einer elektronischen Präsenzbeurkundung dürften allerdings nicht den Kommunen auferlegt werden.
Rechtsanwalt Thomas Lapp, Mitglied im Vorstand des EDV-Gerichtstages, begrüßte ebenfalls, dass im Notariat ein durchgängig digitaler Ablauf der Beurkundung ohne Medienbruch ermöglicht werden soll. Die Arbeitsabläufe würden so effektiver. Lapp kritisierte aber, dass die Regelungen „viel zu kompliziert“ seien. Einfachere Lösungen wären besser. Analoge Prozesse dürften nicht einfach Schritt für Schritt elektronisch abgebildet werden, sondern man müsse sich überlegen, welche Möglichkeiten die Digitalisierung bringen, und den ganzen Prozess neu denken. Für das Notariat müsste nichts Neues erfunden werden. Im Rahmen der Digitalisierung sollten bestehende und europaweit koordinierte Strukturen genutzt werden.
Felix Odersky, Vizepräsident des Deutscher Notarvereins, sagte, die Notare verstünden sich eher als Antreiber denn als Getriebene, um die Abläufe in den Notariaten effektiver zu machen. Der Großteil des Digitalisierungsprozesses spiele sich bisher im Hintergrund ab. Um diesen zu verbessern, sei der Gesetzentwurf genau richtig. Der doppelte Medienbruch könne vermieden werden und man erhalte das finale Produkt auf einem direkten, schlankeren Weg. Ebenfalls wichtig sei, dass das elektronisch beglaubigte Dokument als Willenserklärung im Außenverhältnis den bisherigen Zwang zur Ausfertigung, also zum papiergebundenen Original, ersetzen kann. Das angebotene Verfahren komme allen Menschen entgegen.
Auch Sebastian Omlor, Direktor des Instituts für das Recht der Digitalisierung an der Philipps-Universität Marburg, sagte, der Entwurf sei ein weiterer wichtiger Schritt in der Digitalisierung des Notariats und der Vereinfachung von Abläufen im Rechtsverkehr. Die Grundrichtung sei begrüßenswert. Aus seiner Sicht sei jedoch mehr Mut bei der Digitalisierung erforderlich. So sollte die Form der elektronischen Niederschrift als Regelfall vorgegeben werden, schreibt Omlor in seiner Stellungnahme. Der Gesetzesentwurf sollte als Anstoß für weitere und vertieftere Digitalisierungsschritte zugunsten eines effizienteren Rechtsverkehrs dienen.
Rechtsanwalt Volker Römermann bewertete den Gesetzentwurf in seiner Stellungnahme als einen ersten Schritt in Richtung Digitalisierung, er bleibe aber in wesentlichen Punkten hinter den Erwartungen an eine umfassende digitale Transformation zurück. Eine konsequente Abschaffung der notariellen Beurkundungspflicht in bestimmten Fällen bei umfassender Beteiligung von Rechtsanwälten könne Römermann zufolge Funktionen des Notariats übernehmen. Darüber hinaus sollte die Monopolisierung der technischen Infrastruktur durch die Bundesnotarkammer kritisch hinterfragt werden, um Innovationspotenzial und Wettbewerb zu fördern. Diese notwendigen Reformen könnten ungenutzte Potenziale zur Entbürokratisierung, Effizienzsteigerung und Verfahrensvereinfachung freisetzen.
Wie Norbert Weide vom Deutscher Anwaltverein, Mitglied des Ausschusses Anwaltsnotariat, in seiner Stellungnahme erläuterte, besteht bei den Notaren und Notarinnen, insbesondere im Anwaltsnotariat, seit langem der Wunsch zur medienbruchfreien Bearbeitung der im Beurkundungsverfahren errichteten Dokumente, da in der täglichen Arbeit vom rechtsuchenden Publikum die digitale Kommunikation erwartet werde. Da die elektronische Präsenzbeurkundung durch den Gesetzesentwurf nicht verpflichtend werde, sondern eine Alternative geschaffen werde, bleibe es aber jedem Notar und jeder Notarin selbst überlassen, die papiergebundene Beurkundung zu nutzen. Weide sprach sich dafür aus, den Zwischenschritt eines Unterschriften-Pads zukünftig zu überwinden und den elektronischen Personalausweis zu benutzen.
Auch Notar Felix Wobst aus Gerolzhofen begrüßte das Ziel des Entwurfs. Er übertrage das Beurkundungsverfahren sachgerecht in die digitale Welt. Die Unterschrift sei wichtig. Auf absehbare Zeit sehe er dafür keine Alternative. Alles andere würde bei den meisten seiner Mandanten nur Befremden auslösen. In seiner schriftlichen Stellungnahme erklärt Wobst, bezweifelt werden dürfe aber, ob die erhofften Effizienzgewinne auf absehbare Zeit eintreten werden. Denn solange die für den Vollzug erforderlichen Dokumente anderer Behörden weiterhin in Papierform erteilt würden, müsse die technische und personelle Ausstattung für den Scan-Prozess ohnehin bereitgehalten werden.
Odersky, Omlor und Wobst wurden auf Vorschlag der Fraktion der CDU/CSU zur öffentlichen Anhörung eingeladen, Bormann, Laitenberger und Weide auf Vorschlag der SPD-Fraktion und Lapp sowie Römermann auf Vorschlag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
(c) HiB Nr. 674, 09.10.2024