In 66 Einrichtungen und bei sechs Abschiebungen hat die Nationale Stelle für die Verhütung von Folter erneut Menschenrechtsverletzungen festgestellt. Das geht aus ihrem Jahresbericht 2023 hervor, der als Unterrichtung (20/12750) vorliegt.
Mitarbeiter der Nationalen Stelle seien danach bei ihren Besuchen etwa in forensischen Psychiatrien, Justizvollzugsanstalten, Altenheimen und Polizeidienststellen sowie bei der Begleitung von Abschiebungen immer wieder auf „gravierende Situationen“ und eine „große Anzahl problematischer Inhalte“ gestoßen. Als solche listet der Bericht elf in Form einer „besonders kritischen Feststellung“ auf. So wird insbesondere eine Abschiebung nach Nigeria trotz Gerichtsbeschluss, die abzuschiebende Person „sofort zurück nach Deutschland zu verbringen“, moniert.
Kritisch sieht die Nationale Stelle erneut auch die Missachtung des Kindeswohls bei Sammelabschiebungen: So verweist sie auf einen Fall, in dem eine Familie „mitten in der Nacht“ abgeholt, und die Kinder im Alter von vier und fünf Jahren während der Fahrt von ihrer Mutter getrennt wurden.
Auch problematisiert die Nationale Stelle die Situation im Maßregelvollzug, dem sich der Bericht erneut auch im Schwerpunkt widmet. So seien Personen in Einrichtungen der Forensischen Psychiatrie in Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen über mehrere Monate hinweg in isolierten und in der Nacht abgeschlossenen „Kriseninterventionsräumen“ untergebracht worden, in denen es keine Toilette gegeben habe. Den Eingeschlossenen hätten nur „Urinflaschen oder Steckbecken“ zur Verfügung gestanden. In zwei Einrichtungen seien die Betroffenen bei dem Verrichten der Notdurft „vollumfänglich kameraüberwacht“ gewesen, schreiben die Autoren des Berichts.
In Berlin und im Saarland stünde zudem die Gesetzgebung zur Fixierung im Maßregelvollzug auch nach sechs Jahre noch nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), das in einem Urteil vom 24. August 2015 Mindestanforderungen, wie etwa den Richtervorbehalt und Eins-zu-eins-Betreuung durch therapeutisches oder pflegerisches Personal, definiert hatte.
In den Strafvollzugsgesetzen aller Bundesländer fehle zudem die Garantie einer ständigen und persönlichen Betreuung durch therapeutisches oder pflegerisches Personal, heißt es im Bericht. Diese sei nötig aufgrund der besonderen Gesundheitsgefahren, die mit der Fixierung einhergingen, heißt es im Bericht. Im Strafvollzugsgesetz Mecklenburg-Vorpommerns sei „keine der verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen umgesetzt“, heißt es dort weiter. Als besonders kritisch erachtet die Nationale Stelle zudem die Aussage mehrerer Justizministerien, wonach das BVerfG-Urteil im Justizvollzug nicht anwendbar und die individuelle Betreuung aufgrund von Personalmangel nicht umsetzbar sei,
Darüber hinaus moniert die Nationale Stelle zu Verhütung von Folter, dass in einer Vielzahl der besuchten Forensischen Psychiatrien Personen „über mehrere Wochen und Monate“ unrechtmäßig abgesondert wurden. In einigen Kliniken habe es sogar mehrjährige Absonderungen gegeben, bei denen die Betroffenen „bis zu 24 Stunden täglich in Kriseninterventionsräumen isoliert“ worden seien.
Die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter ist Deutschlands Einrichtung für die Wahrung menschenwürdiger Unterbringung und Behandlung im Freiheitsentzug. Aktuell verfügt sie über ein Jahresbudget von 640.000 Euro. Dieses sei aber nicht ausreichend, um ihr Mandat entsprechend der völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands auszuüben, heißt es im Bericht. Aufgrund von Kostensteigerungen habe die Nationale Stelle bereits in der ersten Jahreshälfte 2024 nicht mehr über ausreichenden Mittel verfügt, um ihre Besuchstätigkeit aufrecht zu erhalten. Dieses sei nur durch einen Zuschuss auf Beschluss der Justizministerkonferenz im Juni wieder möglich geworden.
(c) HiB Nr. 579, 06.09.2024