Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil hat Bundeskanzler Olaf Scholz (beide SPD) gegen den Vorwurf der Führungsschwäche in der zerstrittenen Ampel-Koalition verteidigt. „Ein Kanzler hat es in einer solchen Dreierkoalition wirklich schwer“, sagte Weil am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung „maybrit illner“. „Er kann ja nicht einfach auf den Tisch hauen und sagen: ‚So geht’s aber lang‘. Denn spätestens im Parlament geht es dann wieder von vorne los.“
Angesichts der für SPD, Grüne und FDP verheerenden Wahlergebnisse in Thüringen und Sachsen forderte Weil aber einen Kurswechsel. Die Ampel-Koalition habe sich „ehrlich gesagt seit mehr als einem Jahr den Wählern und Wählerinnen als streitig präsentiert, und das kann nicht gutgehen“, kritisierte der Ministerpräsident. „Wenn nach diesen Ergebnissen nicht die politische Vernunft einkehrt, und zwar im höchsteigenen Interesse, dann weiß ich auch nicht.“
Mit Blick auf die schwierige Regierungsbildung in den beiden Bundesländern sprach sich Weil für Sondierungen auch mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) aus. Zwar gebe es „einen richtig harten Dissens“ in der Frage: „Lassen wir jetzt die Ukraine im Stich? Lassen wir Putin seinem Angriffskrieg noch einen Sieg folgen?“, konstatierte Weil. „Aber was Werte angeht, die man politisch verfolgt, da sehe ich jetzt nicht, dass man nicht mal miteinander reden könnte.“
Die Co-Vorsitzende des BSW, Amira Mohamed Ali, signalisierte in der Sendung ein Entgegenkommen: „Das ist kein Stopp der Waffenlieferungen, den wir auf Landesebene fordern, sondern mehr diplomatische Initiativen“. Bedingung für eine Koalition sei, dass die jeweilige Landesregierung „klar sagt, dass sie mehr diplomatische Initiativen erwartet von der Bundesregierung im Ukraine-Krieg“. Auch „eine klare Kritik und eine Ablehnung“ der Stationierung US-amerikanischer Mittelstreckenraketen in Deutschland werde verlangt, bekräftigte Mohamed Ali.
Der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach warnte seine Partei vor Denkverboten und Einmischungen in die Koalitionsfindung in den Ländern, etwa in Bezug auf eine Zusammenarbeit mit dem BSW. Im Falle eines Scheiterns könne in Thüringen der rechtsextreme AfD-Politiker Björn Höcke mit relativer Mehrheit zum Ministerpräsidenten gewählt werden. Er wolle „all diejenigen, die jetzt dazwischenrufen ‚auf keinen Fall’“ dann „alle mal sehen, wie sie sich dann einlassen.“
(c) ZDF, 06.09.2024