Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Bündnis 90/Die Grünen) hat in einer Sondersitzung des Umweltausschusses am Freitag die Kritik an der Entscheidungsfindung zum Atomausstieg zurückgewiesen. Das Ministerium habe die Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken geprüft und dazu auch mit den Betreibern gesprochen, diese Vorgänge seien „transparent“ verlaufen. Zu den Veröffentlichungen im Magazin „Cicero“ sagte sie, den Journalisten seien die Akten seit September 2022 bekannt gewesen, wieso die Veröffentlichungen erst jetzt erfolgten, könne sie nicht beantworten. Den Abgeordneten im Ausschuss wolle ihr Ministerium die gewünschten Akten zur Verfügung stellen.
Ministerin Lemke betonte, dass die Sicherheit der Atomkraftwerke in der Verantwortung ihres Hauses, des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, liege, sie sei der nuklearen Sicherheit verpflichtet. Bei den Beratungen um eine Verlängerung der Laufzeiten einiger Atomkraftwerke hätten Überlegungen im Vordergrund gestanden, ob der weitere Einsatz von Hochrisikotechnologie vertretbar sei. Schließlich seien die letzten Sicherheitsüberprüfungen im Jahr 2009 erfolgt, es sei um die Überschreitung der Ermüdungszeiten von mechanischen Komponenten gegangen, und zu bewerten sei gewesen, ob die Atomkraftwerksbetreiber ausreichend Fachpersonal für den Weiterbetrieb zur Verfügung stellen konnten.
Diese Argumente ließen die Fraktionen der CDU/CSU und der AfD nicht gelten. Die Vertreter der Union verwiesen auf Umfragen, wonach im Jahr 2022 rund 88 Prozent der Bevölkerung für einen Weiterbetrieb der Atomkraftwerke gewesen seien. Auch im Umweltministerium habe es einen Referentenbericht gegeben, der für einen Weiterbetrieb eingetreten sei. Nach der Überarbeitung durch einen Abteilungsleiter sei dann aber das Gegenteil behauptet worden. Außerdem sei beim letzten Entwurf die Gesellschaft für Reaktorsicherheit nicht mehr eingebunden gewesen.
Auch die AfD-Abgeordneten wollten wissen, auf wessen Expertise sich der letzte Bericht beziehe und wie es zu der Neubewertung gekommen sei. Habe Ministerin Lemke mitbekommen, dass Mitarbeiter aus ihrem Haus möglicherweise Umdeutungen der Sachlage vorgenommen hätten und Expertenmeinungen von Abteilungsleitern umgeschrieben wurden, um zu gewünschten Ergebnissen zu kommen?
Die Abgeordneten der Ampel-Fraktionen SPD, Bündnis 90 / Die Grünen und FDP hingegen warfen dem Magazin „Cicero“ vor, die Veröffentlichung zeige politische Tendenzen. Der Weiterbetrieb der Atomkraftwerke von 2022 sei gründlich vorbereitet worden. Vor allem Aspekte der Sicherheit hätten im Vordergrund gestanden. Wichtig sei jedoch, dass die Fragen nun geklärt würden. Die Öffentlichkeit habe ein berechtigtes Interesse daran, zu wissen, auf Grund welcher Tatsachen politische Entscheidungen getroffen würden.
(c) HiB Nr. 286, 26.04.2024