Die am 31. August 2022 vorgestellte Digitalstrategie der Bundesregierung enthält vielversprechende Absichten. Ob sie die Grundlage eines progressiven Politikwechsels ist, bleibt jedoch offen. Ein wichtiger gleichstellungspolitischer Erfolg ist, dass das vom Deutschen Juristinnenbund e.V. (djb) seit Jahren geforderte Gesetz gegen Gewalt im Netznun bis zum Jahr 2025 endlich kommen soll. Während der Koalitionsvertrag nur die technischen Aspekte der Digitalisierung behandelte, verspricht die Digitalstrategie zudem die Auseinandersetzung mit Machtstrukturen im digitalen Wandel und die Berücksichtigung feministischer Datenpolitik. Dazu gehört das klare Bekenntnis, dass engagierte Menschen sich in der digitalen Gesellschaft vernetzen können und vor digitaler Gewalt, Hassrede und Desinformation geschützt werden müssen. Dies ist uneingeschränkt zu begrüßen.
Konkrete Projekte in diese Richtung finden sich aber nicht. Der Schwerpunkt der Strategie liegt auf technischen Infrastrukturprojekten und massenhafter Datengenerierung. „Das Versprechen ‚durch eine effektive Nutzung des Potenzials von Daten das Leben für alle Menschen besser zu machen‘ verkennt, dass eine machtkritische Herangehensweise hier unverzichtbar ist und nicht erst auf später verschoben werden kann. Die Digitalstrategie lässt den innovativen soziotechnischen Ansatz vermissen, wie ihn der Dritte Gleichstellungsbericht für eine geschlechtergerechte Gestaltung von Digitalisierung aufgezeigt hat“, so die Präsidentin des djb Prof. Dr. Maria Wersig. „Die Digitalpolitik der Bundesregierung hat nicht nur ein technisches Umsetzungs-, sondern schlicht ein Erkenntnisproblem und weckt somit wenig gleichstellungspolitisches Vertrauen.“
Positiv ist, dass digitalisierungsbezogene Kompetenzen vermittelt werden sollen. Neue, innovative Bildungsansätze sind dabei jedoch nicht vorgesehen, vielmehr liegt der Fokus auf technischen Medienkompetenzen und MINT-Förderung unter Rückgriff auf bereits existierende Initiativen, wie den Girl’s Day. Dass keinerlei konkrete Projekte zur Überwindung des Digital Gender Gap und des Gender Data Gap enthalten sind, ist empörend. Damit fällt die Digitalstrategie sogar noch zurück hinter das im Koalitionsvertrag zumindest im gesundheitspolitischen Bereich gegebene Versprechen, den Gender Data Gap zu beseitigen.
Weiterführend verweist der djb auf seine ausführlichen Stellungnahmen zu den aktuellen Entwürfen des EU-Data-Act und der EU-KI-Verordnung, auf seine Pressemitteilung zum Open Data Day sowie auf seine Ausführungen zur Digitalisierung in den Wahlforderungen.
Quelle: Deutscher Juristinnenbund e.V., Pressemitteilung vom 8. September 2022