Die Zahl der politisch motivierten Straftaten ist im Jahr 2023 um 1,89 Prozent auf 60.028 Delikte angestiegen. Damit befindet sich die politisch motivierte Kriminalität (PMK) auf dem höchsten Stand seit Einführung des Meldedienstes im Jahr 2001. Mit Ausnahme des zuvor stark vom Protestgeschehen gegen die Corona-Maßnahmen geprägten Bereichs der PMK, in dem es 2023 einen erheblichen Rückgang gab, sind in allen anderen Phänomenbereichen die Gewaltdelikte angestiegen. Die mit Abstand höchsten Zahlen von Straftaten insgesamt, von Gewalttaten und Gewaltopfern gibt es durch politisch rechts motivierte Taten.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser: „Wir sehen einen neuen Höchststand von Straftaten, die sich gegen unsere offene und freiheitliche Gesellschaft richten. Rechtsextremistische Taten haben weiter stark zugenommen. Und seit dem Terrorangriff der Hamas gegen Israel und dem Gaza-Krieg sind antisemitische Taten drastisch angestiegen. Außerdem erleben wir eine Eskalation der politischen Aggression mit immer stärkeren Einschüchterungsversuchen und Übergriffen gegen Bürgerinnen und Bürger, die sich politisch engagieren, sich im Ehrenamt für unsere Gesellschaft engagieren oder bei der Polizei und Rettungsdiensten für andere da sind. Wir müssen unmissverständlich zeigen, dass der Rechtsstaat diese Gewalt nicht hinnimmt. Die Justiz ist hier ebenso in der Verantwortung wie die Polizei. Der Rechtsstaat muss deutliche Stopp-Signale setzen. Dazu braucht es einen hohen Ermittlungsdruck und schnelle Verfahren mit spürbaren Konsequenzen. Es gilt, die Menschen in unserem Land zu schützen, die Rassismus, Judenhass, islamistische Gewalt, Rechtsextremismus und Linksextremismus durch Anfeindungen und Bedrohungen erleben müssen.“
Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamts: „Die politisch motivierte Kriminalität hat sich innerhalb von zehn Jahren fast verdoppelt und nimmt weiter zu. In Teilen der Bevölkerung bestehen Radikalisierungstendenzen: Diese reichen bis hin zu einer versuchten Delegitimierung des Staates und seines Gewaltmonopols. Diese Entwicklung müssen wir sehr ernst nehmen, denn sie bedroht unsere Demokratie und unseren gesellschaftlichen Frieden. Deswegen legt die Polizei in Bund und Ländern weiterhin eine hohe Priorität auf die Bekämpfung der politisch motivierten Kriminalität. Wichtig ist dabei ein ganzheitlicher Ansatz: Das BKA legt hier Schwerpunkte auf die Erkennung von Personen und Netzwerken sowie auf die Bekämpfung der digitalen Hasskriminalität. Dass die Zahl der Hasspostings stark gestiegen ist, ist auch ein Ergebnis der stark gestiegenen Eingänge in der Zentralen Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet. Hier zeigt sich: Die Strafverfolgung wird effektiver. Daran müssen wir anknüpfen, um Hass im Netz zu stoppen und damit auch reale Gewalt zu verhindern.“
Die meisten politisch motivierten Straftaten im Jahr 2023 wurden im Phänomenbereich PMK -rechts- begangen. Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Zahl der Straftaten um ca. 23 Prozent auf 28.945 Straftaten. 1.270 dieser Straftaten waren Gewaltdelikte, das entspricht einer Steigerung um 8,6 Prozent gegenüber 2022.
2023 haben die Straftaten gegen Geflüchtete erneut deutlich zugenommen. Die Polizeibehörden registrierten 2.488 Straftaten gegen Asylbewerber, darunter 321 Gewalttaten. Das entspricht insgesamt einem Anstieg um 75 Prozent, bei den Gewalttaten um 15 Prozent. Außerdem wurden 179 Straftaten gegen Asylunterkünfte registriert. Das ist eine Steigerung von ca. 50 Prozent zum Vorjahr. Fast 90 Prozent dieser politisch motivierten Straftaten gegen Asylbewerber oder ihre Unterkünfte wurden im Phänomenbereich PMK -rechts- erfasst.
Stark angestiegen sind in diesem Jahr die Straftaten im Phänomenbereichen PMK -ausländische Ideologie-, nämlich um 33 Prozent auf 5.170 Taten, und im Phänomenbereich PMK -religiöse Ideologie- sogar um rund 200 Prozent auf 1.458 Straftaten. In beiden Bereichen haben auch Gewalttaten deutlich zugenommen. Hier ist festzustellen, dass die Entwicklungen im Nahen Osten nach den Anschlägen der Terrororganisation Hamas gegen den Staat Israel vom 7. Oktober 2023 erhebliche Auswirkungen auf die Straftatenentwicklung in Deutschland haben.
Erkennbar ist dies auch an den antisemitischen Straftaten, die mit 5.164 Delikten (davon 148 Gewalttaten) einen neuen Höchststand erreicht haben. Der massive Anstieg (2022: 2.641, davon 88 Gewalttaten) ist vor allem auf den Anstieg nach dem 7. Oktober 2023 zurückzuführen.
Insgesamt ist im Bereich der Hasskriminalität ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen. Diese ist im Jahr 2023 um knapp 48 Prozent auf rund 17.000 Fälle angestiegen.
Im Themenfeld „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ wurden 2023 phänomenübergreifend 1.300 Straftaten erfasst, das entspricht einem Rückgang von ca. 30 Prozent gegenüber 2022. Delikte wie Beleidigung, Nötigung und Erpressung sind teilweise deutlich zurückgegangen, was darauf zurückgeführt werden kann, dass die Sicherheitsbehörden verstärkt mit Maßnahmen gegen Personen aus diesem Spektrum vorgegangen sind.
Die registrierten Straftaten im Phänomenbereich PMK -links– sind um gut 11 Prozent auf 7.777 Straftaten angestiegen. Die Zahl der Gewaltdelikte ist auf insgesamt 916 Straftaten angestiegen. Etwa der Anstieg von Brandstiftungen um zwei Drittel auf 117 Delikte weist auf das erhöhte Gefährdungspotenzial der Szene hin.
2023 wurden 322 frauenfeindliche Straftaten erfasst (2022: 206), darunter 29 Gewaltdelikte. Im Themenfeld „Geschlechtsbezogene Diversität“ wurden 854 Straftaten erfasst (2022: 417), 117 davon Gewaltdelikte. Im Themenfeld „Sexuelle Orientierung“ wurden 1.499 Straftaten erfasst (2022: 1.005), davon 288 Gewaltdelikte.
Im Phänomenbereich PMK -sonstige Zuordnung- ist der einzige Rückgang von Straftaten von 24.080 um gut 30 Prozent auf 16.678 Straftaten zu verzeichnen, was insbesondere auf den Rückgang des Protestgeschehens im Zusammenhang mit den Schutzmaßnahmen gegen die Corona-Pandemie zurückzuführen ist.
Der Rückgang der politisch motivierten Gewalttaten um insgesamt ca. 12 Prozent auf 3.561 Delikte ist ausschließlich auf den Rückgang der Gewaltdelikte im Phänomenbereich PMK -sonstige Zuordnung- (-50,62 %) zurückzuführen. In allen anderen Phänomenbereichen ist die Anzahl der Gewaltdelikte in 2023 gestiegen.
Die Zahl der durch politisch motivierte Gewaltkriminalität gesundheitlich geschädigten Personen ist im Vergleich zum Vorjahr um 5,96 % (2023: 1.759; 2022: 1.660) gestiegen. Davon wurden 714 Personen (2022: 675) durch rechtsmotivierte Gewalt, 327 Personen (2022: 228) durch linksmotivierte Gewalt, 312 Personen (2022: 188) durch Gewalt im Phänomenbereich PMK -ausländische Ideologie-, 69 Personen (2022: 23) im Bereich der PMK -religiöse Ideologie- und 337 Personen (2022: 546) im Phänomenbereich PMK -sonstige Zuordnung- verletzt.
Politisch motivierte Tötungsdelikte sind um etwas mehr als das Doppelte angestiegen. Wurden 2022 noch neun versuchte Tötungsdelikte gezählt, waren es 2023 siebzehn versuchte und drei vollendete Tötungsdelikte.
Die Statistik zur politisch motivierten Kriminalität 2023 ist unter www.bmi.bund.de/pmk2023 abrufbar.
(c) BMI, 21.05.2024