Die Niedersächsische Ministerin für Inneres und Sport, Daniela Behrens, und die Niedersächsische Justizministerin, Dr. Kathrin Wahlmann, haben am heutigen Montag (18.11.2024) gemeinsam das Lagebild der Justiz und der Polizei „Organisierte Kriminalität in Niedersachsen 2023“ vorgestellt.

Wesentliche Inhalte des Lagebildes

Die niedersächsische Polizei führte im letzten Jahr mit 68 Ermittlungsverfahren exakt so viele wie im Vorjahr. Zuzüglich 19 weiterer Ermittlungskomplexe (16x Zoll; 3x Bundespolizei) wurden im Auftrag niedersächsischer Staatsanwaltschaften insgesamt 87 OK-Verfahren bearbeitet. Hierbei ging es zum größten Teil um den internationalen Rauschgifthandel und -schmuggel (46 Verfahren).

Innenministerin Behrens erklärt dazu: „Die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität ist für Justiz und Polizei in Niedersachsen eine dauerhafte und zentrale Schwerpunktaufgabe. Dabei geht es nicht nur umdie Verfolgung von Straftaten, sondern auch um den Schutz unserer Grundwerte und die Verteidigung unserer Gesellschaft gegen eine Parallelwelt krimineller Strukturen. OK-Gruppierungen streben nicht nur nach finanziellem Gewinn, sondern auch nach Macht. Es ist die Pflicht des Staates, dieses Streben konsequent zu unterbinden! Im Bundesvergleich nimmt Niedersachsen wiederholt den zweiten Platz bei der Anzahl der geführten Verfahren ein. Das zeigt, dass wir den Ermittlungsdruck hochhalten und den kriminellen OK-Netzwerken das Leben schwer machen.“    

Justizministerin Wahlmann sagt: „Wie schlagkräftig die niedersächsische Justiz im Kampf gegen Organisierte Kriminalität vorgeht, zeigen die Verfahrenszahlen deutlich. 135 staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren und 45 gerichtlichen Erledigungen belegen, dass die Kolleginnen und Kollegen bei den Staatsanwaltschaften und Gerichten mit vollem Einsatz und großem Engagement gegen die Täterinnen und Täter vorgehen und sie konsequent vor Gericht bringen.“

Insgesamt wurde in diesen 87 OK-Verfahren (Landespolizei Niedersachsen und Bund) gegen 736 Tatverdächtige aus 49 verschiedenen Staaten ermittelt. Tatverdächtige deutscher Nationalität stellten dabei mit 43 Prozent den größten Anteil, gefolgt von albanischen Staatsangehörigen mit 10 Prozent und türkischen Staatsangehörigen mit 9,1 Prozent.

Der hochgerechnete Gesamtschaden der OK lag im Jahr 2023 mit 114 Mio. Euro deutlich unter dem Schadensniveau von 468 Mio. Euro im Jahr 2022. Hier nehmen im mehrjährigen Verlauf immer wieder herausragende Einzelverfahren mit Schadenssummen von zum Teil über 100 Mio. Euro in einem Einzelverfahren erheblichen Einfluss auf die Statistik.

Ebenfalls stark zurückgegangen sind die errechneten Gewinne der OK, die in 2023 bei etwa 15 Mio. Euro lagen. Die durch die Sicherheitsbehörden abgeschöpfte Summe in Höhe von ca. 3 Mio. Euro ist im mehrjährigen Vergleich zwar mit Blick auf die absoluten Zahlen gering, stellt angesichts einer Abschöpfungsquote von 19,49 % im Hinblick auf den Ertrag aber ein sehr gutes Ergebnis dar, welches die Quoten der vergangenen Jahre deutlich übertrifft.

„Unser Ziel ist und bleibt es, den organisierten Täterstrukturen ihr schmutziges Geschäft so unattraktiv wie möglich zu machen, indem wir ihnen die kriminell erlangten Gewinne entziehen. Eine Herausforderung ist dabei vor allem die zunehmende Nutzung von Kryptowährungen. Damit wird die Herkunft von Vermögenswerten immer effektiver verschleiert. Darauf stellen wir uns mit entsprechenden Softwaretools zur Nachverfolgung der Verschiebung virtueller Währungen, mit spezialisierten Aus- und Fortbildungsmodulen der Polizeiakademie Niedersachsen sowie einem Netzwerk von IT-Spezialisten, IT- Forensikern und Spezialisten für Financial Intelligence vorbildlich und vorausschauend ein. Gerade in diesem Bereich müssen wir jedoch pausenlos weitere Anstrengungen unternehmen, um auch zukünftig immer auf Ballhöhe zu bleiben“, so die Innenministerin weiter.

Schwerpunkte der OK

Internationaler Rauschgifthandel/-schmuggel

Der alles überragende Bearbeitungsschwerpunkt sowohl auf Seiten der Polizei, als auch auf Seiten der Justiz lag auch 2023 mit 46 OK-Verfahren in der Bekämpfung der internationalen Rauschgiftkriminalität.

Kriminelle Drogenbanden agieren im Wesentlichen überregional und international. Daher arbeiten die niedersächsischen Polizeibehörden eng mit den Bundesbehörden wie z. B. dem Bundeskriminalamt (BKA) und internationalen Partnern zusammen. Denn insbesondere im Bereich der Rauschgiftkriminalität nutzen kriminelle OK-Gruppie­rungen immer intensiver Vertriebswege über See- und Lufttransporte beim Postversand sowie weitere Möglichkeiten über das Inter­net und Darknet.

Gerade der Einfuhrschmuggel über die Seehäfen stellt aufgrund der Lage Niedersachsens als Nordsee-Anrainer einen besonderen Bearbeitungsschwerpunkt für die niedersächsischen Sicherheitsbehörden dar. Diesbezüglich beteiligt sich Niedersachsen an der European Ports Alliance und intensiviert die Kooperation zwischen der niedersächsischen Hafensicherheit und den OK-Fachdienststellen der Polizei.

Engmaschig beobachtet werden auch die Auswirkungen des zum 1. April 2024 in Kraft getretenen Gesetzes zum Umgang mit Konsumcannabis (KCanG). Eine valide Aussage zu Auswirkungen im Hinblick auf den illegalen OK-Rauschgifthandel ist zum derzeitigen Zeitpunkt indes noch nicht darstellbar. Die Sicherheitsbehörden gehen allerdings davon aus, dass der Cannabis-Handel auch weiterhin ein lukrativer Markt für OK-Strukturen sein wird und diese bestrebt sein dürften, ihre Einnahmequellen zu behaupten und zu verteidigen.

Geldautomatensprengungen 

In Niedersachsen wurde im Jahr 2023 mit insgesamt 39 Taten ein sehr erfreulicher Rückgang um 42,6 % der Fallzahlen verzeichnet. Hierbei wurden 27 Taten vollendet, bei 12 handelte es sich um Versuchstaten ohne Beuteerlangung. Der positive Trend setzt sich aktuell für 2024 mit derzeit lediglich 17 Taten (12 Vollendungen, 5 Versuche) fort. Der konsequent umgesetzte, ganzheitliche 5-Punkte-Plan als niedersächsischer Bekämpfungsansatz aus Einsatzbewältigung, Ermittlungen, Analyse, Prävention und Öffentlichkeitsarbeit zeigt entsprechend Wirkung.

Wahlmann: „Gerade im Bereich der Geldautomatensprengungen konnten wir in Niedersachsen riesige Erfolge erzielen. Mit noch 39 Geldautomatensprengungen haben wir im Vergleich zum Vorjahr einen Rückgang um mehr als 40% erreichen können. Damit haben wir unter Beweis gestellt, dass unser Ansatz einer ganzheitlichen Bekämpfung dieser hochgefährlichen Taten wirkt. Insbesondere die bei der Staatsanwaltschaft Osnabrück angesiedelte Zentralstelle hat sich als wirklich schlagkräftige und effektive Ermittlungseinheit gezeigt.“

Zusätzlich wirken sich die Anstrengungen zur Erhöhung der Sicherungs- und Schutzmaßnahmen an Geldausgabeautomaten (GAA) im Hinblick auf ein möglichst flächendeckendes Mindestschutzniveau aller GAA-Standorte in Niedersachsen positiv aus. Hierzu setzt das Ministerium für Inneres und Sport den kontinuierlichen Austausch mit Vertretenden der Bankenwirtschaft fort. So fand am 13.11.2024 bereits das sechste Gespräch mit Vertretungen von Banken und Sparkassen statt. Mittlerweile ist hier ein sehr gutes Miteinander etabliert – Banken und Sparkassen sowie die Polizei sind sich ihrer jeweiligen Verantwortung bewusst und nehmen diese konsequent wahr. Ziel ist es, die Anzahl der entsprechenden Delikte weiter zu reduzieren.

Im Zusammenhang mit GAA-Sprengungen wird auch die Thematik „Handel und Umgang mit illegaler Pyrotechnik“ verstärkt in den Fokus genommen. Niedersachsen arbeitet auf dem Gebiet der illegalen Pyrotechnik eng mit der Polizei der Niederlande sowie der Polizei Nordrhein-Westfalen zusammen, um den illegalen Handel mit Pyrotechnik zu verfolgen und einzudämmen. Eine niederländische Initiative zur Änderung der maßgeblichen EU-Richtlinie zum Umgang mit und Erwerb von Pyrotechnik wird auch von Niedersachsen unterstützt. 

Kryptierte Kommunikation

Nahezu ein Drittel – 21 von 68 OK-Verfahren – resultierte in 2023 aus Erkenntnissen kryptierter Kommunikation. Bei den bereits erwähnten 46 OK-Rauschgiftverfahren wurden sogar 50 % (23 Verfahren) aus der Auswertung kryptierter Kommunikation generiert. Die Verlagerung der OK in digitale Rückzugsräume wie das Darknet oder die Nutzung von Kryptomessengern hält ungebrochen an. Die Analyse und Auswertung entschlüsselter Kryptokommunikation wird deshalb auch weiterhin einenwichtigen Beitrag zur Zerschlagung von OK-Strukturen und -Netzwerken leisten.  

Neuausrichtung der niedersächsischen OK-Bekämpfung

Täterstrukturen der OK agieren flexibel, arbeitsteilig, multiethnisch, international vernetzt und unter Nutzung modernster (Kommunikations-)Technologien. Neue Märkte werden frühzeitig erschlossen, neue technische Möglichkeiten konsequent zur Tatbegehung genutzt. Um diesen Entwicklungen wirkungsvoll zu begegnen, müssen die Sicherheitsbehörden frühzeitig Veränderungen, neue Modi Operandi, aufwachsende Tätergruppierungen und eingesetzte Technologien detektieren und mittels geeigneter rechtlicher, technischer sowie personeller Maßnahmen und Ressourcen dagegen vorgehen.

Hierzu Innenministerin Daniela Behrens: Das LKA Niedersachen richtet aktuell in Abstimmung mit dem Innenministerium eine Niedersächsische Plattform zur OK-Bekämpfung ein, die wir analog zur BKA-Plattform ins Leben gerufen haben. Hiermit setzen wir die Nationale OK-Bekämpfungsstrategie in Niedersachsen konsequent um. Über die gemeinsame Plattform bündeln wir die Informationen und Kompetenzen, um eine rasche und gezielte Reaktion auf neue Bedrohungen sicherzustellen. Zugleich haben wir durch die Einrichtung von Ständigen Ermittlungsgruppen (SEG) in jeder Polizeiinspektion dafür gesorgt, dass die Bekämpfung Komplexer Krimineller Strukturen (KKS) landesweit und flächendeckend gut aufgestellt ist. Wir zeigen damit, dass wir entschlossen sind, die OK nicht nur in den städtischen Zentren, sondern auch auf dem Land einzudämmen. Ein weiterer wichtiger Schritt wird sein, den Rechtsrahmen für den Einsatz neuer IT-Technologien zur Gefahrenabwehr zu überarbeiten und wichtige Rechtsgrundlagen ausdrücklich zu regeln. Was das niedersächsische Landesrecht angeht, werden wir hierzu einen Entwurf zur Änderung des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes vorlegen.“

(c) IM Niedersachsen, 18.11.2024

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