„Baden-Württemberg ist auch 2023 ein sehr sicheres Land. Im Jahr 2023 notiert die Polizei in der Polizeilichen Kriminalstatistik 4.952 Straftaten je 100.000 Einwohner, wenn man Verstöße gegen das Ausländerrecht außen vor lässt. Das ist der zweitniedrigste Wert bei der Kriminalitätsbelastung in den letzten 20 Jahren – abgesehen von den pandemiegeprägten Jahren 2020 und 2021. 61,2 Prozent und damit ein Großteil dieser Straftaten wird aufgeklärt. Hier sind wir nochmals besser geworden und haben im Vergleich zum Vorjahr 1,4 Prozentpunkte, also über 25.000 Straftaten, mehr aufgeklärt. Freilich machen sich auch die aktuellen Flüchtlingsströme und die wirtschaftliche Situation bei der Kriminalitätsentwicklung bemerkbar“, sagte der Stv. Ministerpräsident und Innenminister Thomas Strobl am heutigen Donnerstag (11. April 2024) bei der Vorstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik und des Sicherheitsberichts 2023.
Die Anzahl der in Baden-Württemberg erfassten Gesamtstraftaten ist im Jahr 2023 mit knapp 595.000 Fällen um 45.000 Fälle oder rund acht Prozent angestiegen. Der Anstieg ist maßgeblich auf ausländerrechtliche Verstöße zurückzuführen, die im Jahr 2023 um fast zwei Drittel angestiegen sind und mit über 36.000 Fällen einen Höchststand verzeichnen (2022: 21.960 Fälle). Ausländerrechtliche Verstöße umfassen unter anderem die illegale Einwanderung und den illegalen Aufenthalt, also Straftatbestände, die naturgemäß mit der aktuellen Zuwanderungsbewegung einhergehen und keine unmittelbare Auswirkung auf die objektive und subjektive Sicherheit der Menschen entfalten.
Die Straftaten der sogenannten Allgemeinkriminalität – also ohne ausländerrechtliche Verstöße – liegen mit rund 559.000 Fällen, trotz eines leichten Anstiegs, etwa auf dem Niveau der Vor-Pandemie-Jahre 2017 bis 2019 und weiterhin unter dem Niveau der Jahre vor 2017. Der Anstieg um fast sechs Prozent im Vergleich zum Vorjahr ist maßgeblich auf Zunahmen beim Ladendiebstahl, beim Erschleichen von Leistungen – vor allem dem sogenannten Schwarzfahren – und bei vorsätzlichen, einfachen Körperverletzungen zurückzuführen. In diesen Deliktsbereichen klärt die Polizei mehr als neun von zehn Fällen auf.
„Die wirtschaftliche Situation, vor allem die hohe Inflation und die anfängliche Ressourcenmangellage dürften bei der Entwicklung der Kriminalitätslage im Jahr 2023 eine Rolle gespielt haben. Das zeigt sich beispielsweise bei der Entwicklung des Ladendiebstahls und des Tankbetrugs“, ordnete Innenminister Thomas Strobl die Entwicklung ein. So verzeichnet die Polizeiliche Kriminalstatistik mit einem Plus von über 9.000 Fällen insgesamt 47.052 Ladendiebstähle. Dabei haben es die Diebe vor allem auf Kosmetik, Lebensmittel, Alkoholika, Hygieneartikel und Kleidung abgesehen. Der Tankbetrug ist um über 2.000 Straftaten auf 10.625 Fälle angestiegen.
Sicherheit im öffentlichen Raum
„Sicherheit ist ein elementares Bedürfnis der Menschen, vor allem auf unseren Straßen, Wegen und Plätzen. Gewalttaten, Aggressionsdelikte und Sexualdelikte können das Sicherheitsgefühl der Menschen beeinträchtigen. Deshalb tun wir alles, um solche Taten einzudämmen, zu bekämpfen und die Täterinnen und Täter konsequent zur Rechenschaft zu ziehen“, führte Minister Thomas Strobl an.
Knapp 44 Prozent aller Straftaten ohne ausländerrechtliche Verstöße finden im öffentlichen Raum statt. Diese Straftaten steigen im Vergleich zum Vorjahr um etwa sechs Prozent an. Mit rund 244.000 Fällen liegen sie leicht über dem Niveau des Vor-Corona-Jahres 2019 und gut fünf Prozent unterhalb des letztmaligen Höchststandes im Jahr 2015 mit damals fast 258.000 Fällen. Den größten Anteil dieser Straftaten nehmen mit 26,4 Prozent Diebstahlsdelikte ein, gefolgt von Vermögens- und Fälschungsdelikten mit anteilig 21,4 Prozent, Sachbeschädigungen mit 14,3 und Aggressionsdelikte mit zwölf Prozent.
Aggressionsdelikte im öffentlichen Raum nehmen um etwa neun Prozent auf rund 29.000 Fälle zu und liegen damit auf einem Zehnjahreshoch. Fast 82 Prozent dieser Taten wurden aufgeklärt – das sind mehr als acht von zehn Taten. Den größten Anteil der Aggressionsdelikte im öffentlichen Raum machen mit circa 60 Prozent vorsätzliche einfache bzw. leichte Körperverletzungen aus.
Mit knapp 3.000 Fällen ereignen sich rund ein Viertel aller Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung im öffentlichen Raum. Nahezu sieben von zehn Taten klärt die Polizei auf (68,8 Prozent). Im Vergleich zum Vorjahr sind diese Straftaten um sechs Prozent bzw. 169 Fälle angestiegen. Fast jedes dritte Sexualdelikt im öffentlichen Raum ist eine sexuelle Belästigung.
Die Zuwanderung hat auch Auswirkungen auf die Sicherheitslage in Baden-Württemberg. Bei etwa jedem siebten Tatverdächtigen von Straftaten im öffentlichen Raum (ohne ausländerrechtliche Verstöße) handelt es sich um einen Asylsuchenden oder Geflüchteten. Im Vergleich zum Vorjahr sind diese um 55 Prozent auf rund 14.500 Tatverdächtige angestiegen. „Die Flüchtlingsbewegung macht auch nicht an unserer Kriminalitätsstatistik halt. Im Gegenteil: Die steigenden Zahlen bei der Migration sind auch in der Statistik angekommen“, betonte Innenminister Thomas Strobl.
Messerangriffe im öffentlichen Raum
„Mit der Polizeilichen Kriminalstatistik 2023 können wir zum ersten Mal genau und belastbar die Zahlen der Messerangriffe vergleichen. Wir haben es jetzt erstmalig schwarz auf weiß: Im Vergleich zum Jahr 2022 haben die Straftaten im öffentlichen Raum, bei denen eine Person unmittelbar mit einem Messer bedroht, verletzt oder gar getötet wurde, um 13,5 Prozent zugenommen. Das zeigt: Es war höchste Eisenbahn, dass die Innenministerkonferenz auf meinen Vorschlag hin eine bundesweit einheitliche Statistik zu Messerangriffen eingeführt hat“, sagte Innenminister Thomas Strobl.
Die Messerangriffe im öffentlichen Raum steigen um 13,5 Prozent auf 1.295 Fälle an. 35,4 Prozent davon sind Bedrohungen, 34,5 Prozent gefährliche Körperverletzungen und 23 Prozent Raubdelikte. Im Bereich Mord und Totschlag gehen die Zahlen deutlich um knapp acht Prozent zurück. Mehr als sieben von zehn Messerangriffen im öffentlichen Raum werden aufgeklärt.
Anfang Oktober 2022 hat das Land den Weg freigemacht – dort wo es die Sicherheitslage erfordert – Waffen- und Messerverbotszonen einzurichten – und damit für mehr Sicherheit im öffentlichen Raum zu sorgen. Bislang haben die Städte Stuttgart und Mannheim davon Gebrauch gemacht. „Die Menschen in Baden-Württemberg sollen sicher sein und sich sicher fühlen – gerade im öffentlichen Raum. Jedes abgenommene Messer ist dabei ein Sicherheitsgewinn für die Bürgerinnen und Bürger und kann vor schwersten Straftaten schützen“, sagte Minister Thomas Strobl.
Entwicklung der Jugendkriminalität
2023 verzeichnet die Polizei bei der Jugendkriminalität rund acht Prozent mehr Tatverdächtige als im Vorjahr. Das heißt: Unter 21-Jährige begehen 2023 mehr Straftaten. Das entspricht mit rund 52.700 Tatverdächtigen in etwa dem Vor-Corona-Niveau im Jahr 2019. Diese Entwicklung ist in erster Linie auf einen Anstieg bei Tatverdächtigen Asylbewerberinnen und Asylbewerbern sowie Flüchtlingen unter 21 Jahren zurückzuführen, die um rund 77 Prozent auf rund 6.500 Tatverdächtige zunehmen. Etwa zwei von drei Tatverdächtigen unter 21 Jahren sind deutsch.
Der Schwerpunkt der Jugendkriminalität liegt mit rund einem Drittel vor allem beim Diebstahl, insbesondere dem Ladendiebstahl. Fast jeder fünfte Fall ist ein Aggressionsdelikt und 14 Prozent stellen Betrugsdelikte dar. Der Einfluss von Alkohol verliert bei jungen Täterinnen und Tätern zunehmend an Bedeutung. Lediglich sechs Prozent der unter 21-jährigen Tatverdächtigen standen unter Alkoholeinfluss, damit hat sich die Anzahl im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 nahezu halbiert.
Von den insgesamt rund 52.700 Tatverdächtigen unter 21 Jahren sind rund ein Viertel Mehrfachtäterinnen und Mehrfachtäter mit mindestens zwei Straftaten, rund vier Prozent mit mindestens fünf und etwa ein Prozent (rund 570) mit mindestens zehn Straftaten. „Ein kleiner Anteil junger Menschen ist für eine Vielzahl von Straftaten verantwortlich. Hier setzen wir ganz gezielt an“, so Minister Thomas Strobl. Im vergangenen Jahr hat deshalb das Programm zum Umgang mit „Besonders auffälligen jungen Straftäterinnen und Straftätern“ (kurz BajuS) das bisherige Initiativprogramm für „Jugendliche Intensivtäter (JugIT)“ bei der Polizei abgelöst. „Wir orientieren uns seitdem bei der Bewertung des straffälligen Handelns von Kindern und Jugendlichen an Faktoren wie beispielsweise der Verletzung der Opfer, dem verwendeten Tatmittel oder dem Alter der Straffälligen. Dadurch rücken Kinder und Jugendliche früher in den Fokus, deren Verhalten gerade nicht durch sogenannte Kavaliersdelikte gekennzeichnet ist“, erklärte Minister Thomas Strobl und führte weiter aus: „Zusätzlich sorgt das Programm BajuS für eine noch bessere Abstimmung notwendiger Maßnahmen zwischen den beteiligten Akteuren wie Staatsanwaltschaft und Jugendamt. Das stärkt insbesondere auch das Verständnis aller betroffenen Stellen und Institutionen im Umgang mit Kindern und Jugendlichen. Besonders wichtig ist es, die Ursachen für den Anstieg der Jugendkriminalität zu untersuchen und zu verstehen. Fest steht: Wir wollen kriminelle Karrieren erst gar nicht entstehen lassen und frühzeitig gegensteuern.“
Gewalt gegen Einsatzkräfte
Im Jahr 2023 sind die Gewalttaten gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte um 8,5 Prozent auf fast 6.000 Fälle angestiegen. 3.002 Polizistinnen und Polizisten werden hierbei verletzt, das sind 11,7 Prozent mehr als im Vorjahr. Beides markiert neue Höchstwerte: Seit dem Jahr 2014 sind die Gewalttaten gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte um fast 60 Prozent und die hierbei verletzten Polizistinnen und Polizisten um nahezu 70 Prozent angestiegen.
Die Gewalttaten gegen Rettungskräfte von Feuerwehren und Rettungsdiensten steigen um elf auf 236 Fälle. Die Zahl der hierbei verletzten Rettungskräfte nimmt um sieben auf 111 Verletzte zu. Auch diese beiden Werte markieren neue Höchststände. In den letzten zehn Jahren haben sich die Gewalttaten gegen Rettungskräfte damit mehr als verdoppelt, die Zahl der verletzten Rettungskräfte ist um gut 60 Prozent angestiegen.
Minister Thomas Strobl verurteilt die Gewalt gegen Einsatzkräfte mit deutlichen Worten: „Wir müssen die schützen, die uns schützen. Die zunehmende Gewalt gegen Einsatzkräfte ist keine Eintagsfliege, sie zieht sich schon länger und ist auf einem alarmierenden Niveau. Das dürfen wir nicht hinnehmen, dem müssen wir uns alle mit aller Macht entgegenstellen. Die feindselige Grundhaltung gegenüber Polizistinnen und Polizisten und Einsatzkräften, die durch die Gewalt zum Ausdruck kommt, ist besorgniserregend und muss Anlass für uns sein, weiter zu handeln und hier nicht nachzulassen. Deshalb dränge ich nach wie vor darauf, das Mindeststrafmaß für tätliche Angriffe von derzeit drei auf sechs Monate anzuheben. Hier ist der Bundesgesetzgeber gefordert – ich kann nur hoffen, dass er seiner sicherheitspolitischen Verantwortung an dieser Stelle nachkommt.“
Baden-Württemberg tritt dem Phänomen Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte bereits entschlossen entgegen:
- mit einer verbesserten Ausstattung – beispielsweise der landesweit eingeführten Bodycam, die die Entstehung von Gewalt verhindern und in einem frühen Stadium zur Deeskalation beitragen soll.
- mit einer optimierten Aus- und Fortbildung.
- mit der Übernahme von Schmerzensgeldansprüchen für Beamtinnen und Beamte. Baden-Württemberg hat bereits 2018 die Schmerzensgeldübernahme geregelt und war hier Vorreiter mit der damals beamtenfreundlichsten Ausgestaltung bundesweit. Anfang 2024 hat der Ministerrat eine Ausweitung der Schmerzensgeldregelung bei delikts- und schuldunfähigen oder unbekannten Tätern auf den Weg gebracht, damit der Dienstherr auch in solchen Fällen für eine angemessene Entschädigung Sorge trägt.
- mit präventiven Maßnahmen, wie das im Jahr 2022 initiierte landesweite Präventionsprogramm „Respekt ist ein Bumerang“, das gezielt junge Menschen hinsichtlich Respekt, Verständnis sowie Akzeptanz gegenüber polizeilichen Maßnahmen anspricht.
Entwicklung der Politisch motivierten Kriminalität
Die Entwicklung der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) hängt besonders eng mit den gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen zusammen.
Im Jahr 2023 ist ein Rückgang der Fallzahlen um über 1.300 Fälle zu verzeichnen. Das sind im Vergleich zum Jahr 2022 beinahe ein Viertel weniger Straftaten. Diese Entwicklung ist vor allem auf einen Rückgang der Taten im Kontext der Corona-Pandemie und des Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine zurückzuführen.
Dieser insgesamt positiven Entwicklung stehen die Ausschreitungen im Zusammenhang mit einer Veranstaltung eines eritreischen Vereins in Stuttgart sowie Gewalttaten im Nachgang zum Wahlergebnis der türkischen Präsidentenwahl gegenüber, die maßgeblich zu einem Anstieg der Gewaltdelikte im Bereich der Politisch motivierten Kriminalität beigetragen haben. „Gewalttäter bekommen die ganze Härte des Rechtsstaats zu spüren. Gewalt ist und darf kein Mittel sein, um ideologische Überzeugungen durchzusetzen oder politische Ziele zu erreichen. Jede Gewalttat ist auch ein Angriff auf unsere freiheitlich-demokratischen Werte. Deshalb verfolgen wir jede einzelne Tat konsequent und akribisch“, betonte Minister Thomas Strobl.
Der Phänomenbereich der PMK -ausländische Ideologie- ist deutlich von Entwicklungen im Ausland abhängig. So trägt auch der Terroranschlag der Hamas auf den Staat Israel am 7. Oktober 2023 maßgeblich zur Zunahme an Delikten in diesem Phänomenbereich bei. Insgesamt steigen im Phänomenbereich -ausländische Ideologie- die Delikte von 522 auf 687 im Vergleich zum Jahr 2022 an. Seit dem 7. Oktober 2023 hat die Polizei 315 antisemitisch motivierte Straftaten mit unmittelbarem Bezug zum Nahostkonflikt in Baden-Württemberg registriert, davor waren es lediglich zwei Straftaten. Dies erklärt den Anstieg antisemitischer Straftaten auf einen Höchststand von 668 Fällen im Zehnjahresvergleich. „Ein aktives und freies jüdisches Leben in Baden-Württemberg müssen und werden wir schützen. Die Sicherheit der jüdischen Einrichtungen und der jüdischen Menschen liegen uns am Herzen“, so Innenminister Thomas Strobl.
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Der Sicherheitsbericht 2023 ist unter nachfolgendem Link auf der Homepage des Ministeriums des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen abrufbar: https://im.baden-wuerttemberg.de/de/service/publikation/did/sicherheitsbericht-2023-1
(c) IIM Baden-Württemberg, 11.04.2024