Der Bayerische Landtag hat heute in Zweiter Lesung ein Gesetz zur Änderung des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes (BayVSG) beschlossen: „Mit der ab 1. August 2023 geltenden neuen Rechtslage setzen wir die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts aus seinem Grundsatzurteil vom April 2022 um und gestalten die Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz verfassungskonform aus.“ Das Gericht hat damals die Befugnisse des Verfassungsschutzes im Kern nicht beanstandet, allerdings im Einzelnen vom Gesetzgeber Nachbesserungen bis zum 31. Juli 2023 gefordert. In Richtung des Bundes fordert der Bayerische Innenminister: „Bayern hat seine Hausaufgaben gemacht. Nunmehr sollte auch das Verfassungsschutzgesetz des Bundes zügig anhand der in Bayern erarbeiteten Ergebnisse auf den aktuellen Stand der höchstrichterlichen Rechtsprechung gebracht werden.“
In seinem Grundsatzurteil hatte das höchste deutsche Gericht klargestellt, dass der Verfassungsschutz einen wesentlichen Baustein der wehrhaften Demokratie bildet. Erstmals hatte es dabei umfassende verfassungsrechtliche Maßstäbe für die Befugnisse der Verfassungsschutzbehörden in Deutschland entwickelt. Weder auf Bundes- noch auf Landesebene gab es bisher ein Verfassungsschutzgesetz, das den neuen richterlichen Vorgaben vollends entsprach.
Das Gericht fordert unter anderem, die „Beobachtungsbedürftigkeit“ verfassungsfeindlicher Bestrebungen nach ihrer Dringlichkeit in mehrere Stufen einzuteilen. Anhand dieser Stufen sei zu bestimmen, welche nachrichtendienstlichen Mittel eingesetzt werden können. „Wir haben nunmehr künftig ein fein ausdifferenziertes System zur Bewertung des von Verfassungsfeinden ausgehenden Bedrohungspotenzials, das sich auf die Kriterien stützt, die das Bundesverfassungsgericht hierfür benannt hat“, erläuterte Herrmann. Entscheidend komme es auf die Bereitschaft zur Begehung von Straftaten, das Maß der Abschottung und den gesellschaftlichen Einfluss der jeweiligen Bestrebung an. Eingriffsintensivere Maßnahmen bedürfen außerdem künftig einer vorherigen richterlichen Anordnung. Dies war bisher bereits bei der Wohnraumüberwachung und Online-Datenerhebung vorgeschrieben und ist nun auch für längerfristige Observationen sowie den Einsatz von verdeckten Mitarbeitern und Vertrauensleuten erforderlich.
Für die Zusammenarbeit des Landesamts für Verfassungsschutz mit anderen Behörden hat das Bundesverfassungsgericht sehr enge Grenzen gezogen: Die Polizei darf nur bei einer konkretisiertenGefahr für höchste Rechtsgüter informiert werden. Eine Übermittlung zur Strafverfolgung setzt eine besonders schwere Straftat voraus. „Wie unter anderem die Untersuchungsausschüsse zum NSU und zu Anis Amri eindeutig gezeigt hätten, brauchen wir aber gerade mehr Informationsaustausch.“ so Herrmann. Dem Bayerischen Landtag sei es hier im Gesetzgebungsverfahren in einer sehr konstruktiven parteiübergreifenden Zusammenarbeit gelungen, auf der Grundlage der Expertise renommierter Sachverständiger eine praxisgerechte und überzeugende Lösung zu entwickeln, die unterBeachtung der Rechtsprechung den notwendigen Informationsaustausch zur Verfolgung von Staatsschutzdelikten weiter ermöglicht.
Herrmann weiter: „Das Ergebnis des Gesetzgebungsverfahrens kann sich sehen lassen. Der Bund sollte sich nun bei der anstehenden Novelle des Bundesverfassungsschutzgesetzes die Ergebnisse, die wir hier gemeinsam erarbeitet haben, zum Vorbild machen.“ Das Bundesverfassungsschutzgesetz muss aufgrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 28. September 2022 bis spätestens Ende des Jahres in Teilen ebenfalls überarbeitet werden.
(c) IM Bayern, 19.07.2023