Die Durchführung eines Volksbegehrens zur Einführung des neuen neunjährigen Gymnasiums ist nicht verfassungskonform. Der erhebliche Finanzaufwand und die damit verbundenen Auswirkungen auf den Landeshaushalt sowie die mangelnde Bestimmtheit der Gesetzesbegründung hinsichtlich der Kosten, die aus der Einführung des neuen neunjährigen Gymnasiums als Regelfall resultieren, stehen einem Volksbegehren entgegen.
Das Ministerium des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen führt in seiner Entscheidung aus, dass nach der Landesverfassung keine Volksbegehren und Volksabstimmungen über das Staatshaushaltsgesetz stattfinden dürfen (Artikel 59 Absatz 3 Satz 3 und Artikel 60 Absatz 6 der Landesverfassung). Das geht zurück auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgericht, wonach keine Volksinitiativen über den Haushalt eines Landes zulässig sind, die „gewichtige staatliche Einnahmen oder Ausgaben auslösen und damit den Haushalt des Landes wesentlich beeinflussen“. Die Kosten, die der Gesetzentwurf im Fall einer Zustimmung bei einer Volksabstimmung verursachen würde, würden das Haushaltsgleichgewicht und die Budgethoheit des Parlaments wesentlich beeinflussen. Für die Umsetzung des Gesetzentwurfs wäre allein von Personalkosten in Höhe von insgesamt ca. 375 Mio. Euro jährlich auszugehen, was zu einer wesentlichen Haushaltsbeeinflussung führen würde.
Der zweite verfassungsrechtliche Grund für die Ablehnung der Zulassung ist, dass in der Gesetzesbegründung des Gesetzentwurfs zur Einführung des neuen neunjährigen Gymnasiums in Baden-Württemberg keine Angabe der Kosten als Geldbetrag erfolgt ist. Stattdessen wurde ausschließlich eine Darstellung des Aufwands in Deputaten vorgenommen. Diese genügt den Anforderungen an die Bestimmtheit der Gesetzesbegründung bei Volksbegehren nicht, die der Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg in seiner Entscheidung zum SPD-Volksbegehren zur gebührenfreien Kinderbetreuung gestellt hat. Danach hatte der Verfassungsgerichtshof verlangt, dass die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner in diesem Punkt die Auswirkungen des Gesetzentwurfs erkennen können.
Der dritte Grund für die Ablehnung des Zulassungsantrags ist, dass der Antrag auf Zulassung des Volksbegehrens nicht durch die dazu berechtigen Vertrauensleute des vorangegangenen Volksantrags gestellt wurde (§ 48 Absatz 1 Satz 3 des Volksabstimmungsgesetzes). Vorausgegangen war ein Volksantrag zum Gesetzentwurf, den der Landtag in seiner Sitzung vom 17. April 2024 abgelehnt hat. Der Antrag auf Zulassung des Volksbegehrens wurde jedoch nicht von den Personen gestellt, die Vertrauensleute des Volksantrags waren. Er ist daher unzulässig.
Die Antragsteller haben nun die Möglichkeit, gegen die Entscheidung des Innenministeriums innerhalb von zwei Wochen den Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg anzurufen.
(c) IM Baden-Württemberg, 22.07.2024