Fast alle Sachverständigen haben sich in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Inneres und Heimat am Montag mit dem Gesetzentwurf zur „Finanzierung politischer Stiftungen aus dem Bundeshaushalt“ (20/8726) grundsätzlich zufrieden gezeigt, jedoch Änderungen in Einzelfragen für geboten gehalten. Der Entwurf war von den Fraktionen SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP gemeinsam vorgelegt worden. Mehrfach wurde angeregt, die Prüfung der Einhaltung der Grundsätze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung durch eine Stiftung nicht dem Bundesministerium des Inneren und für Heimat zuzuweisen, sondern einer anderen Stelle.
Die von den Fraktionen vorgelegte Regelung war nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts notwendig geworden. Künftig gehört zu den Voraussetzungen einer Förderung unter anderem, dass die Abgeordneten der einer politischen Stiftung jeweils nahestehenden Partei in der mindestens dritten aufeinanderfolgenden Legislaturperiode in Fraktionsstärke in den Deutschen Bundestag eingezogen sind. Außerdem darf die einer Stiftung nahestehende Partei nicht von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen worden sein. Zudem muss die Stiftung die Gewähr bieten, für die freiheitliche demokratische Grundordnung sowie für den Gedanken der Völkerverständigung aktiv einzutreten. Die Gesamthöhe der Förderung der politischen Stiftung durch den Bund soll auch in Zukunft durch den Haushaltsgesetzgeber festgelegt werden.
Professor Markus Ogorek (Universität Köln) erklärte, entgegen mancher Kritik sei das Stiftungsfinanzierungsgesetz insgesamt als erfreulich zu bewerten. An wenigen Stellen könne das Gesetz jedoch nicht überzeugen, „etwa in der Entscheidung, die Prüfung der Finanzierungsfähigkeit einer politischen Stiftung in die Hand der Bundesregierung zu legen oder mit der Regelannahme der Nichtförderfähigkeit bei Einstufung durch den Verfassungsschutz“.
Auch Professorin Sina Fontana (Universität Augsburg) äußerte verfassungspolitische Bedenken gegen die Zuständigkeit des Bundesinnenministeriums: „Vorzugswürdig und rechtssicher“ sei es, eine unabhängige Stelle mit der Entscheidung zu betrauen. Insgesamt erweise sich der Gesetzentwurf jedoch als „taugliches Regelungskonzept“. Wie schon Fontana empfahl auch John Philipp Thurn (Gesellschaft für Freiheitsrechte), eine weniger parteilich verortete Stelle zu wählen und nicht das Bundesinnenministerium. Er empfahl die Bundestagspräsidentin.
Das Stiftungsfinanzierungsgesetz sei notwendig und verfassungskonform, argumentierte Professor Christofer Lenz (Oppenländer Rechtsanwälte). Auch ein Abstellen auf drei Wahlerfolge zum Beleg der Dauerhaftigkeit einer politischen Grundströmung, die der Entwurf als Voraussetzung für eine Förderung nennt, sei zulässig. Die Bestimmung des Bundesinnenministeriums als zuständige Stelle sei vorläufig akzeptabel, sollte aber nach Inkrafttreten des Gesetzes noch einmal in Ruhe überprüft werden. Dagegen hielt Professor Joachim Wieland die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Inneres und für Heimat für verfassungskonform. Als oberste Bundesbehörde sei das Ministerium für die zu treffenden Entscheidungen demokratisch legitimiert und verfüge auch als „Verfassungsministerium“ über die notwendige Sachkunde. Auch den Förderbeginn ab der dritten Legislaturperiode bezeichnete Wieland als zulässig.
Der Gesetzentwurf halte sich eng an die in der Rechtsprechung und Literatur entwickelten Kriterien für parteinahe Stiftungen, stellte Rechtsanwalt Jörg Geerlings, Justitiar der nordrhein-westfälischen CDU-Landtagsfraktion in seiner Stellungnahme fest. Der Entwurf bestätige die Unabhängigkeit und Eigenständigkeit der politischen Stiftungen. Er regele nur das, was vom Bundesverfassungsgericht auch tatsächlich gefordert worden sei, erklärte Sabine Fandrych von der Friedrich-Ebert-Stiftung
Mit dem Begriff der „politischen Grundströmung“ setzten sich mehrere Sachverständige auseinander. Thurn sagte, es sei weder erkennbar, nach welchen Kriterien die zuständige Stelle ein Grundströmung ausmachen solle noch wie sie deren „verfassungsfeindliche Prägung“ ermitteln solle.
Der Gesetzentwurf enthalte keine Konkretisierung sowohl des tatbestandlichen Merkmals der freiheitlichen demokratischen Grundordnung noch der Voraussetzungen des aktiven Eintretens für die freiheitliche demokratische Grundordnung, merkte Professor Christoph Möllers (Humboldt-Universität Berlin) an. Im Großen und Ganzen stelle der Entwurf jedoch die staatliche Finanzierung politischer Stiftungen auf eine gesetzliche Grundlage, die den Anforderungen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gerecht werde.
Professor Rudolf Mellinghoff (Bundesverfassungsrichter a.D. und Präsident des Bundesfinanzhofes a.D.) kritisierte, dass der Gesetzentwurf keinerlei Konkretisierung sowohl des tatbestandlichen Merkmals der freiheitlichen demokratischen noch der Voraussetzungen für das Eintreten dafür enthalte. Mellinghoff vermisste wie andere Sachverständige auch Regelungen zur rechtlichen Kontrolle. Er empfahl, das Bundesverwaltungsgericht als zuständiges Gericht für Klagen einer Stiftung gegen das Bundesinnenministerium zu bestimmen. Dadurch könnten langwierige Verfahren durch drei Instanzen vermieden werden.
Der Gesetzentwurf regele die Finanzierung der parteinahen Stiftungen nur unvollständig, kritisierte Professorin Sophie Schönberger (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf). Dem Haushaltsgesetzgeber würden nach wie vor weitreichende Befugnisse übertragen. Das sei „verfassungsrechtlich mehr als problematisch“. Eine Zweckbestimmung, die darlegen würde, mit welchem Ziel politische Stiftungen überhaupt gefördert würden, fehle.
Privatdozent Ulrich Vosgerau bezeichnete den gesamten Entwurf als verfassungswidrig und kündigte für den Fall einer Beschlussfassung eine erneute Klage vor dem Bundesverfassungsgericht an. Es handele sich um ein verbotenes Einzelfallgesetz. Mit Ausnahme der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung sollten alle anderen politischen Stiftungen Geld vom Staat bekommen. Daher seien die bisher geförderten Stiftungen auch im Gesetz explizit erwähnt worden. Sie würden damit von allen Prüfungen ausgenommen.
(c) HiB Nr. 759, 16.10.2023