Der Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP zur Änderung des Parteiengesetzes (20/9147) ist bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Inneres und Heimat am Montag überwiegend auf Zuspruch gestoßen. Ziel der Regelung ist die Anhebung der absoluten Obergrenze der staatlichen Parteienfinanzierung, die Schaffung von mehr Transparenz bei Parteisponsoring und bei Parteispenden sowie die Eröffnung der Möglichkeiten digitaler Parteitage. 

Eine Erhöhung der absoluten Obergrenze für die staatliche Parteienfinanzierung von 141,9 Millionen Euro für das Jahr 2011 auf knapp 184,8 Millionen Euro hatte der Bundestag bereits 2018 beschlossen. Anfang 2023 hatte aber das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Erhöhung als verfassungswidrig verworfen und damit einer Normenkontrollklage der Fraktionen von FDP, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke stattgegeben. Das Gericht hatte geurteilt, dass der Gesetzgeber den Mittelaufwuchs nicht ausreichend begründet habe. 

Die im aktuellen Gesetzentwurf zu findende Begründung wurde bei der Anhörung als ausreichend bewertet. Unterschiedliche Auffassungen gab es jedoch hinsichtlich des Vorhabens, der Mittelerhöhung rückwirkend zum Jahr 2018 Geltung zu verschaffen. 

Nach Einschätzung von Professor Pia Annika Lange von der Universität Bremen ist der Gesetzgeber mit seinem Entwurf den Begründungsanforderungen, die das BVerfG herausgearbeitet habe, „vollumfänglich nachgekommen“. Es würden sowohl die Anhebung der rechtfertigenden einschneidenden Veränderungen in der Gestalt der Digitalisierung sowie der verstärkte Einsatz innerparteilicher Partizipationsinstrumente umfassend begründet. Zudem werde daraus nachvollziehbar der unerlässliche Finanzbedarf der Parteien abgeleitet. 

Auch Professor Karsten Schneider von der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz sieht durch die „überaus sorgfältigen Darlegungen“ in der Begründung des Entwurfes sämtliche Anforderungen, die sich aus der Rechtsprechung des BVerfG ergeben, erfüllt. Die „rückwirkende Reparatur der Rechtslage“ nach dem Urteil vom 24. Januar 2023 ist aus seiner Sicht „verfassungsrechtlich vorzugswürdig“. 

Eine rückwirkende Erhöhung der absoluten Obergrenze begegnet nach Auffassung von Professor Kyrill-Alexander Schwarz von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg „keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken“. Vielmehr werde damit ein „von Anfang an rechtmäßiger Zustand“ hergestellt. Es handle sich also um den Gedanken der Heilung, der aus dem Verwaltungsverfahrensrecht bekannt sei, sagte Schwarz. 

Es sei verfassungsrechtlich völlig unbedenklich, wenn der Gesetzgeber bei der Frage der Obergrenze den begangenen formalen Fehler beseitige, sagte Professor Joachim Wieland von der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer. Eine rückwirkende Reparatur sei daher angemessen, befand auch er. 

Ulrich Vosgerau sah das anders. Der Gesetzgeber wolle mit dem Entwurf eine „unliebsame Entscheidung“ des BVerfG rückwirkend korrigieren, sagte er. Das biete eine Parallele zu dem Versuch, für das Haushaltsjahr 2023 rückwirkend einen Haushaltsnotstand festzustellen, um die Entscheidung des BVerfG vom 15. November „aus der Welt schaffen zu können“. Vosgerau erkannte darin ein „Gewaltenteilungsproblem“. 

Professor Michael Koß von der Leuphana Universität Lüneburg bezeichnete die rückwirkende Erhöhung „aus der Legitimitätsperspektive als schwierig bis sehr schwierig“. Den gescheiterten Versuch von 2018 heilen zu wollen, „in dem man den Parteien 100 Millionen rückwirkend hinterherwirft“, sei unangemessen. Das gelte insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Sparzwänge. 

Professor Foroud Shirvani von der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn sieht in dem Gesetzentwurf eine „grundsätzlich sinnvolle Ergänzung des Parteienfinanzierungsrechts“. Um verfassungsrechtliche Risiken zu verringern seien jedoch Überarbeitungen und Klarstellungen angeraten, befand er. Das gelte etwa für die Frage, wie durch den Gesetzgeber die Erhöhung des Anpassungsvolumens ermittelt wurde. 

Professor Sophie Schönberger von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf bewertete die verfassungsrechtlichen Anforderungen „grundsätzlich als gewahrt“. Irritierend sei aber, dass die Regelung für Festsetzungen ab dem Anspruchsjahr 2018 gelten solle. Die rückwirkende Gesetzesänderung laufe ins Leere, da es für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts grundsätzlich auf den Erlasszeitpunkt ankomme, befand sie.

Wenn laut Gesetzentwurf die Einberufung digitaler Parteitage nur durch den Vorstand, nicht aber durch Voten von Untergliederungen erfolgen kann, werde damit zu stark in die innerparteilichen Willensbildungsprozesse eingegriffen, sagte Professor Isabelle Borucki von der Philipps-Universität Marburg. Eine derartige direktive Steuerung stehe der Demokratisierung und breiten Anbindung einer Partei und ihrer Untergliederungen entgegen und schränke die demokratische Willensbildung in der Partei ein. 

Die Anhörung im Video und die Stellungnahmen der Sachverständigen auf bundestag.de: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw48-pa-inneres-parteiengesetz-978830

(c) HiB Nr. 889, 27.11.2023

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