Hessen hat eine Bundesratsinitiative („Maßnahmen zur Bewältigung zivilgerichtlicher Massenverfahren und zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der Justiz“; Drucksache 342/22) auf den Weg gebracht, damit die Gerichte entsprechende Verfahren künftig besser bewältigen können. Ziel der Initiative ist es, dass die Bundesregierung zeitnah einen Gesetzentwurf vorlegt, der die Gerichte in die Lage versetzt, zivilgerichtliche Massenverfahren effizient und in angemessener Zeit erledigen zu können.
Die Belastung der Gerichte durch die Bearbeitung von zivilgerichtlichen Massenverfahren nimmt seit Jahren kontinuierlich zu. Derartige Massenverfahren zeichnen sich dadurch aus, dass in vergleichbar gelagerten Fällen (Fälle mit im wesentlichen gleichem Lebenssachverhalt und im wesentlichen gleichen Rechtsfragen) eine hohe Vielzahl von Klagen erhoben wird. Das betrifft unter anderem Schadensersatzforderungen in Kapitalanlageverfahren (z. B. im sog. Wirecard-Komplex‘), in verbraucherschutzrechtlichen Verfahren (etwa im sog. ,Dieselkomplex‘) oder die Geltendmachung von Fluggastrechten und Versicherungsansprüchen. Die Vielzahl der Klagen, die Komplexität der Sachverhalte und die Art der Prozessführung binden dabei erhebliche Kapazitäten und personelle Ressourcen.
Der hessische Justizminister Prof. Dr. Roman Poseck erklärt dazu: „Die Bearbeitung zivilgerichtlicher Massenverfahren stellt die Gerichte vor enorme Herausforderungen. Der Bundesgesetzgeber muss jetzt handeln und den Gerichten und damit auch den Rechtssuchenden die bestmögliche Unterstützung zukommen lassen. Die Bürgerinnen und Bürger sowie die Wirtschaft erwarten vom Rechtsstaat, dass sie gerichtliche Entscheidungen in angemessener Zeit erlangen.“
Laut einer Initiativstellungnahme des Deutschen Richterbundes zur besseren Bewältigung von Massenverfahren in der Justiz aus dem Mai 2022 gingen bei den 24 deutschen Oberlandesgerichten allein im Zuge des „Diesel-Komplexes“ im Jahr 2018 rund 10.000, im 2019 rund 40.000, im Jahr 2020 weitere 30.000 und im Jahr 2021 rund 37.500 Zivilklagen gegen Autohersteller ein. Alleine am Landgericht Stuttgart seien 2021 ca. 8.700 Diesel-Verfahren eingegangen. Am Landgericht Frankfurt am Main sind Anfang 2022 an einem einzigen Tag 100 Verfahren von Wirecard-Anlegern eingegangen, für über 20.000 Verfahren zu diesem Komplex soll es bereits Rechtsschutzzusagen von Versicherern geben.
„Die Massenverfahren binden personelle Ressourcen in einem unverhältnismäßigen Umfang. Das möchte ich ändern. Mit der Bundesratsinitiative greift Hessen daher auch konkrete Vorschläge auf, wie Massenverfahren effizienter bearbeitet werden können. Dazu zählen beispielsweise frühzeitigere Grundsatzentscheidungen des Bundesgerichtshofs sowie die Vermeidung sich wiederholender Beweisaufnahmen“, führte Justizminister Roman Poseck weiter aus.
Quelle: Hessisches Ministerium der Justiz, Pressemitteilung vom 28. Juli 2022