Ob der von der Bundesregierung vorgelegte Haushaltsentwurf für 2025 verfassungsgemäß ist, darüber waren sich die Sachverständigen bei einer öffentlichen Anhörung gleich in mehrfacher Hinsicht uneins. Der Haushaltsausschuss hatte die elf Experten am Montag, 23. September 2024, zum Auftakt seiner Beratungen über den nächsten Bundeshaushalt gehört. 

Im Einzelnen ging es um die Gesetzentwürfe der Bundesregierung über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2025 (20/12400), für ein Haushaltsbegleitgesetz 2025 (20/12772), zur periodengerechten Veranschlagung von Zinsausgaben im Rahmen der staatlichen Kreditaufnahme und eines Dritten Gesetzes zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung (20/12771) sowie für einen Nachtrag zum Bundeshaushaltsplan 2024 (20/12770).

Selbst von den Regierungsfraktionen benannte Sachverständige hatten Bedenken wegen der Höhe der sogenannten Globalen Minderausgabe (GMA) im Regierungsentwurf. Bei einer GMA geht der Gesetzgeber davon aus, dass im Haushalt eigentlich vorgesehen Mittel in dieser Höhe tatsächlich nicht abgerufen werden. Nur dank einer GMA von zwölf Milliarden oder drei Prozent des Haushaltsvolumens bleibt der Entwurf für 2025 im Rahmen der Schuldenbremse.

Der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftler von der Pariser Hochschule HEC Armin Steinbach nannte dies „finanz- und verfassungsrechtlich problematisch“. Das Instrument der GMA werde gewöhnlich „zum Einsatz gebracht, um Prognoseschwierigkeiten und Schätzungenauigkeiten abzubilden und darf nicht eingesetzt werden, um einen Haushaltsausgleich herbeizuführen beziehungsweise nur zum Schein herbeizuführen“, erklärte Steinbach. Für „noch vertretbar“ hielten er wie auch einige weitere Sachverständige ein GMA von zwei Prozent und damit unter zehn Milliarden Euro. Schon im Vorfeld hatten Abgeordnete der Koalitionsfraktionen darauf hingewiesen, dass sie eine Absenkung in dieser Größenordnung erreichen wollen.

Der von der AfD-Fraktion benannte Berliner Rechtsanwalt Ulrich Vosgerau wies allerdings darauf, dass der Regierungsentwurf neben dieser „Bodensatz-GMA“ weitere GMAs in den Einzelhaushalten vorsehe, so dass in der Summe Minderausgaben von fast neun Prozent angenommen würden. Das genüge keinesfalls dem „Grundsatz der Haushaltswahrheit“. Der „eigentliche Skandalon“ aber sei, dass der Bundestag, würde er einen solchen Etat beschließen, seine Kompetenz für den Haushaltsvollzug an die Regierung abtreten würde, argumentierte Vosgerau. Das aber wäre ein „fundamentales Gewaltenteilungs-Problem“ und damit verfassungswidrig.

Der von den Grünen benannte Staatsrechtler Alexander Thiele von der BSP Business and Law School Berlin vermisste vor allem eine stichhaltige Begründung für die hohe GMA. Der Verweis der Regierung auf die „empirische Erfahrung“, dass Mittel in dieser Größenordnung am Jahresende nicht abgerufen worden seien, „bringt verfassungsrechtlich nicht viel“, sagte Thiele. Der Cottbuser Volkswirt Jan Schnellenbach, den die FDP benannt hatte, schlug als konkrete Maßnahme vor, die vorerst nicht benötigten Milliarden für eine Intel-Chipfabrik umzuwidmen, um so die GMA zu senken.

Die für 2025 ausgewiesene GMA dient erklärtermaßen dazu, die Schuldenbremse des Grundgesetzes einzuhalten. Der Düsseldorfer Wirtschaftswissenschaftler Jens Südekum verwies aber darauf, dass es in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts noch keine Anhaltspunkte für eine zulässige Höhe der GMA gibt. Auch Südekum hielte aber eine Höhe von „unter zehn Milliarden“ im nächsten Jahr für „vertretbar“.

Problematisch erschienen mehreren Sachverständigen auch im Haushaltsentwurf eingesetzte Globale Mehreinnahmen, die sich infolge der Wachstums-Initiative ergeben sollen. Dieses noch im Gesetzgebungsverfahren befindliche Maßnahmenpaket soll die Konjunktur beleben und damit zu Steuermehreinnahmen führen. Die Münchener Wirtschaftswissenschaftlerin und Vorsitzende des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Monika Schnitzer, erwartet zwar „Wachstumsimpulse“, hält aber die dadurch von der Regierung erwarteten Mehreinnahmen für das erste Jahr, also 2025, für „eher überschätzt“.

Der Chefvolkswirt des Verbands forschender Arzneimittelhersteller, Claus Michelsen, erwartet aufgrund einer von ihm geleiteten Studie, dass die Wachstums-Initiative das Bruttoinlandsprodukt 2025 „konservativ gerechnet“ um 0,4 Prozent steigen lässt. Der Effekt erhöhe sich dann bis 2028 auf 0,9 Prozent. Die Bundesregierung erwartet 0,5 Prozent im ersten Jahr. Dazu erklärte der Vorsitzende des unabhängigen Beirats des Stabilitätsrats, der Finanzwissenschaftler Thiess Büttner von der Universität Erlangen-Nürnberg, dass nach üblicher Schätzung bei einem Prozent Wirtschaftswachstum vier Milliarden Steuermehreinnahmen zu erwarten seien. Wie die Bundesregierung dann bei einem halben Prozent Wachstum auf 6,9 Prozent Mehreinnahmen komme, sei ihm „unerklärlich“.

„Problematisch“ ist aus Sicht des Münchener Professors für Öffentliches Recht Stefan Korioth auch, dass der Haushaltsentwurf anstelle des bisher üblichen Zuschusses für die Deutsche Bahn, der unter die Schuldenbremse fiele, eine Erhöhung des Eigenkapitals und ein Darlehen mit 34 Jahren Laufzeit vorsieht. Auch der Heidelberger Finanz- und Steuerrechtler Hanno Kube hielt es für „fraglich“, ob es sich hier tatsächlich um einen „werthaltigen Vermögenstausch“ handelt, für den die Schuldenbremse nicht gilt. Andere Sachverständige wie der Oberurseler Rechtsanwalt Georg Hermes verwiesen allerdings darauf, dass bei der Bahn langfristig mit einer Einhaltung ihrer Verpflichtungen gerechnet werden könne. Daher seien „Eigenkapital und Darlehen als werthaltig anzusehen“.

Die Anhörung im Video, die Sachverständigenliste und die Stellungnahmen der Sachverständigen auf bundestag.de: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2024/kw39-pa-haushalt-1018948

(c) HiB Nr. 618, 24.09.2024

Cookie Consent mit Real Cookie Banner