Ärztefachverbände lehnen die geplante Legalisierung von Cannabis zu Konsumzwecken ab. Sowohl der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) als auch die Bundesärztekammer (BÄK) begründeten ihre Haltung in einer Expertenanhörung über das Cannabisgesetz der Bundesregierung (20/8704) insbesondere mit der Gefährdung von Kindern und Jugendlichen. Andere Sachverständige würdigten hingegen den mit der Reform einhergehenden Paradigmenwechsel in der Drogenpolitik. Die Experten äußerten sich in der Anhörung des Gesundheitsausschusses am Montagabend sowie in schriftlichen Stellungnahmen.
Der Gesetzentwurf sieht den legalen Besitz und Konsum von Cannabis für Erwachsene vor. Erwachsenen ist künftig der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis für den Eigenkonsum erlaubt. Möglich werden soll zudem der private Eigenanbau von bis zu drei Cannabispflanzen zum Eigenkonsum. Außerdem dürfen nichtgewerbliche Anbauvereinigungen Cannabis künftig anbauen und an ihre Mitglieder zum Eigenkonsum weitergeben.
Die BÄK erklärte, die formulierten Ziele des Gesetzentwurfs würden mit den vorgesehenen Regelungen nicht erreicht. Es sei keine realistische Erwartung, dass Kinder und Jugendliche vor einem Zugang zu Cannabis wirksam geschützt werden könnten. Die Regelungen zum Gesundheitsschutz, zum Kinder- und Jugendschutz sowie zur Prävention führten nur zu einem erheblichen Kontrollaufwand bei ohnehin überlasteten Behörden. Die BÄK wertete die geplante Legalisierung als relevante Gefährdung der psychischen Gesundheit und der Entwicklungschancen der jungen Generation.
Ähnlich argumentierte der Verband der Kinder- und Jugendärzte. Es sei anzuerkennen, dass Kinder und Jugendliche auch künftig keinen Cannabis besitzen und konsumieren dürften. Der BVKJ gehe jedoch davon aus, dass die Freigabe von Cannabis für Erwachsene schwerwiegende negative Auswirkungen auf Jugendliche und Heranwachsende haben werde. Es sei nicht erkennbar, dass die vorgesehenen Schutzvorkehrungen kontrollierbar und durchsetzbar seien.
Skeptisch äußerte sich auch die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), die von Cannabis als einer nicht harmlosen Droge sprach. Cannabis könne, anders als früher angenommen, auch körperlich abhängig machen und berge insbesondere das Risiko, an einer Psychose zu erkranken. Strenge Jugendschutzregelungen seien bei jeder Droge unerlässlich, ob Cannabis, Alkohol oder Tabak.
Die Neue Richtervereinigung (NV) begrüßte das Anliegen des Entwurfs, weil eine Kriminalisierung des Besitzes von Cannabis zum Eigenkonsum nicht mehr zu rechtfertigen sei. Allerdings sollte die Vorlage optimiert werden. Sollten im Eigenanbau aus drei Pflanzen mehr als 25 Gramm Cannabis gewonnen werden, drohe eine normsinnwidrige Kriminalisierung von Erntenden. Es sei für Konsumenten zudem kaum erkennbar, ob sie sich gerade innerhalb einer 200-Meter-Kosumverbotszone befänden.
Der Deutsche Richterbund befürchtet nach der Freigabe eine deutliche Verschlechterung der Lage. Es würden neue Straftatbestände geschaffen, die mit einem erheblichen Ermittlungsaufwand verbunden seien. Zu rechnen sei mit einem Missbrauch von Anbauvereinigungen und einer Stärkung des Schwarzmarktes.
Der Branchenverband Cannabiswirtschaft (BvCW) erklärte, es sei ein Irrglaube, dass sich der illegale Markt ohne Einbeziehung der Wirtschaft spürbar zurückdrängen lasse. Nur Akteure der Wirtschaft könnten durch Effizienz, Qualität und Verfügbarkeit „wettbewerbsfähig“ zu illegalen Marktakteuren werden.
Der Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik (akzept) erklärte, es sei richtig und überfällig, den Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum, den privaten Eigenanbau und den gemeinschaftlichen Eigenanbau nebst Weitergabe von Cannabis in Anbauvereinigungen straffrei zu ermöglichen. Nicht sinnvoll sei es jedoch, den Konsum von Cannabis in Anbauvereinigungen zu verbieten. Zudem seien die Auflagen für die Vereinigungen zu kleinteilig und bürokratisch.
Ein Vertreter der Gewerkschaft der Polizei (GdP) forderte in der Anhörung ein Präventionspaket zugunsten der Verkehrssicherheit mit der Festsetzung eines niedrigen THC-Grenzwertes. Die Auswirkungen des Cannabis-Konsums auf den Straßenverkehr würden bisher vernachlässigt.
(c) HiB Nr. 817, 07.11.2023