Im Anschluss an die Sitzung des Präsidiums der Freien Demokraten gaben der FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai und das FDP-Präsidiumsmitglied und die Spitzenkandidatin zur Europawahl Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann die folgenden Statements ab.
Djir-Sarai: Meine Damen und Herren, wir haben heute im Präsidium einen Beschluss mit zwölf Punkten zur Beschleunigung der Wirtschaftswende gefasst. Wir stellen fest, dass die Welt heute eine andere Welt ist als die Welt zum Zeitpunkt des Koalitionsvertrages. Um es konkreter zu formulieren: Wir haben heute im Land eine ganz andere wirtschaftliche Situation als noch zum Zeitpunkt des Koalitionsvertrages. Der Krieg in der Ukraine hat ja nicht nur die Rahmenbedingungen, die Parameter in Deutschland verändert, sondern in ganz Europa und auf der ganzen Welt. Zum Zeitpunkt des Koalitionsvertrages sind viele davon ausgegangen, dass noch die wirtschaftlichen und sozialen Kosten der Pandemie die zentralen Herausforderungen im Land sein werden. Heute stellen wir fest: Wir haben völlig andere Herausforderungen und diese Herausforderungen müssen angepackt werden. Wir stellen zweitens fest, dass andere Industrienationen aus der Krise besser herausgekommen sind als wir. Und wir stellen drittens fest, dass in Deutschland wichtige Reformen schon vor zehn Jahren eingeleitet hätten werden müssen. Das ist nicht erfolgt. Aber jetzt müssen diese Dinge angepackt werden. Wir haben Inflation im Euroraum, wir haben eine wirtschaftlich schwierige Situation. Wir haben heute eine ganz andere Entwicklung als noch vor einigen Jahren. Deswegen sind eine ganze Reihe von Maßnahmen aus unserer Sicht notwendig, die jetzt angepackt werden müssen. Am Wochenende ist ja auch der FDP-Bundesparteitag. Wir werden das Thema Wirtschaft, die wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land und die Wirtschaftswende intensiv auf dem Parteitag diskutieren und dementsprechend auch einen Leitantrag dazu beschließen. Letztendlich geht es um die Frage des Wohlstandes in unserem Land. Welche Politik ist notwendig, um den Wohlstand in Deutschland zu erhalten und vor allem am Ende des Tages den Wohlstand zu mehren? Das sind die zentralen Fragen, die wir uns stellen.
Aus unserer Sicht ist die Einführung eines Jahresbürokratieabbaugesetzes notwendig. Sie kennen das ja vermutlich vom Jahressteuergesetz, es soll also analog zum Jahressteuergesetz ein Jahresbürokratieabbaugesetz geben. Wir brauchen außerdem eine Reform des Bürgergelds. Wir haben ja in dieser Koalition gemeinsam das Bürgergeld beschlossen. Das heutige Bürgergeld beinhaltet starke Verbesserungen im Vergleich zu Hartz IV. Aber wir stellen heute fest, dass hier Defizite existieren. Gute Politik bedeutet auch, dass man das eigene Handeln bewertet und mögliche Defizite, die existieren, auch berücksichtigt und ändert. Das heißt vor allem beim Thema Mitwirkungspflicht im Bürgergeld, dass dort nachgebessert und die richtigen Anreize gesetzt werden. Arbeitsanreize, damit Menschen wieder arbeiten und auf den Arbeitsmarkt zurückkehren. Wir wollen ein Moratorium für Sozialleistungen auch mit Blick auf die haushaltspolitischen Diskussionen, die auf uns zukommen. Es wäre schon ein starker Beitrag auch für die Haushaltspolitik, wenn es uns gelingen würde, in den nächsten drei Jahren keine zusätzlichen Sozialleistungen in Deutschland einzuführen. Wir wollen darüber hinaus regelmäßige Anpassungen des Einkommensteuertarifs und der Freibeträge. Es geht hier um das Thema Abschaffung der kalten Progression. Wir wollen die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Wir wollen die Abschreibungserleichterungen des Wachstumschancengesetzes verlängern. Wir wollen die Aussetzung des deutschen Lieferkettengesetzes. Wir wollen die Baukosten in unserem Land senken und wir wollen mehr Innovation. Wir sind der Meinung, dass die Rente mit 63 falsche Anreize setzt, auch mit Bezug auf das Thema Fachkräftemangel. Und gerade bei dem Thema Förderung erneuerbarer Energien wollen wir mehr Markt, mehr Wettbewerb, mehr Wettbewerbsfähigkeit.
All diese Punkte haben in diesem Papier eine Rolle gespielt. Am Wochenende haben wir wie gesagt einen Parteitag. Das ist ein Parteitag der FDP. Das ist nicht ein Parteitag der Grünen, das ist nicht ein Parteitag der SPD. Es ist auch nicht ein Parteitag der Ampelkoalition. Das ist ein Parteitag der FDP. Und das auf einem Parteitag der FDP über die wirtschaftliche Situation in diesem Land diskutiert wird und anschließend Schlussfolgerungen daraus gezogen werden für die wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land, das liegt aus meiner Sicht in der Natur der Sache. Und all die Schlussfolgerungen, warum die FDP jetzt mit so einem Papier um die Ecke kommt, warum so ein Papier jetzt geschrieben wird: Ja, das kann ich Ihnen sagen, weil wir der Meinung sind, dass die wirtschaftlichen Herausforderungen in unserem Land derzeit enorm sind. Das ist der Grund, warum so ein Papier entsteht. Und das ist der Grund, warum wir auf dem Parteitag ein Leitantrag extra zu diesem Thema haben werden.
Strack-Zimmermann: Meine Damen und Herren, das Thema Wirtschaft ist natürlich auch ein ausgesprochen europäisches Thema. Es ist schon bizarr zu sehen, dass Frau von der Leyen das Parteibuch von Konrad Adenauer, Ludwig Erhard, Helmut Kohl trägt, nämlich derer, die maßgeblich daran beteiligt waren, dass diese Europäische Union, wie wir sie heute haben, als Friedens-, aber eben auch als Wirtschaftsprojekt besteht. Und die Bürokratie? Um es mal ganz konkret zu machen: Unser Justizminister Marco Buschmann hat das vierte Bürokratieentlastungsgesetz aufgelegt. Aber wenn wir, sagen wir einmal, hier die Unternehmen mit 1 Milliarde entlasten, kommt zeitgleich eine Belastung aus Europa von 1,5 Milliarden. Ein weitere wichtige Frage: Wie gehen wir mit der Automobilindustrie um? Wir sind ein Land mit großen Herstellern und wir haben uns explizit gegen das Verbrenner-Verbot ausgesprochen. Und auch da darf ich noch mal daran erinnern, dass es Frau von der Leyen war, die es durchgesetzt hat. Und der Kollege Söder, der 2020 diesbezüglich klar Stellung bezogen hat, nämlich gegen den Verbrenner zu sein. Beide sagen jetzt: „Das war nicht so gemeint, wir wollten nur spielen.“ Damit spielen Frau von der Leyen und Herr Söder mit der Wettbewerbsfähigkeit von BMW, die in China einen erheblichen Teil ihres Umsatzes erwirtschaften. Es war gut und richtig, dass wir, gerade auch was Volker Wissing betrifft, immer wieder darauf hingewiesen haben, dass synthetische Kraftstoffe eben eine mögliche Alternative sind. Offensichtlich ist das jetzt auch bei der CDU und CSU angekommen. Und wenn Sie erlauben, sage ich noch drei Sätze zu den US-Hilfen für die Ukraine, die am Samstag freigegeben worden sind. Wir haben das beobachtet, die harte Diskussion in den Vereinigten Staaten, und wir können an dieser Stelle den Vereinigten Staaten danken, dass sie dieses Paket von über 60 Milliarden Dollar freigegeben haben für die Ukraine, damit die Ukraine schnellstmöglich vor allem mit Munition, aber auch mit Lenkwaffen unterstützt wird in ihrem dramatischen Kampf gegenüber Russland. Meine Damen und Herren, was ganz wichtig ist: Das ist für uns ein Zeichen dafür, dass die europäischen Staaten deutlich mehr machen müssen. Entweder wir wollen die Ukraine unterstützen. Entweder wir wollen, dass sie diesen Krieg gewinnt. Oder wir wollen es nicht. Ein bisschen gibt es nicht. Das wird unsere Aufgabe sein, dem zu folgen. Denn wir wissen nicht, ob in den Vereinigten Staaten weiterhin solche Pakete geschnürt werden. Das können wir alles heute noch nicht sagen. Deswegen sollten wir uns auf unsere Kraft konzentrieren. Und damit bin ich wieder am Ausgang der Lage, nämlich bei der Wirtschaftswende. Nur durch eine starke Wirtschaft werden wir auch Geld genug haben, um diesen Kontinent und dieses Land zu verteidigen. Und, meine Damen und Herren, ich sage das ganz deutlich: Die Lage ist ernst, sie ist nicht profan. Die Menschen haben das Recht, dass wir sie schützen. Und sie haben das Recht, dass wir eine starke Wirtschaft auf den Weg bringen. Wir brauchen den Erfolg der Wirtschaft für die Sicherheit auf diesem Kontinent.