Heute hat der Bundesgeschäftsführer der Partei Die Linke, Ates Gürpinar, auf eine Pressekonferenz das Konzept »Vier Schritte zur Vier-Tage-Woche« vorgestellt. Das Konzept beinhaltet konkrete Schritte, die hier dokumentiert sind:
In 4 Schritten zur 4-Tage-Woche
Alarmstufe Rot: Der Personalnotstand in Krankenhäusern und Pflegeheimen wird immer dramatischer. Viele Beschäftigte sind ausgelaugt und frustriert ob der schlimmen Arbeitsbedingungen. Zehntausende wechseln jedes Jahr den Beruf oder gehen in Teilzeit. Es finden sich immer weniger junge Menschen für Pflegeberufe, denn die miesen Arbeitsbedingungen haben sich herumgesprochen. Dabei gibt es eine einfache Lösung: 300.000 Vollzeit-Pflegekräfte stünden durch Rückkehr in den Beruf oder Aufstockung der Arbeitszeit zusätzlich zur Verfügung – „sofern sich die Arbeitsbedingungen in der Pflege deutlich verbessern“, schreibt Hans-Böckler-Stiftung. Eine 4-Tage-Woche wäre für viele ein Argument, in ihren Beruf zurückzukehren. Das gilt nicht nur für die Pflegebranche. Sozialarbeiter*innen oder Lehrpersonal, die zu wenig Zeit für Kinder und Bedürftige haben, verlassen enttäuscht den Beruf oder reduzieren ihre Stunden, um sich vor einem Burnout zu schützen. Die Bahn und viele Verkehrsunternehmen haben Schwierigkeiten, neue Lokführer oder Busfahrer*innen zu gewinnen – während die Beschäftigten über zunehmenden Arbeitsstress klagen.
Arbeitsstress macht krank
Auch die Krankenkassen schlagen Alarm: Immer mehr Menschen macht der Stress auf der Arbeit krank. Deutschland arbeitet sich kaputt. Millionen ziehen die Reißleine und gehen in Teilzeit. Sie müssen dafür erhebliche Lohneinbußen und geringere Renten in Kauf nehmen. So kann es nicht weitergehen. Statt immer mehr Stress und Arbeitsverdichtung brauchen wir mehr Zeit für Familie und Freunde, Hobbys und Ehrenamt. Kürzere Erwerbsarbeit ermöglicht zudem eine gerechtere Aufteilung von unbezahlter Sorgearbeit – die nach wie vor überwiegend von Frauen geleistet wird. Der zunehmende Arbeitsstress belastet Krankenkassen und Rentenversicherung, die die Kosten für Rehamaßnahmen und Erwerbsminderung übernehmen. Die Unternehmen hingegen müssen die Folgekosten ihrer rücksichtslosen Personalpolitik nicht selbst tragen. Deshalb haben sie kaum Anreize für einen nachhaltigen Personaleinsatz.
Eine große Mehrheit für 4-Tage-Woche
Doch viele Beschäftigte lassen sich das nicht mehr bieten und fordern nun kürzere Arbeitszeiten: In der Stahlbranche ebenso, wie in der Pflege, bei der Eisenbahn und in den Kitas. Die 35-Stunden-Woche in der westdeutschen Metall- und Elektroindustrie wurde 1984 durch einen mehr als sechswöchigen Streik erkämpft. „Mehr Zeit zum Leben, Lieben, Lachen“ war damals das Motto. Und es ist weiter aktuell. 35 Stunden in Vollzeit sind für viele Beschäftigte immer noch Utopie. Höchste Zeit also für die gesellschaftliche Umverteilung von Arbeitszeit. Studien zeigen, dass die Vier-Tage-Woche sowohl Produktivität als auch Wohlbefinden steigert. Mehr als 80 Prozent der Vollzeitbeschäftigten befürworten die Vier-Tage-Woche in Deutschland. Allerdings haben viele Angst vor Lohneinbußen. Darum ist klar: Arbeitszeitverkürzung nur bei vollem Lohnausgleich!
Arbeitszeitverkürzung gegen den Fachkräftemangel
Die Diskussion um die 4-Tage-Woche und Fachkräftemangel wird von Lindner, Habeck und Arbeitgeberverbänden falsch geführt: Denn auch Firmen haben hier etwas zu gewinnen: Geringere Krankheitskosten, weniger Fluktuation und damit weniger Produktivitätsverluste durch fehlendes, überlastetes oder hastig eingearbeitetes Personal. Gerade in Branchen mit Fachkräftemangel kann eine 4-Tage-Woche bei gleichem Lohn die Attraktivität der Arbeitsplätze deutlich erhöhen. Die Linke fordert deshalb eine Offensive zur Verkürzung der Arbeitszeit. Das geht nicht ohne starke Gewerkschaften. Durch die EU-Mindestlohn-Richtlinie werden die Staaten der Europäischen Union verpflichtet, neben höheren Mindestlöhnen auch die Tarifbindung auf 80 Prozent zu erhöhen. Die Regierungen müssen bis 2026 einen Plan vorlegen, wie sie dieses Ziel erreichen wollen. Im Zuge dieser Verpflichtung kann auch die Arbeitszeitverkürzung Schlagkraft gewinnen.
So kann die 4-Tage-Woche umgesetzt werden:
1. Anti-Stress-Verordnung:
Das Arbeitsschutzgesetz verpflichtet Unternehmen schon jetzt, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die Gesundheit der Beschäftigten zu schützen. Das beinhaltet ausdrücklich auch psychische Belastungen. Es wird nur bisher kaum umgesetzt und nicht kontrolliert. Die Gewerkschaften fordern seit Jahren eine Verordnung zum Schutz vor psychischen Belastungen bei der Arbeit. Eine Anti-Stress-Verordnung konkretisiert analog zu anderen Gefahrenverordnungen im Arbeitsschutz die Pflichten der Unternehmen. Sie erleichtert damit auch Gewerkschaften und Betriebsräten die Durchsetzung gesundheitsförderlicher Arbeitsbedingungen. Das Arbeitsschutzgesetz verbietet Unternehmen, Kosten für den Gesundheitsschutz auf die Beschäftigten umzulegen. Das bedeutet auch, dass zur Reduktion der Belastungen ein Lohnverzicht ausgeschlossen sein sollte.
2. Wahlarbeitszeitgesetz:
Ein gesetzliches Recht auf Wahlarbeitszeiten ermöglicht, dass flächendeckend in den Betrieben Arbeitszeitmodelle umgesetzt werden, die an unterschiedliche Lebenssituationen angepasst sind. Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) hat dazu ein Konzept vorgelegt. Beschäftigte erhalten demnach einen individuellen Rechtsanspruch auf Änderung ihrer Arbeitszeit. Die Tarifparteien erarbeiten Optionen für die Ausgestaltung in den jeweiligen Betrieben. Das Gesetz gilt für Betriebe aller Größen und Branchen. Die Besonderheiten kleiner Betriebe und bestimmter Tätigkeiten können in betrieblich angepassten Arbeitszeitkonzepten berücksichtigt werden. Die Betriebsräte müssen zwingende Mitbestimmungsrechte bekommen, um den erforderlichen Personalausgleich durchsetzen zu können. Gleichzeitig müssen die Ausnahmen im Arbeitszeitgesetz beseitigt werden. Der 8-Stunden-Tag ist gesetzlich als Regel festzuhalten.
3. Öffentliche Betriebe als Vorbild
Viele Bereiche der öffentlichen Dienstleistungen stehen vor dem Kollaps, weil es an Personal fehlt. In den kommenden Jahren gehen Millionen Angestellte und Beamt*innen in den Ruhestand, während das Arbeitskräftepotenzial aufgrund des Geburtenrückgangs schrumpft. Fachkräfte kommen nur, wenn die Arbeitsbedingungen attraktiv sind. Eine Arbeitszeitverkürzung kann dabei helfen, Fachkräfte zu halten und neue zu gewinnen. Die Regierung muss eingreifen und die Arbeitszeit zügig mit vollem Lohnausgleich reduzieren. Denkbar ist eine schrittweise Reduzierung auf 32 Stunden pro Woche. Das erlaubt die Anpassung der Abläufe an die vorhandene Arbeitskapazität und ermöglicht auch Berufsrückkehrern und Teilzeitkräften eine verlässliche Perspektive. Das spart zudem Krankheitskosten und entlastet die Kassen. Die Regierung schafft so einen Standard auf dem Arbeitsmarkt, an dem sich auch die private Konkurrenz orientieren muss, wenn sie neue Fachkräfte gewinnen will.
4. Kleine Firmen unterstützen
Betriebe mit wenig Umsatz und Gewinn brauchen Hilfe bei der Umstellung auf die Vier-Tage-Woche. Für sie kann der Übergang zum Vier-Tage-Modell mithilfe von zeitlich begrenzten Lohnzuschüssen erleichtert werden. Ein Beispiel ist das Modellprojekt in Spanien: Die Regierung fördert Unternehmen mit bis zu 250 Beschäftigten beim Erproben der 4-Tage-Woche. Neben den Löhnen werden dabei auch Kosten für die Entwicklung neuer Arbeitszeitmodelle bezuschusst. Öffentliche Unterstützung sollte dabei stets an die Erweiterung zwingender Mitbestimmung gebunden sein.